Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850.Volksversammlungen, Betrunkene, obgleich es nicht immer an berauschenden Getränken fehlt -- die Menschen sind hier nüchtern und enthaltsam, auch ohne Vereine. Außerhalb der Stadt fand ich eine offene Veranda, in welcher ich mein Nachtquartier aufschlug. Ich ward hier Zeuge einer traurigen Scene, eine Folge der irrigen Religionsbegriffe der sonst so gutmüthigen Hindus. Ein Creis lag unweit der Veranda ausgestreckt auf dem Boden, ohne ein Lebenszeichen von sich zu geben; viele der Vorübergehenden blieben stehen, betrachteten ihn und gingen ihres Weges, keiner frug oder half. Der arme Mann war an dieser Stelle entkräftet zusammengesunken und hatte nicht mehr sagen können, zu welcher Kaste er gehöre. Ich faßte Herz, trat näher und lüftete das Kopftuch, das sich über einen Theil des Gesichtes geschoben hatte, -- zwei erstarrte Augen glotzten mir entgegen, -- ich befühlte den Körper -- er war steif und kalt. Meine Hülfe kam zu spät. Am nächsten Morgen lag die Leiche noch auf demselben Platze; man sagte mir, daß man warte, ob Verwandte kämen, die Leiche abzuholen, wenn nicht, würde sie von den Paria's fortgeschafft werden. 21. Februar. Des Nachmittags erreichte ich Indor, die Hauptstadt des Königreiches Holkar. Als ich mich dem Wohnplatze der Europäer näherte, fand ich sie gerade auf einer Spazierfahrt begriffen. Die Equipage des Residenten, Herrn Hamilton, an den ich Briefe hatte, zeichnete sich vor den andern durch große Pracht aus. Vier schöne Pferde waren an einen Volksversammlungen, Betrunkene, obgleich es nicht immer an berauschenden Getränken fehlt — die Menschen sind hier nüchtern und enthaltsam, auch ohne Vereine. Außerhalb der Stadt fand ich eine offene Veranda, in welcher ich mein Nachtquartier aufschlug. Ich ward hier Zeuge einer traurigen Scene, eine Folge der irrigen Religionsbegriffe der sonst so gutmüthigen Hindus. Ein Creis lag unweit der Veranda ausgestreckt auf dem Boden, ohne ein Lebenszeichen von sich zu geben; viele der Vorübergehenden blieben stehen, betrachteten ihn und gingen ihres Weges, keiner frug oder half. Der arme Mann war an dieser Stelle entkräftet zusammengesunken und hatte nicht mehr sagen können, zu welcher Kaste er gehöre. Ich faßte Herz, trat näher und lüftete das Kopftuch, das sich über einen Theil des Gesichtes geschoben hatte, — zwei erstarrte Augen glotzten mir entgegen, — ich befühlte den Körper — er war steif und kalt. Meine Hülfe kam zu spät. Am nächsten Morgen lag die Leiche noch auf demselben Platze; man sagte mir, daß man warte, ob Verwandte kämen, die Leiche abzuholen, wenn nicht, würde sie von den Paria’s fortgeschafft werden. 21. Februar. Des Nachmittags erreichte ich Indor, die Hauptstadt des Königreiches Holkar. Als ich mich dem Wohnplatze der Europäer näherte, fand ich sie gerade auf einer Spazierfahrt begriffen. Die Equipage des Residenten, Herrn Hamilton, an den ich Briefe hatte, zeichnete sich vor den andern durch große Pracht aus. Vier schöne Pferde waren an einen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0049" n="41"/> Volksversammlungen, Betrunkene, obgleich es nicht immer an berauschenden Getränken fehlt — die Menschen sind hier nüchtern und enthaltsam, auch <hi rendition="#aq">ohne Vereine</hi>.</p> <p>Außerhalb der Stadt fand ich eine offene Veranda, in welcher ich mein Nachtquartier aufschlug.</p> <p>Ich ward hier Zeuge einer traurigen Scene, eine Folge der irrigen Religionsbegriffe der sonst so gutmüthigen Hindus. Ein Creis lag unweit der Veranda ausgestreckt auf dem Boden, ohne ein Lebenszeichen von sich zu geben; viele der Vorübergehenden blieben stehen, betrachteten ihn und gingen ihres Weges, keiner frug oder half. Der arme Mann war an dieser Stelle entkräftet zusammengesunken und hatte nicht mehr sagen können, zu welcher Kaste er gehöre. Ich faßte Herz, trat näher und lüftete das Kopftuch, das sich über einen Theil des Gesichtes geschoben hatte, — zwei erstarrte Augen glotzten mir entgegen, — ich befühlte den Körper — er war steif und kalt. Meine Hülfe kam zu spät.</p> <p>Am nächsten Morgen lag die Leiche noch auf demselben Platze; man sagte mir, daß man warte, ob Verwandte kämen, die Leiche abzuholen, wenn nicht, würde sie von den Paria’s fortgeschafft werden.</p> <p>21. Februar. Des Nachmittags erreichte ich <hi rendition="#aq">Indor</hi>, die Hauptstadt des Königreiches <hi rendition="#aq">Holkar</hi>.</p> <p>Als ich mich dem Wohnplatze der Europäer näherte, fand ich sie gerade auf einer Spazierfahrt begriffen. Die Equipage des Residenten, Herrn <hi rendition="#aq">Hamilton</hi>, an den ich Briefe hatte, zeichnete sich vor den andern durch große Pracht aus. Vier schöne Pferde waren an einen </p> </div> </body> </text> </TEI> [41/0049]
Volksversammlungen, Betrunkene, obgleich es nicht immer an berauschenden Getränken fehlt — die Menschen sind hier nüchtern und enthaltsam, auch ohne Vereine.
Außerhalb der Stadt fand ich eine offene Veranda, in welcher ich mein Nachtquartier aufschlug.
Ich ward hier Zeuge einer traurigen Scene, eine Folge der irrigen Religionsbegriffe der sonst so gutmüthigen Hindus. Ein Creis lag unweit der Veranda ausgestreckt auf dem Boden, ohne ein Lebenszeichen von sich zu geben; viele der Vorübergehenden blieben stehen, betrachteten ihn und gingen ihres Weges, keiner frug oder half. Der arme Mann war an dieser Stelle entkräftet zusammengesunken und hatte nicht mehr sagen können, zu welcher Kaste er gehöre. Ich faßte Herz, trat näher und lüftete das Kopftuch, das sich über einen Theil des Gesichtes geschoben hatte, — zwei erstarrte Augen glotzten mir entgegen, — ich befühlte den Körper — er war steif und kalt. Meine Hülfe kam zu spät.
Am nächsten Morgen lag die Leiche noch auf demselben Platze; man sagte mir, daß man warte, ob Verwandte kämen, die Leiche abzuholen, wenn nicht, würde sie von den Paria’s fortgeschafft werden.
21. Februar. Des Nachmittags erreichte ich Indor, die Hauptstadt des Königreiches Holkar.
Als ich mich dem Wohnplatze der Europäer näherte, fand ich sie gerade auf einer Spazierfahrt begriffen. Die Equipage des Residenten, Herrn Hamilton, an den ich Briefe hatte, zeichnete sich vor den andern durch große Pracht aus. Vier schöne Pferde waren an einen
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Zitationshilfe: | Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850/49>, abgerufen am 16.07.2024. |