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Pflüger, Eduard Friedrich Wilhelm: Die sensorischen Functionen des Rückenmarks der Wirbelthiere. Berlin, 1853.

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mich nun von der Natur der Bewegung durch den Beweis auf
das Allerbestimmteste zu überzeugen, gebrauchte ich den im
Kapitel VII. dem Leser bereits bekannten Kunstgriff, natürlich
unter veränderter Form. Ich legte beide Arme des auf dem
Rücken liegenden schlafenden Kindes leise neben den Körper,
bettete sein linkes Aermchen besonders weich, legte ein wei¬
ches Kissen über dieses Aermchen und mit meiner linken Hand
hielt ich mit einem durch das Kissen gemilderten Druck sein
Aermchen fest. Hierauf kitzelte ich, mit der rechten Hand eine
Feder haltend, das linke Nasloch des Kleinen. Sofort wurde
der linke Arm bewegt, vermochte aber nicht nach dem Gesicht
geführt zu werden, weil ich ihn, wenn auch sanft, doch hin¬
reichend fest hielt. Er verzog nun das Gesicht und ich kitzelte
weiter, so dass er sehr schnell mit der anderen, also rechten
Hand, das linke Nasloch zu drücken suchte, während er sonst
immer die gleichseitige Hand gewählt hatte, wenn man ihn
noch so sehr und so lange kitzelte, bis er erwachte.

Nachdem wir soweit in unseren Untersuchungen vorge¬
schritten sind, liegt es nahe, zu fragen, ob man aus ihnen die
Consequenz ziehen könne, dass während des Schlafes die sen¬
sorische Thätigkeit der Cerebralgebilde erlischt und die des
Rückenmarkes zu functioniren fortfährt. Vorzugsweise um die¬
ser falschen Consequenz vorzubeugen, habe ich den Bewegun¬
gen Schlafender ein Capitel gewidmet. Aus der Analogie zwi¬
schen den Bewegungen Enthaupteter und Schlafender, welche
beide durch bewusste Thätigkeit vermittelt sind, folgt Nichts
weiter, als dass beide Bewegungen der Ausfluss eines von sei¬
ner Höhe gesunkenen dunkeln Sensoriums seien. Jene oben
bezeichnete Consequenz ist nachweisbar falsch und zwar aus
folgenden Gründen: Es kommt bei Schlafenden vor, dass sie
nicht allein spontane Bewegungen machen, sondern sogar spon¬
tane Locomotionsbewegungen. Die Vermittlung zu dieser Bewe¬
gung liegt wenigstens hoch in der Medulla oblongata. Die Nacht¬
wandler erheben sich von ihrem Sitze oder Lager und gehen
mit etwas unsicherem Gange durch Reihen von Zimmern und

mich nun von der Natur der Bewegung durch den Beweis auf
das Allerbestimmteste zu überzeugen, gebrauchte ich den im
Kapitel VII. dem Leser bereits bekannten Kunstgriff, natürlich
unter veränderter Form. Ich legte beide Arme des auf dem
Rücken liegenden schlafenden Kindes leise neben den Körper,
bettete sein linkes Aermchen besonders weich, legte ein wei¬
ches Kissen über dieses Aermchen und mit meiner linken Hand
hielt ich mit einem durch das Kissen gemilderten Druck sein
Aermchen fest. Hierauf kitzelte ich, mit der rechten Hand eine
Feder haltend, das linke Nasloch des Kleinen. Sofort wurde
der linke Arm bewegt, vermochte aber nicht nach dem Gesicht
geführt zu werden, weil ich ihn, wenn auch sanft, doch hin¬
reichend fest hielt. Er verzog nun das Gesicht und ich kitzelte
weiter, so dass er sehr schnell mit der anderen, also rechten
Hand, das linke Nasloch zu drücken suchte, während er sonst
immer die gleichseitige Hand gewählt hatte, wenn man ihn
noch so sehr und so lange kitzelte, bis er erwachte.

Nachdem wir soweit in unseren Untersuchungen vorge¬
schritten sind, liegt es nahe, zu fragen, ob man aus ihnen die
Consequenz ziehen könne, dass während des Schlafes die sen¬
sorische Thätigkeit der Cerebralgebilde erlischt und die des
Rückenmarkes zu functioniren fortfährt. Vorzugsweise um die¬
ser falschen Consequenz vorzubeugen, habe ich den Bewegun¬
gen Schlafender ein Capitel gewidmet. Aus der Analogie zwi¬
schen den Bewegungen Enthaupteter und Schlafender, welche
beide durch bewusste Thätigkeit vermittelt sind, folgt Nichts
weiter, als dass beide Bewegungen der Ausfluss eines von sei¬
ner Höhe gesunkenen dunkeln Sensoriums seien. Jene oben
bezeichnete Consequenz ist nachweisbar falsch und zwar aus
folgenden Gründen: Es kommt bei Schlafenden vor, dass sie
nicht allein spontane Bewegungen machen, sondern sogar spon¬
tane Locomotionsbewegungen. Die Vermittlung zu dieser Bewe¬
gung liegt wenigstens hoch in der Medulla oblongata. Die Nacht¬
wandler erheben sich von ihrem Sitze oder Lager und gehen
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[135/0157] mich nun von der Natur der Bewegung durch den Beweis auf das Allerbestimmteste zu überzeugen, gebrauchte ich den im Kapitel VII. dem Leser bereits bekannten Kunstgriff, natürlich unter veränderter Form. Ich legte beide Arme des auf dem Rücken liegenden schlafenden Kindes leise neben den Körper, bettete sein linkes Aermchen besonders weich, legte ein wei¬ ches Kissen über dieses Aermchen und mit meiner linken Hand hielt ich mit einem durch das Kissen gemilderten Druck sein Aermchen fest. Hierauf kitzelte ich, mit der rechten Hand eine Feder haltend, das linke Nasloch des Kleinen. Sofort wurde der linke Arm bewegt, vermochte aber nicht nach dem Gesicht geführt zu werden, weil ich ihn, wenn auch sanft, doch hin¬ reichend fest hielt. Er verzog nun das Gesicht und ich kitzelte weiter, so dass er sehr schnell mit der anderen, also rechten Hand, das linke Nasloch zu drücken suchte, während er sonst immer die gleichseitige Hand gewählt hatte, wenn man ihn noch so sehr und so lange kitzelte, bis er erwachte. Nachdem wir soweit in unseren Untersuchungen vorge¬ schritten sind, liegt es nahe, zu fragen, ob man aus ihnen die Consequenz ziehen könne, dass während des Schlafes die sen¬ sorische Thätigkeit der Cerebralgebilde erlischt und die des Rückenmarkes zu functioniren fortfährt. Vorzugsweise um die¬ ser falschen Consequenz vorzubeugen, habe ich den Bewegun¬ gen Schlafender ein Capitel gewidmet. Aus der Analogie zwi¬ schen den Bewegungen Enthaupteter und Schlafender, welche beide durch bewusste Thätigkeit vermittelt sind, folgt Nichts weiter, als dass beide Bewegungen der Ausfluss eines von sei¬ ner Höhe gesunkenen dunkeln Sensoriums seien. Jene oben bezeichnete Consequenz ist nachweisbar falsch und zwar aus folgenden Gründen: Es kommt bei Schlafenden vor, dass sie nicht allein spontane Bewegungen machen, sondern sogar spon¬ tane Locomotionsbewegungen. Die Vermittlung zu dieser Bewe¬ gung liegt wenigstens hoch in der Medulla oblongata. Die Nacht¬ wandler erheben sich von ihrem Sitze oder Lager und gehen mit etwas unsicherem Gange durch Reihen von Zimmern und

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Zitationshilfe: Pflüger, Eduard Friedrich Wilhelm: Die sensorischen Functionen des Rückenmarks der Wirbelthiere. Berlin, 1853, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pflueger_rueckenmark_1853/157>, abgerufen am 23.11.2024.