ppe_553.001 die Erkenntnis des Erbgutes erschwert: der Kriminalist Anselm Feuerbach ppe_553.002 hatte den Philosophen zum Sohn und den Maler zum Enkel.
ppe_553.003 Dichterische Begabung scheint weniger als die der anderen Künste ppe_553.004 ein Familienerbteil zu sein und sich auch in geringerem Maße als das ppe_553.005 musikalische, zeichnerische, schauspielerische oder mathematische Können ppe_553.006 im Zeichen erstaunlicher Frühreife zu äußern. Es ist ein einigermaßen ppe_553.007 seltener Fall der Literaturgeschichte, daß Vater und Sohn in ppe_553.008 ungefähr gleicher Bedeutung dastehen wie die beiden Alexandre ppe_553.009 Dumas in Frankreich. Die deutschen Beispiele von Niclas und Hans ppe_553.010 Rudolf Manuel, Georg und Gabriel Rollenhagen, Andreas und Christian ppe_553.011 Gryphius, Joseph und Guido Görres zeigen durchweg ein Absinken. ppe_553.012 Jedenfalls haben nur die romantischen Brüder Schlegel ihren ppe_553.013 Vater Johann Adolf gewaltig übertroffen. Der theoretisch angezeigte ppe_553.014 Fall, daß literarische Begabung des Großvaters im Enkel neu hervortritt, ppe_553.015 wird außer der tragischen Situation von Goethes Enkeln durch ppe_553.016 keine bedeutenden Belege veranschaulicht (Gottfried Justus und ppe_553.017 Gottlieb Wilhelm Rabener; August Gottlieb und Alfred Meißner). In ppe_553.018 der weiblichen Linie dagegen scheint die Vererbung günstiger zu verlaufen ppe_553.019 als in der männlichen, wofür neben der Nachkommenschaft ppe_553.020 der Karschin und der Charlotte Birch-Pfeiffer vor allem das Blut ppe_553.021 der Sophie v. La Roche ein Beispiel gibt. Die empfindsame Verfasserin ppe_553.022 des "Fräulein v. Sternheim" hat zur Enkelin die Romantikerin ppe_553.023 Bettina v. Arnim, zur Urenkelin Gisela Grimm und zu Ururenkelinnen ppe_553.024 die beiden Schwestern Elisabeth v. Heyking und Irene Forbes- ppe_553.025 Mosse. Über 5 Generationen (mit einer Unterbrechung) erstreckt ppe_553.026 sich diese Reihe; aber trotz der starken Familientradition wird bei ppe_553.027 jeder dieser Schriftstellerinnen die Erbeigentümlichkeit durch die ppe_553.028 Generationsmerkmale überwogen. Andere Glieder der Familie haben ppe_553.029 gleiches Begabungserbe mitbekommen, aber sie sind vom Ruf der ppe_553.030 Generation nicht erreicht worden; das Begabungserbteil erscheint geradezu ppe_553.031 als Hemmnis, solange es nicht an neuen Zeitproblemen Gelegenheit ppe_553.032 zu selbständiger Entwicklung findet. Der notwendige Richtungswechsel ppe_553.033 steht im Widerstreit mit dem Vererbungsprinzip und ppe_553.034 bedingt, daß dieselbe Familie nicht mehrere Generationen hindurch ppe_553.035 den Führertypus in Vertretung eines Erbamtes zu stellen imstande ist.
ppe_553.036 b) Geburt. Jedes Jahr gibt Jubiläumsrednern und Zeitungsschreibern ppe_553.037 Gelegenheit, denen, die gerade vor einem oder mehreren ppe_553.038 Jahrhunderten geboren sind, huldigend sich zuzuwenden. Solches ppe_553.039 Erntefest des Kalenders lenkt die Aufmerksamkeit auf bisher kaum ppe_553.040 beachtete Altersgleichheiten, die im Scheinwerfer der Nachwelt einander ppe_553.041 näherrücken und Beziehungen sichtbar werden lassen, die für
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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 553. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/577>, abgerufen am 23.11.2024.
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