ppe_073.001 jedes Bibliothekars, jedes Antiquars, jedes Forschers. Aber die ppe_073.002 wahllose Vollständigkeit in bezug auf alle Zeitungsaufätze, die ppe_073.003 einmal über einen Dichter oder über ein Werk geschrieben und abgeschrieben ppe_073.004 worden sind, führt ins Absurde und bringt den Anfänger ppe_073.005 außerdem in Versuchung, nicht mehr aus den Quellen zu arbeiten, ppe_073.006 sondern bereits Gesagtes wiederzukäuen und sich in den Papierschnitzeln ppe_073.007 zu verfangen, die an den Schwanz des im Aufstieg schwebenden ppe_073.008 Drachen angehängt sind.
ppe_073.009 "Das schwierigste am Sammeln ist das Wegwerfen" hat Albert ppe_073.010 Köster einmal in das Album der Berliner Germanistenkneipe geschrieben. ppe_073.011 Überwindung der Vollständigkeit sowohl durch Konzentration ppe_073.012 des Wesentlichen als Ausscheidung des Unwesentlichen muß der ppe_073.013 nächste Schritt der Wissenschaft sein, nachdem die notwendige Sammelarbeit ppe_073.014 zu Ende geführt ist. Nach Sichtung der Überlieferung handelt ppe_073.015 es sich zunächst um Zusammenziehung dessen, was sich wiederholte. ppe_073.016 Die Arbeit, denselben Text immer wieder in einer anderen ppe_073.017 Handschrift zu lesen, wird ein für allemal erspart durch eine ppe_073.018 auf Kenntnis sämtlicher Handschriften beruhende zuverlässige kritische ppe_073.019 Ausgabe, die nach Möglichkeit den Wortlaut herstellt, der den ppe_073.020 endgültigen Absichten des Dichters entspricht, und alles davon Abweichende ppe_073.021 in die Lesarten verweist. Ist der Text durch verschiedene ppe_073.022 Drucke überliefert, so hat eine kritische Ausgabe dieselbe Konzentration ppe_073.023 durchzuführen, indem sie alles, was durch den Dichter selbst in ppe_073.024 Neuauflagen und Umarbeitungen verbessert worden ist, nach seiner ppe_073.025 früheren überwundenen Form in die Lesarten bringt und diese rückläufige ppe_073.026 Aufrollung der Textgeschichte noch durch Hinzuziehung der ppe_073.027 vor dem Druck liegenden Handschriften weiterführt. Die Zusammenziehung ppe_073.028 aller Werke eines Dichters einschließlich seiner Entwürfe ppe_073.029 in einer Gesamtausgabe gehört gleichfalls zur Ordnung und Klärung ppe_073.030 der Überlieferung. Dabei ist alles, was, ohne daß er sich selbst dazu ppe_073.031 bekannt hat, ihm zugeschrieben wird, auf Echtheit zu prüfen. Auf die ppe_073.032 Sammlung der Überlieferung folgt somit auch bei der Betrachtung ppe_073.033 des einzelnen Werkes die zweite Arbeitsstufe der Kritik.
ppe_073.001 jedes Bibliothekars, jedes Antiquars, jedes Forschers. Aber die ppe_073.002 wahllose Vollständigkeit in bezug auf alle Zeitungsaufätze, die ppe_073.003 einmal über einen Dichter oder über ein Werk geschrieben und abgeschrieben ppe_073.004 worden sind, führt ins Absurde und bringt den Anfänger ppe_073.005 außerdem in Versuchung, nicht mehr aus den Quellen zu arbeiten, ppe_073.006 sondern bereits Gesagtes wiederzukäuen und sich in den Papierschnitzeln ppe_073.007 zu verfangen, die an den Schwanz des im Aufstieg schwebenden ppe_073.008 Drachen angehängt sind.
ppe_073.009 „Das schwierigste am Sammeln ist das Wegwerfen“ hat Albert ppe_073.010 Köster einmal in das Album der Berliner Germanistenkneipe geschrieben. ppe_073.011 Überwindung der Vollständigkeit sowohl durch Konzentration ppe_073.012 des Wesentlichen als Ausscheidung des Unwesentlichen muß der ppe_073.013 nächste Schritt der Wissenschaft sein, nachdem die notwendige Sammelarbeit ppe_073.014 zu Ende geführt ist. Nach Sichtung der Überlieferung handelt ppe_073.015 es sich zunächst um Zusammenziehung dessen, was sich wiederholte. ppe_073.016 Die Arbeit, denselben Text immer wieder in einer anderen ppe_073.017 Handschrift zu lesen, wird ein für allemal erspart durch eine ppe_073.018 auf Kenntnis sämtlicher Handschriften beruhende zuverlässige kritische ppe_073.019 Ausgabe, die nach Möglichkeit den Wortlaut herstellt, der den ppe_073.020 endgültigen Absichten des Dichters entspricht, und alles davon Abweichende ppe_073.021 in die Lesarten verweist. Ist der Text durch verschiedene ppe_073.022 Drucke überliefert, so hat eine kritische Ausgabe dieselbe Konzentration ppe_073.023 durchzuführen, indem sie alles, was durch den Dichter selbst in ppe_073.024 Neuauflagen und Umarbeitungen verbessert worden ist, nach seiner ppe_073.025 früheren überwundenen Form in die Lesarten bringt und diese rückläufige ppe_073.026 Aufrollung der Textgeschichte noch durch Hinzuziehung der ppe_073.027 vor dem Druck liegenden Handschriften weiterführt. Die Zusammenziehung ppe_073.028 aller Werke eines Dichters einschließlich seiner Entwürfe ppe_073.029 in einer Gesamtausgabe gehört gleichfalls zur Ordnung und Klärung ppe_073.030 der Überlieferung. Dabei ist alles, was, ohne daß er sich selbst dazu ppe_073.031 bekannt hat, ihm zugeschrieben wird, auf Echtheit zu prüfen. Auf die ppe_073.032 Sammlung der Überlieferung folgt somit auch bei der Betrachtung ppe_073.033 des einzelnen Werkes die zweite Arbeitsstufe der Kritik.
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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/97>, abgerufen am 24.11.2024.
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