Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850.Ich habe überhaupt bemerkt, daß der Indier viel schreit und droht, aber nie zu Thätlichkeiten übergeht. Ich habe viel unter dem Volke gelebt und es beobachtet und oft Zank und Streit, nie aber eine Schlägerei gesehen. Ja, wenn ihr Zank lange fortwährt, setzen sie sich dabei sogar nieder. Nicht einmal die Jungens ringen oder raufen, weder im Scherze noch im Ernste. Ein einziges Mal sah ich zwei Knaben in einen ernstlichen Streit verwickelt, wobei sich der eine so weit vergaß, dem andern eine Ohrfeige zu geben; er that dies aber so behutsam, als ob der Schlag ihm selbst gälte. Der Geschlagene fuhr sich mit dem Aermal über die Backe und der Streit war geendet. Andere Jungens hatten von der Ferne zugesehen, keiner aber Theil genommen. Diese Gutmüthigkeit mag zum Theil daher rühren, daß das Volk so wenig Fleisch genießt und ihrer Religion gemäß gegen alle Thiere höchst barmherzig ist, doch glaube ich auch, daß einige Feigheit dabei im Spiele ist. So sagte man mir, daß ein Hindu kaum zu bewegen sei ein finsteres Zimmer ohne Licht zu betreten, -- macht ein Pferd oder ein Ochse den kleinsten Sprung, so stäubt Groß und Klein ängstlich und schreiend auseinander. Andererseits hörte ich wieder von den englischen Officieren, daß die Sepoi's (so werden die Eingebornen genannt, die den Engländern als Soldaten dienen), ganz brave Soldaten seien. -- Kommt diese Tapferkeit mit dem Rocke oder durch das Beispiel der Engländer?? In den letzten Tagen sah ich viele Mohnpflanzungen; sie gewähren einen wundervollen Anblick, die Blätter sind fett und glänzend, die Blumen groß und vielfarbig. Die Ich habe überhaupt bemerkt, daß der Indier viel schreit und droht, aber nie zu Thätlichkeiten übergeht. Ich habe viel unter dem Volke gelebt und es beobachtet und oft Zank und Streit, nie aber eine Schlägerei gesehen. Ja, wenn ihr Zank lange fortwährt, setzen sie sich dabei sogar nieder. Nicht einmal die Jungens ringen oder raufen, weder im Scherze noch im Ernste. Ein einziges Mal sah ich zwei Knaben in einen ernstlichen Streit verwickelt, wobei sich der eine so weit vergaß, dem andern eine Ohrfeige zu geben; er that dies aber so behutsam, als ob der Schlag ihm selbst gälte. Der Geschlagene fuhr sich mit dem Aermal über die Backe und der Streit war geendet. Andere Jungens hatten von der Ferne zugesehen, keiner aber Theil genommen. Diese Gutmüthigkeit mag zum Theil daher rühren, daß das Volk so wenig Fleisch genießt und ihrer Religion gemäß gegen alle Thiere höchst barmherzig ist, doch glaube ich auch, daß einige Feigheit dabei im Spiele ist. So sagte man mir, daß ein Hindu kaum zu bewegen sei ein finsteres Zimmer ohne Licht zu betreten, — macht ein Pferd oder ein Ochse den kleinsten Sprung, so stäubt Groß und Klein ängstlich und schreiend auseinander. Andererseits hörte ich wieder von den englischen Officieren, daß die Sepoi’s (so werden die Eingebornen genannt, die den Engländern als Soldaten dienen), ganz brave Soldaten seien. — Kommt diese Tapferkeit mit dem Rocke oder durch das Beispiel der Engländer?? In den letzten Tagen sah ich viele Mohnpflanzungen; sie gewähren einen wundervollen Anblick, die Blätter sind fett und glänzend, die Blumen groß und vielfarbig. Die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0021" n="13"/> <p>Ich habe überhaupt bemerkt, daß der Indier viel schreit und droht, aber nie zu Thätlichkeiten übergeht. Ich habe viel unter dem Volke gelebt und es beobachtet und oft Zank und Streit, nie aber eine Schlägerei gesehen. Ja, wenn ihr Zank lange fortwährt, setzen sie sich dabei sogar nieder. Nicht einmal die Jungens ringen oder raufen, weder im Scherze noch im Ernste. Ein einziges Mal sah ich zwei Knaben in einen ernstlichen Streit verwickelt, wobei sich der eine so weit vergaß, dem andern eine Ohrfeige zu geben; er that dies aber so behutsam, als ob der Schlag ihm selbst gälte. Der Geschlagene fuhr sich mit dem Aermal über die Backe und der Streit war geendet. Andere Jungens hatten von der Ferne zugesehen, keiner aber Theil genommen.</p> <p>Diese Gutmüthigkeit mag zum Theil daher rühren, daß das Volk so wenig Fleisch genießt und ihrer Religion gemäß gegen alle Thiere höchst barmherzig ist, doch glaube ich auch, daß einige Feigheit dabei im Spiele ist. So sagte man mir, daß ein Hindu kaum zu bewegen sei ein finsteres Zimmer ohne Licht zu betreten, — macht ein Pferd oder ein Ochse den kleinsten Sprung, so stäubt Groß und Klein ängstlich und schreiend auseinander. Andererseits hörte ich wieder von den englischen Officieren, daß die <hi rendition="#aq">Sepoi’s</hi> (so werden die Eingebornen genannt, die den Engländern als Soldaten dienen), ganz brave Soldaten seien. — Kommt diese Tapferkeit mit dem Rocke oder durch das Beispiel der Engländer??</p> <p>In den letzten Tagen sah ich viele Mohnpflanzungen; sie gewähren einen wundervollen Anblick, die Blätter sind fett und glänzend, die Blumen groß und vielfarbig. Die </p> </div> </body> </text> </TEI> [13/0021]
Ich habe überhaupt bemerkt, daß der Indier viel schreit und droht, aber nie zu Thätlichkeiten übergeht. Ich habe viel unter dem Volke gelebt und es beobachtet und oft Zank und Streit, nie aber eine Schlägerei gesehen. Ja, wenn ihr Zank lange fortwährt, setzen sie sich dabei sogar nieder. Nicht einmal die Jungens ringen oder raufen, weder im Scherze noch im Ernste. Ein einziges Mal sah ich zwei Knaben in einen ernstlichen Streit verwickelt, wobei sich der eine so weit vergaß, dem andern eine Ohrfeige zu geben; er that dies aber so behutsam, als ob der Schlag ihm selbst gälte. Der Geschlagene fuhr sich mit dem Aermal über die Backe und der Streit war geendet. Andere Jungens hatten von der Ferne zugesehen, keiner aber Theil genommen.
Diese Gutmüthigkeit mag zum Theil daher rühren, daß das Volk so wenig Fleisch genießt und ihrer Religion gemäß gegen alle Thiere höchst barmherzig ist, doch glaube ich auch, daß einige Feigheit dabei im Spiele ist. So sagte man mir, daß ein Hindu kaum zu bewegen sei ein finsteres Zimmer ohne Licht zu betreten, — macht ein Pferd oder ein Ochse den kleinsten Sprung, so stäubt Groß und Klein ängstlich und schreiend auseinander. Andererseits hörte ich wieder von den englischen Officieren, daß die Sepoi’s (so werden die Eingebornen genannt, die den Engländern als Soldaten dienen), ganz brave Soldaten seien. — Kommt diese Tapferkeit mit dem Rocke oder durch das Beispiel der Engländer??
In den letzten Tagen sah ich viele Mohnpflanzungen; sie gewähren einen wundervollen Anblick, die Blätter sind fett und glänzend, die Blumen groß und vielfarbig. Die
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Sophie: A digital library of works by german-speaking women: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-06-28T07:11:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition
(2013-06-28T07:11:29Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-06-28T07:11:29Z)
Weitere Informationen:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |