Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850.Der entzückte König, der seinen Vater herzlich geliebt hatte, hörte aber nicht auf, weitere Fragen zu stellen, und der gewandte Minister wußte am Ende stets vorzubringen -- "nur dieses oder jenes wünsche der Vater geschehen oder unterlassen zu sehen," -- und natürlich erfüllte der gute Sohn den Wunsch des Vaters, -- er zweifelte keinen Augenblick an der Aussage seines Ministers. Der König soll etwas jähzornig sein, und in solch einem Anfalle die augenblickliche Hinrichtung irgend eines Sträflings befehlen*). Der Minister dagegen besitzt wenigstens so viel Gerechtigkeissinn, daß er die Todesurtheile bei Menschen, die er nicht fürchtet, zu verhüten sucht. Er hat daher Befehl gegeben, daß wenn sich ein solcher Fall ereignet, man augenblicklich nach ihm sende, und mit den Zubereitungen der Hinrichtung so lange zaudere bis er ankomme. Er erscheint dann wie zufällig und fragt, was da vorgehe; der zornentbrannte König erzählt ihm, daß er einen Verbrecher hinrichten lasse. Der Minister stimmt vollkommen bei und tritt an's Fenster, um Himmel, Wolken und Sonne zu berathen. Alsbald ruft er, es wäre besser die Hinrichtung auf den nächsten Tag zu verschieben, da Wolken, Sonne oder Himmel im gegenwärtigen Augenblicke der Hinrichtung nicht günstig seien und leicht daraus ein Unheil für den König entstehen könne. Des Königs Zorn ist unterdessen schon halb verflogen; er ist damit einverstanden und der Verurtheilte wird hinweg *) Dergleichen Hinrichtungen haben häufig in Gegenwart des Schach's statt. Gewöhnlich wurden Erdroßlungen vorgenommen.
Der entzückte König, der seinen Vater herzlich geliebt hatte, hörte aber nicht auf, weitere Fragen zu stellen, und der gewandte Minister wußte am Ende stets vorzubringen — „nur dieses oder jenes wünsche der Vater geschehen oder unterlassen zu sehen,“ — und natürlich erfüllte der gute Sohn den Wunsch des Vaters, — er zweifelte keinen Augenblick an der Aussage seines Ministers. Der König soll etwas jähzornig sein, und in solch einem Anfalle die augenblickliche Hinrichtung irgend eines Sträflings befehlen*). Der Minister dagegen besitzt wenigstens so viel Gerechtigkeissinn, daß er die Todesurtheile bei Menschen, die er nicht fürchtet, zu verhüten sucht. Er hat daher Befehl gegeben, daß wenn sich ein solcher Fall ereignet, man augenblicklich nach ihm sende, und mit den Zubereitungen der Hinrichtung so lange zaudere bis er ankomme. Er erscheint dann wie zufällig und fragt, was da vorgehe; der zornentbrannte König erzählt ihm, daß er einen Verbrecher hinrichten lasse. Der Minister stimmt vollkommen bei und tritt an’s Fenster, um Himmel, Wolken und Sonne zu berathen. Alsbald ruft er, es wäre besser die Hinrichtung auf den nächsten Tag zu verschieben, da Wolken, Sonne oder Himmel im gegenwärtigen Augenblicke der Hinrichtung nicht günstig seien und leicht daraus ein Unheil für den König entstehen könne. Des Königs Zorn ist unterdessen schon halb verflogen; er ist damit einverstanden und der Verurtheilte wird hinweg *) Dergleichen Hinrichtungen haben häufig in Gegenwart des Schach’s statt. Gewöhnlich wurden Erdroßlungen vorgenommen.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0232" n="224"/> Der entzückte König, der seinen Vater herzlich geliebt hatte, hörte aber nicht auf, weitere Fragen zu stellen, und der gewandte Minister wußte am Ende stets vorzubringen — „nur dieses oder jenes wünsche der Vater geschehen oder unterlassen zu sehen,“ — und natürlich erfüllte der gute Sohn den Wunsch des Vaters, — er zweifelte keinen Augenblick an der Aussage seines Ministers.</p> <p>Der König soll etwas jähzornig sein, und in solch einem Anfalle die augenblickliche Hinrichtung irgend eines Sträflings befehlen<note place="foot" n="*)">Dergleichen Hinrichtungen haben häufig in Gegenwart des Schach’s statt. Gewöhnlich wurden Erdroßlungen vorgenommen.</note>. Der Minister dagegen besitzt wenigstens so viel Gerechtigkeissinn, daß er die Todesurtheile bei Menschen, die er nicht fürchtet, zu verhüten sucht. Er hat daher Befehl gegeben, daß wenn sich ein solcher Fall ereignet, man augenblicklich nach ihm sende, und mit den Zubereitungen der Hinrichtung so lange zaudere bis er ankomme. Er erscheint dann wie zufällig und fragt, was da vorgehe; der zornentbrannte König erzählt ihm, daß er einen Verbrecher hinrichten lasse. Der Minister stimmt vollkommen bei und tritt an’s Fenster, um Himmel, Wolken und Sonne zu berathen. Alsbald ruft er, es wäre besser die Hinrichtung auf den nächsten Tag zu verschieben, da Wolken, Sonne oder Himmel im gegenwärtigen Augenblicke der Hinrichtung nicht günstig seien und leicht daraus ein Unheil für den König entstehen könne. Des Königs Zorn ist unterdessen schon halb verflogen; er ist damit einverstanden und der Verurtheilte wird hinweg </p> </div> </body> </text> </TEI> [224/0232]
Der entzückte König, der seinen Vater herzlich geliebt hatte, hörte aber nicht auf, weitere Fragen zu stellen, und der gewandte Minister wußte am Ende stets vorzubringen — „nur dieses oder jenes wünsche der Vater geschehen oder unterlassen zu sehen,“ — und natürlich erfüllte der gute Sohn den Wunsch des Vaters, — er zweifelte keinen Augenblick an der Aussage seines Ministers.
Der König soll etwas jähzornig sein, und in solch einem Anfalle die augenblickliche Hinrichtung irgend eines Sträflings befehlen *). Der Minister dagegen besitzt wenigstens so viel Gerechtigkeissinn, daß er die Todesurtheile bei Menschen, die er nicht fürchtet, zu verhüten sucht. Er hat daher Befehl gegeben, daß wenn sich ein solcher Fall ereignet, man augenblicklich nach ihm sende, und mit den Zubereitungen der Hinrichtung so lange zaudere bis er ankomme. Er erscheint dann wie zufällig und fragt, was da vorgehe; der zornentbrannte König erzählt ihm, daß er einen Verbrecher hinrichten lasse. Der Minister stimmt vollkommen bei und tritt an’s Fenster, um Himmel, Wolken und Sonne zu berathen. Alsbald ruft er, es wäre besser die Hinrichtung auf den nächsten Tag zu verschieben, da Wolken, Sonne oder Himmel im gegenwärtigen Augenblicke der Hinrichtung nicht günstig seien und leicht daraus ein Unheil für den König entstehen könne. Des Königs Zorn ist unterdessen schon halb verflogen; er ist damit einverstanden und der Verurtheilte wird hinweg
*) Dergleichen Hinrichtungen haben häufig in Gegenwart des Schach’s statt. Gewöhnlich wurden Erdroßlungen vorgenommen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Sophie: A digital library of works by german-speaking women: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-06-28T07:11:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition
(2013-06-28T07:11:29Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-06-28T07:11:29Z)
Weitere Informationen:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |