Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850.der erste seines Standes in Ravandus. Herr Mansur, so hieß er, las eine ganze Viertelstunde an dem von mir überbrachten Briefchen, das nur aus einigen Zeilen bestand, und begrüßte mich hierauf mit einem wiederholten: Salam, was so viel sagen will, als: "Du bist mir willkommen!" -- Der gute Mann muß geahnt haben, daß diesen Tag noch nichts den Weg über meine Lippen gefunden hatte, denn er war so menschenfreundlich, gleich ein Frühstück serviren zu lassen, das aus Brot, magerm Schafkäse und Melonen bestand. Man aß dies alles zusammen. Mein Heißhunger fand diese Mode trefflich, -- ich aß ohne aufzuhören. Schlecht ging es dagegen mit dem Gespräche, mein Wirth war keiner europäischen, ich keiner asiatischen Sprache mächtig. Wir bedienten uns der Zeichensprache, und ich bemühte mich, ihm zu erklären, daß er mich sobald als möglich weiter spediren möchte. Er versprach sein möglichstes zu thun und bedeutete mir auch, daß er während meines Aufenthaltes für mich sorgen werde, er sei nicht verheirathet und könne mich daher nicht bei sich aufnehmen, werde mich aber in das Haus eines seiner Verwandten bringen. Er führte mich auch wirklich nach Beendigung des Frühstückes in ein Haus, das jenem des Arabers zu Kerku glich, nur war der Hof ganz klein und mit Unrath und Pfützen überfüllt. Unter dem Thorwege saßen vier ekelhaft aussehende, halb in Lumpen gekleidete Weiber auf schmutzigen Decken und spielten mit kleinen Kindern. Ich mußte mich zu ihnen kauern und die gewöhnlichen Neugierdsuntersuchungen und Beschauungen aushalten. Eine der erste seines Standes in Ravandus. Herr Mansur, so hieß er, las eine ganze Viertelstunde an dem von mir überbrachten Briefchen, das nur aus einigen Zeilen bestand, und begrüßte mich hierauf mit einem wiederholten: Salam, was so viel sagen will, als: „Du bist mir willkommen!“ — Der gute Mann muß geahnt haben, daß diesen Tag noch nichts den Weg über meine Lippen gefunden hatte, denn er war so menschenfreundlich, gleich ein Frühstück serviren zu lassen, das aus Brot, magerm Schafkäse und Melonen bestand. Man aß dies alles zusammen. Mein Heißhunger fand diese Mode trefflich, — ich aß ohne aufzuhören. Schlecht ging es dagegen mit dem Gespräche, mein Wirth war keiner europäischen, ich keiner asiatischen Sprache mächtig. Wir bedienten uns der Zeichensprache, und ich bemühte mich, ihm zu erklären, daß er mich sobald als möglich weiter spediren möchte. Er versprach sein möglichstes zu thun und bedeutete mir auch, daß er während meines Aufenthaltes für mich sorgen werde, er sei nicht verheirathet und könne mich daher nicht bei sich aufnehmen, werde mich aber in das Haus eines seiner Verwandten bringen. Er führte mich auch wirklich nach Beendigung des Frühstückes in ein Haus, das jenem des Arabers zu Kerku glich, nur war der Hof ganz klein und mit Unrath und Pfützen überfüllt. Unter dem Thorwege saßen vier ekelhaft aussehende, halb in Lumpen gekleidete Weiber auf schmutzigen Decken und spielten mit kleinen Kindern. Ich mußte mich zu ihnen kauern und die gewöhnlichen Neugierdsuntersuchungen und Beschauungen aushalten. Eine <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0192" n="184"/> der erste seines Standes in <hi rendition="#aq">Ravandus</hi>. Herr Mansur, so hieß er, las eine ganze Viertelstunde an dem von mir überbrachten Briefchen, das nur aus einigen Zeilen bestand, und begrüßte mich hierauf mit einem wiederholten: Salam, was so viel sagen will, als: „Du bist mir willkommen!“ —</p> <p>Der gute Mann muß geahnt haben, daß diesen Tag noch nichts den Weg über meine Lippen gefunden hatte, denn er war so menschenfreundlich, gleich ein Frühstück serviren zu lassen, das aus Brot, magerm Schafkäse und Melonen bestand. Man aß dies alles zusammen. Mein Heißhunger fand diese Mode trefflich, — ich aß ohne aufzuhören. Schlecht ging es dagegen mit dem Gespräche, mein Wirth war keiner europäischen, ich keiner asiatischen Sprache mächtig. Wir bedienten uns der Zeichensprache, und ich bemühte mich, ihm zu erklären, daß er mich sobald als möglich weiter spediren möchte. Er versprach sein möglichstes zu thun und bedeutete mir auch, daß er während meines Aufenthaltes für mich sorgen werde, er sei nicht verheirathet und könne mich daher nicht bei sich aufnehmen, werde mich aber in das Haus eines seiner Verwandten bringen.</p> <p>Er führte mich auch wirklich nach Beendigung des Frühstückes in ein Haus, das jenem des Arabers zu <hi rendition="#aq">Kerku</hi> glich, nur war der Hof ganz klein und mit Unrath und Pfützen überfüllt. Unter dem Thorwege saßen vier ekelhaft aussehende, halb in Lumpen gekleidete Weiber auf schmutzigen Decken und spielten mit kleinen Kindern. Ich mußte mich zu ihnen kauern und die gewöhnlichen Neugierdsuntersuchungen und Beschauungen aushalten. Eine </p> </div> </body> </text> </TEI> [184/0192]
der erste seines Standes in Ravandus. Herr Mansur, so hieß er, las eine ganze Viertelstunde an dem von mir überbrachten Briefchen, das nur aus einigen Zeilen bestand, und begrüßte mich hierauf mit einem wiederholten: Salam, was so viel sagen will, als: „Du bist mir willkommen!“ —
Der gute Mann muß geahnt haben, daß diesen Tag noch nichts den Weg über meine Lippen gefunden hatte, denn er war so menschenfreundlich, gleich ein Frühstück serviren zu lassen, das aus Brot, magerm Schafkäse und Melonen bestand. Man aß dies alles zusammen. Mein Heißhunger fand diese Mode trefflich, — ich aß ohne aufzuhören. Schlecht ging es dagegen mit dem Gespräche, mein Wirth war keiner europäischen, ich keiner asiatischen Sprache mächtig. Wir bedienten uns der Zeichensprache, und ich bemühte mich, ihm zu erklären, daß er mich sobald als möglich weiter spediren möchte. Er versprach sein möglichstes zu thun und bedeutete mir auch, daß er während meines Aufenthaltes für mich sorgen werde, er sei nicht verheirathet und könne mich daher nicht bei sich aufnehmen, werde mich aber in das Haus eines seiner Verwandten bringen.
Er führte mich auch wirklich nach Beendigung des Frühstückes in ein Haus, das jenem des Arabers zu Kerku glich, nur war der Hof ganz klein und mit Unrath und Pfützen überfüllt. Unter dem Thorwege saßen vier ekelhaft aussehende, halb in Lumpen gekleidete Weiber auf schmutzigen Decken und spielten mit kleinen Kindern. Ich mußte mich zu ihnen kauern und die gewöhnlichen Neugierdsuntersuchungen und Beschauungen aushalten. Eine
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Zitationshilfe: | Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850/192>, abgerufen am 16.02.2025. |