Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 2. Wien, 1850.

Bild:
<< vorherige Seite

und wankte dem Sarge nach; zwei Männer mußten ihn führen; er schien tief ergriffen und höchst leidend. Später erfuhr ich freilich, daß dies Benehmen meist erheuchelt sei, indem die Sitte gebeut, daß der Hauptleidtragende aus Schmerz schwach und krank werde, oder doch wenigstens sich so stelle.

Am Grabe angekommen, das an dem Abhange eines Hügels sieben Fuß tief gemacht war, legten die Leute das Bahrtuch, die Blumen und den Reis zur Seite, streuten eine Menge Gold- und Silberpapier in die Grube und senkten den Sarg, der, wie ich jetzt erst sah, schön ausgearbeitet, lackirt und hermetisch geschlossen war, hinein. Ueber dieser Handlung verging wenigstens eine halbe Stunde. Die Verwandten warfen sich Anfangs zur Erde, verhüllten sich die Gesichter und heulten jämmerlich. Da ihnen aber die Grablegung gar zu lange dauerte, setzten sie sich im Kreise herum, ließen sich ihre Körbchen mit Betel, Kalk und Arekanüssen reichen und fingen ganz gemüthlich zu kauen an.

Nachdem der Sarg eingesenkt war, begab sich einer der Chinesen an den obern Theil des Grabes, öffnete das Bündelchen mit Reis und stellte eine Art Compaß darauf. Man reichte ihm eine Schnur, die er über die Mitte des Compaß zog und so lange hin und her schob, bis sie mit der Nadel desselben in gleicher Richtung lag. Eine zweite Schnur, woran ein Senkblei hing, wurde dann an die erste gehalten und in die Grube gesenkt. Nach der Lage dieser Schnur schob man nun den Sarg so lange hin und her, bis seine Mitte mit der

und wankte dem Sarge nach; zwei Männer mußten ihn führen; er schien tief ergriffen und höchst leidend. Später erfuhr ich freilich, daß dies Benehmen meist erheuchelt sei, indem die Sitte gebeut, daß der Hauptleidtragende aus Schmerz schwach und krank werde, oder doch wenigstens sich so stelle.

Am Grabe angekommen, das an dem Abhange eines Hügels sieben Fuß tief gemacht war, legten die Leute das Bahrtuch, die Blumen und den Reis zur Seite, streuten eine Menge Gold- und Silberpapier in die Grube und senkten den Sarg, der, wie ich jetzt erst sah, schön ausgearbeitet, lackirt und hermetisch geschlossen war, hinein. Ueber dieser Handlung verging wenigstens eine halbe Stunde. Die Verwandten warfen sich Anfangs zur Erde, verhüllten sich die Gesichter und heulten jämmerlich. Da ihnen aber die Grablegung gar zu lange dauerte, setzten sie sich im Kreise herum, ließen sich ihre Körbchen mit Betel, Kalk und Arekanüssen reichen und fingen ganz gemüthlich zu kauen an.

Nachdem der Sarg eingesenkt war, begab sich einer der Chinesen an den obern Theil des Grabes, öffnete das Bündelchen mit Reis und stellte eine Art Compaß darauf. Man reichte ihm eine Schnur, die er über die Mitte des Compaß zog und so lange hin und her schob, bis sie mit der Nadel desselben in gleicher Richtung lag. Eine zweite Schnur, woran ein Senkblei hing, wurde dann an die erste gehalten und in die Grube gesenkt. Nach der Lage dieser Schnur schob man nun den Sarg so lange hin und her, bis seine Mitte mit der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0090" n="83"/>
und wankte dem Sarge nach; zwei Männer mußten ihn führen; er schien tief ergriffen und höchst leidend. Später erfuhr ich freilich, daß dies Benehmen meist erheuchelt sei, indem die Sitte gebeut, daß der Hauptleidtragende aus Schmerz schwach und krank werde, oder doch wenigstens sich so stelle.</p>
          <p>Am Grabe angekommen, das an dem Abhange eines Hügels sieben Fuß tief gemacht war, legten die Leute das Bahrtuch, die Blumen und den Reis zur Seite, streuten eine Menge Gold- und Silberpapier in die Grube und senkten den Sarg, der, wie ich jetzt erst sah, schön ausgearbeitet, lackirt und hermetisch geschlossen war, hinein. Ueber dieser Handlung verging wenigstens eine halbe Stunde. Die Verwandten warfen sich Anfangs zur Erde, verhüllten sich die Gesichter und heulten jämmerlich. Da ihnen aber die Grablegung gar zu lange dauerte, setzten sie sich im Kreise herum, ließen sich ihre Körbchen mit Betel, Kalk und Arekanüssen reichen und fingen ganz gemüthlich zu kauen an.</p>
          <p>Nachdem der Sarg eingesenkt war, begab sich einer der Chinesen an den obern Theil des Grabes, öffnete das Bündelchen mit Reis und stellte eine Art Compaß darauf. Man reichte ihm eine Schnur, die er über die Mitte des Compaß zog und so lange hin und her schob, bis sie mit der Nadel desselben in gleicher Richtung lag. Eine zweite Schnur, woran ein Senkblei hing, wurde dann an die erste gehalten und in die Grube gesenkt. Nach der Lage dieser Schnur schob man nun den Sarg so lange hin und her, bis seine Mitte mit der
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[83/0090] und wankte dem Sarge nach; zwei Männer mußten ihn führen; er schien tief ergriffen und höchst leidend. Später erfuhr ich freilich, daß dies Benehmen meist erheuchelt sei, indem die Sitte gebeut, daß der Hauptleidtragende aus Schmerz schwach und krank werde, oder doch wenigstens sich so stelle. Am Grabe angekommen, das an dem Abhange eines Hügels sieben Fuß tief gemacht war, legten die Leute das Bahrtuch, die Blumen und den Reis zur Seite, streuten eine Menge Gold- und Silberpapier in die Grube und senkten den Sarg, der, wie ich jetzt erst sah, schön ausgearbeitet, lackirt und hermetisch geschlossen war, hinein. Ueber dieser Handlung verging wenigstens eine halbe Stunde. Die Verwandten warfen sich Anfangs zur Erde, verhüllten sich die Gesichter und heulten jämmerlich. Da ihnen aber die Grablegung gar zu lange dauerte, setzten sie sich im Kreise herum, ließen sich ihre Körbchen mit Betel, Kalk und Arekanüssen reichen und fingen ganz gemüthlich zu kauen an. Nachdem der Sarg eingesenkt war, begab sich einer der Chinesen an den obern Theil des Grabes, öffnete das Bündelchen mit Reis und stellte eine Art Compaß darauf. Man reichte ihm eine Schnur, die er über die Mitte des Compaß zog und so lange hin und her schob, bis sie mit der Nadel desselben in gleicher Richtung lag. Eine zweite Schnur, woran ein Senkblei hing, wurde dann an die erste gehalten und in die Grube gesenkt. Nach der Lage dieser Schnur schob man nun den Sarg so lange hin und her, bis seine Mitte mit der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sophie: A digital library of works by german-speaking women: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-06-28T07:11:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition (2013-06-28T07:11:29Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-06-28T07:11:29Z)

Weitere Informationen:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.) sind nicht konsequent wie in der Vorlage gekennzeichnet



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt02_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt02_1850/90
Zitationshilfe: Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 2. Wien, 1850, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt02_1850/90>, abgerufen am 02.05.2024.