Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pflüger, Eduard Friedrich Wilhelm: Die sensorischen Functionen des Rückenmarks der Wirbelthiere. Berlin, 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

ja bekanntlich die Narcotisation durch Opium oder viel besser
Strychnin. Gilt also auch für den Aal das Gesetz der gleich¬
seitigen Leitung, so muss in diesem Zustande der Schwanz,
wenn Feuer gegen eine Seite desselben gebracht wird, durch
eine Zuckung gegen oder in dasselbe geschleudert werden! --

Ich habe nun das Experiment an Aalen vorgenommen und
meine Hoffnung des Gelingens bestätigte sich. Der Schwanz
zuckte häufig mit solcher Gewalt in die Flamme, dass sie er¬
losch. Hier muss ich indessen für denjenigen, welcher das
Experiment nachmachen will, einige Cautelen zufügen. Ich habe
an kleinen Aalen von 1-1 Fuss Länge experimentirt. Ich
injicirte 2-3 Tropfen einer alkoholischen Lösung des Strychni¬
num nitricum (gr. v auf b) in den Magen und liess das Thier
alsdann in einer mit Wasser mässig gefüllten Blechwanne lie¬
gen. Sobald es nach wenigen Secunden von selbst zusammen¬
fuhr, ergriff ich es, legte es auf eine glatte Fläche, hielt es, mit
beiden Fingerspitzen es zu beiden Seiten fassend, sanft aufrecht
fest, indem der Schwanz über den Rand der Fläche frei schwebte.
Während ich mit der linken Hand hielt, wartete ich ab, bis die
Krampfparoxysmen ein Intervall hatten, griff mit der rechten
nach einer brennenden Lampe und näherte sie einer Seite des
Thieres. Sofort fuhr durch den ganzen Körper eine gewaltige
Zuckung, welche ich unter meinen Fingern hinweggehen fühlte,
und mit einem mächtigen Schlage schlug der Schwanz gegen
das Feuer. So kann man auf derselben Seite 2-4 mal reizen,
aber nicht mehr, und zwar aus folgenden Gründen:

Hat man eine Seite des Schwanzes gebrannt, so erfolgen
mehrere Zuckungen in den Muskeln derselben Seite, die den
Schwanz immerfort gegen diese schlagen lassen. Die Intervalle
werden immer länger, und wenn man dann auf der anderen
Seite reizte, so wäre man nicht sicher, ob der entstehende
Effect nicht ein gemischter oder noch durch frühere Einwirkun¬
gen bedingter wäre. Hat man deshalb die Zuckung mehrmals
auf derselben Seite entstehen sehen, so wirft man das Präparat
weg und nimmt ein neues. -- Ausser Dem habe ich noch Etwas

ja bekanntlich die Narcotisation durch Opium oder viel besser
Strychnin. Gilt also auch für den Aal das Gesetz der gleich¬
seitigen Leitung, so muss in diesem Zustande der Schwanz,
wenn Feuer gegen eine Seite desselben gebracht wird, durch
eine Zuckung gegen oder in dasselbe geschleudert werden! —

Ich habe nun das Experiment an Aalen vorgenommen und
meine Hoffnung des Gelingens bestätigte sich. Der Schwanz
zuckte häufig mit solcher Gewalt in die Flamme, dass sie er¬
losch. Hier muss ich indessen für denjenigen, welcher das
Experiment nachmachen will, einige Cautelen zufügen. Ich habe
an kleinen Aalen von 1–1 Fuss Länge experimentirt. Ich
injicirte 2–3 Tropfen einer alkoholischen Lösung des Strychni¬
num nitricum (gr. v auf ℥β) in den Magen und liess das Thier
alsdann in einer mit Wasser mässig gefüllten Blechwanne lie¬
gen. Sobald es nach wenigen Secunden von selbst zusammen¬
fuhr, ergriff ich es, legte es auf eine glatte Fläche, hielt es, mit
beiden Fingerspitzen es zu beiden Seiten fassend, sanft aufrecht
fest, indem der Schwanz über den Rand der Fläche frei schwebte.
Während ich mit der linken Hand hielt, wartete ich ab, bis die
Krampfparoxysmen ein Intervall hatten, griff mit der rechten
nach einer brennenden Lampe und näherte sie einer Seite des
Thieres. Sofort fuhr durch den ganzen Körper eine gewaltige
Zuckung, welche ich unter meinen Fingern hinweggehen fühlte,
und mit einem mächtigen Schlage schlug der Schwanz gegen
das Feuer. So kann man auf derselben Seite 2–4 mal reizen,
aber nicht mehr, und zwar aus folgenden Gründen:

Hat man eine Seite des Schwanzes gebrannt, so erfolgen
mehrere Zuckungen in den Muskeln derselben Seite, die den
Schwanz immerfort gegen diese schlagen lassen. Die Intervalle
werden immer länger, und wenn man dann auf der anderen
Seite reizte, so wäre man nicht sicher, ob der entstehende
Effect nicht ein gemischter oder noch durch frühere Einwirkun¬
gen bedingter wäre. Hat man deshalb die Zuckung mehrmals
auf derselben Seite entstehen sehen, so wirft man das Präparat
weg und nimmt ein neues. — Ausser Dem habe ich noch Etwas

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0138" n="116"/>
ja bekanntlich die Narcotisation durch Opium oder viel besser<lb/>
Strychnin. Gilt also auch für den Aal das Gesetz der gleich¬<lb/>
seitigen Leitung, so muss in diesem Zustande der Schwanz,<lb/>
wenn Feuer gegen eine Seite desselben gebracht wird, durch<lb/>
eine Zuckung gegen oder in dasselbe geschleudert werden! &#x2014;</p><lb/>
        <p>Ich habe nun das Experiment an Aalen vorgenommen und<lb/>
meine Hoffnung des Gelingens bestätigte sich. Der Schwanz<lb/>
zuckte häufig mit solcher Gewalt in die Flamme, dass sie er¬<lb/>
losch. Hier muss ich indessen für denjenigen, welcher das<lb/>
Experiment nachmachen will, einige Cautelen zufügen. Ich habe<lb/>
an kleinen Aalen von 1&#x2013;1 Fuss Länge experimentirt. Ich<lb/>
injicirte 2&#x2013;3 Tropfen einer alkoholischen Lösung des Strychni¬<lb/>
num nitricum (gr. v auf &#x2125;&#x03B2;) in den Magen und liess das Thier<lb/>
alsdann in einer mit Wasser mässig gefüllten Blechwanne lie¬<lb/>
gen. Sobald es nach wenigen Secunden von selbst zusammen¬<lb/>
fuhr, ergriff ich es, legte es auf eine glatte Fläche, hielt es, mit<lb/>
beiden Fingerspitzen es zu beiden Seiten fassend, sanft aufrecht<lb/>
fest, indem der Schwanz über den Rand der Fläche frei schwebte.<lb/>
Während ich mit der linken Hand hielt, wartete ich ab, bis die<lb/>
Krampfparoxysmen ein Intervall hatten, griff mit der rechten<lb/>
nach einer brennenden Lampe und näherte sie einer Seite des<lb/>
Thieres. Sofort fuhr durch den ganzen Körper eine gewaltige<lb/>
Zuckung, welche ich unter meinen Fingern hinweggehen fühlte,<lb/>
und mit einem mächtigen Schlage schlug der Schwanz gegen<lb/>
das Feuer. So kann man auf derselben Seite 2&#x2013;4 mal reizen,<lb/>
aber nicht mehr, und zwar aus folgenden Gründen:</p><lb/>
        <p>Hat man eine Seite des Schwanzes gebrannt, so erfolgen<lb/>
mehrere Zuckungen in den Muskeln derselben Seite, die den<lb/>
Schwanz immerfort gegen diese schlagen lassen. Die Intervalle<lb/>
werden immer länger, und wenn man dann auf der anderen<lb/>
Seite reizte, so wäre man nicht sicher, ob der entstehende<lb/>
Effect nicht ein gemischter oder noch durch frühere Einwirkun¬<lb/>
gen bedingter wäre. Hat man deshalb die Zuckung mehrmals<lb/>
auf derselben Seite entstehen sehen, so wirft man das Präparat<lb/>
weg und nimmt ein neues. &#x2014; Ausser Dem habe ich noch Etwas<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[116/0138] ja bekanntlich die Narcotisation durch Opium oder viel besser Strychnin. Gilt also auch für den Aal das Gesetz der gleich¬ seitigen Leitung, so muss in diesem Zustande der Schwanz, wenn Feuer gegen eine Seite desselben gebracht wird, durch eine Zuckung gegen oder in dasselbe geschleudert werden! — Ich habe nun das Experiment an Aalen vorgenommen und meine Hoffnung des Gelingens bestätigte sich. Der Schwanz zuckte häufig mit solcher Gewalt in die Flamme, dass sie er¬ losch. Hier muss ich indessen für denjenigen, welcher das Experiment nachmachen will, einige Cautelen zufügen. Ich habe an kleinen Aalen von 1–1 Fuss Länge experimentirt. Ich injicirte 2–3 Tropfen einer alkoholischen Lösung des Strychni¬ num nitricum (gr. v auf ℥β) in den Magen und liess das Thier alsdann in einer mit Wasser mässig gefüllten Blechwanne lie¬ gen. Sobald es nach wenigen Secunden von selbst zusammen¬ fuhr, ergriff ich es, legte es auf eine glatte Fläche, hielt es, mit beiden Fingerspitzen es zu beiden Seiten fassend, sanft aufrecht fest, indem der Schwanz über den Rand der Fläche frei schwebte. Während ich mit der linken Hand hielt, wartete ich ab, bis die Krampfparoxysmen ein Intervall hatten, griff mit der rechten nach einer brennenden Lampe und näherte sie einer Seite des Thieres. Sofort fuhr durch den ganzen Körper eine gewaltige Zuckung, welche ich unter meinen Fingern hinweggehen fühlte, und mit einem mächtigen Schlage schlug der Schwanz gegen das Feuer. So kann man auf derselben Seite 2–4 mal reizen, aber nicht mehr, und zwar aus folgenden Gründen: Hat man eine Seite des Schwanzes gebrannt, so erfolgen mehrere Zuckungen in den Muskeln derselben Seite, die den Schwanz immerfort gegen diese schlagen lassen. Die Intervalle werden immer länger, und wenn man dann auf der anderen Seite reizte, so wäre man nicht sicher, ob der entstehende Effect nicht ein gemischter oder noch durch frühere Einwirkun¬ gen bedingter wäre. Hat man deshalb die Zuckung mehrmals auf derselben Seite entstehen sehen, so wirft man das Präparat weg und nimmt ein neues. — Ausser Dem habe ich noch Etwas

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pflueger_rueckenmark_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pflueger_rueckenmark_1853/138
Zitationshilfe: Pflüger, Eduard Friedrich Wilhelm: Die sensorischen Functionen des Rückenmarks der Wirbelthiere. Berlin, 1853, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pflueger_rueckenmark_1853/138>, abgerufen am 02.05.2024.