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Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 2. Wien, 1850.

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übergeben, jedoch Nachts von den Priestern wieder sorgfältig herausgesucht; jetzt ersetzt man am letzten Tage des Festes den echten Schmuck durch einen falschen, oder der Festgeber bringt ihn während der Ueberfahrt bei Seite. Er muß dies aber mit vieler Vorsicht thun, um von dem Volke nicht bemerkt zu werden.

Ein solcher Natsch kömmt oft auf viele tausend Rupien zu stehen und ist eine der bedeutendsten Ausgaben der Reichen und Vornehmen.

Die Hochzeiten sollen ebenfalls große Summen kosten. Die Braminen (Priester) machen Beobachtungen in den Sternen, nach welchen sie den glücklichsten Tag, ja sogar die Stunde berechnen, in welcher die Feier abgehalten werden soll. Gewöhnlich wird die Hochzeit noch im letzten Augenblicke um einige Stunden verschoben, da der Priester abermals gerechnet und eine noch glücklichere Stunde herausgefunden hat. Natürlich muß eine solche Entdeckung neuerdings mit Gold aufgewogen werden.

Feste zu Ehren der vierarmigen Göttin Kally finden mehrmals im Jahre statt, und zwar besonders in dem Dorfe Kallighat, nahe bei Calcutta.

Während meiner Anwesenheit gab es zwei solcher Feste. Da sah man beinahe vor jeder Hütte eine Menge kleiner Götzenbilder, die aus Thon geformt, bunt bemalt waren und die schrecklichsten Gestalten vorstellten. Sie waren zum Verkaufe bestimmt. -- Die Göttin Kally, in Lebensgröße, streckte die Zunge so weit als möglich aus dem weit geöffneten Rachen; sie stand entweder vor oder in den Hütten und war mit Blumenkränzen reich behangen.


übergeben, jedoch Nachts von den Priestern wieder sorgfältig herausgesucht; jetzt ersetzt man am letzten Tage des Festes den echten Schmuck durch einen falschen, oder der Festgeber bringt ihn während der Ueberfahrt bei Seite. Er muß dies aber mit vieler Vorsicht thun, um von dem Volke nicht bemerkt zu werden.

Ein solcher Natsch kömmt oft auf viele tausend Rupien zu stehen und ist eine der bedeutendsten Ausgaben der Reichen und Vornehmen.

Die Hochzeiten sollen ebenfalls große Summen kosten. Die Braminen (Priester) machen Beobachtungen in den Sternen, nach welchen sie den glücklichsten Tag, ja sogar die Stunde berechnen, in welcher die Feier abgehalten werden soll. Gewöhnlich wird die Hochzeit noch im letzten Augenblicke um einige Stunden verschoben, da der Priester abermals gerechnet und eine noch glücklichere Stunde herausgefunden hat. Natürlich muß eine solche Entdeckung neuerdings mit Gold aufgewogen werden.

Feste zu Ehren der vierarmigen Göttin Kally finden mehrmals im Jahre statt, und zwar besonders in dem Dorfe Kallighat, nahe bei Calcutta.

Während meiner Anwesenheit gab es zwei solcher Feste. Da sah man beinahe vor jeder Hütte eine Menge kleiner Götzenbilder, die aus Thon geformt, bunt bemalt waren und die schrecklichsten Gestalten vorstellten. Sie waren zum Verkaufe bestimmt. — Die Göttin Kally, in Lebensgröße, streckte die Zunge so weit als möglich aus dem weit geöffneten Rachen; sie stand entweder vor oder in den Hütten und war mit Blumenkränzen reich behangen.

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[140/0147] übergeben, jedoch Nachts von den Priestern wieder sorgfältig herausgesucht; jetzt ersetzt man am letzten Tage des Festes den echten Schmuck durch einen falschen, oder der Festgeber bringt ihn während der Ueberfahrt bei Seite. Er muß dies aber mit vieler Vorsicht thun, um von dem Volke nicht bemerkt zu werden. Ein solcher Natsch kömmt oft auf viele tausend Rupien zu stehen und ist eine der bedeutendsten Ausgaben der Reichen und Vornehmen. Die Hochzeiten sollen ebenfalls große Summen kosten. Die Braminen (Priester) machen Beobachtungen in den Sternen, nach welchen sie den glücklichsten Tag, ja sogar die Stunde berechnen, in welcher die Feier abgehalten werden soll. Gewöhnlich wird die Hochzeit noch im letzten Augenblicke um einige Stunden verschoben, da der Priester abermals gerechnet und eine noch glücklichere Stunde herausgefunden hat. Natürlich muß eine solche Entdeckung neuerdings mit Gold aufgewogen werden. Feste zu Ehren der vierarmigen Göttin Kally finden mehrmals im Jahre statt, und zwar besonders in dem Dorfe Kallighat, nahe bei Calcutta. Während meiner Anwesenheit gab es zwei solcher Feste. Da sah man beinahe vor jeder Hütte eine Menge kleiner Götzenbilder, die aus Thon geformt, bunt bemalt waren und die schrecklichsten Gestalten vorstellten. Sie waren zum Verkaufe bestimmt. — Die Göttin Kally, in Lebensgröße, streckte die Zunge so weit als möglich aus dem weit geöffneten Rachen; sie stand entweder vor oder in den Hütten und war mit Blumenkränzen reich behangen.

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Zitationshilfe: Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 2. Wien, 1850, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt02_1850/147>, abgerufen am 27.04.2024.