ppe_437.001 Haltung einstellen müsse, um eine Dichtung zu verstehen; ppe_437.002 wenigstens berichtete Achim v. Arnim einmal an Clemens Brentano: ppe_437.003 "Deinen Ponce hat sie Abends im Bette gelesen, Du hast ihn im Liegen ppe_437.004 geschrieben." Der amerikanische Humorist Mark Twain arbeitete ppe_437.005 tagsüber im Bett und rauchte dabei seine große Zigarre. Andere ppe_437.006 liegen auf dem Boden oder stehen am Pult oder laufen im Zimmer ppe_437.007 umher. Sie wandern in Gedanken durch die dargestellte Gegend; es ppe_437.008 werden Karten ausgebreitet auf dem Schreibtisch und Landschaftsbilder ppe_437.009 eingesehen, um sich im Schauplatz zurechtzufinden. So hatte ppe_437.010 Schiller, der den Meeresstrudel des "Taucher" an einem Mühlrad ppe_437.011 studierte, für die Lokalisierung des "Wilhelm Tell" eine Landkarte ppe_437.012 des Vierwaldstätter-Sees vor sich, an die er sich genau hielt; ebenso ppe_437.013 verfolgte er den Zug des Demetrius nach Moskau auf dem Atlas. ppe_437.014 Als die Brüder Goncourt an einem Roman arbeiteten, der in Rom ppe_437.015 spielte, hingen sie einen Stadtplan an der Türe auf: "pour continuer ppe_437.016 a y etre, a nous y promener les yeux."
ppe_437.017 Ortsnamen auf der Landkarte verhalfen gelegentlich zur Benennung ppe_437.018 von Personen. Auf einer Karte der Umgebung von London stehen ppe_437.019 nebeneinander Barnelms und Telham hill, und es ist wohl möglich, ppe_437.020 daß Lessing dadurch auf die Namen des Liebespaares in seinem ppe_437.021 Lustspiel verfiel, ebenso wie Goethe auf den Vornamen seines Faust, ppe_437.022 statt des überlieferten Georg oder Johann, dadurch gekommen sein ppe_437.023 könnte, daß Heinrich und Margarete im Kalender nebeneinander ppe_437.024 standen.
ppe_437.025 Theodor Fontane hat viele seiner Adelsnamen durch Ortschaften ppe_437.026 bestimmen lassen, die er als Wanderer durch die Mark kennen lernte; ppe_437.027 im übrigen hat er, um seine lokale Anschauung zu stützen, den genauen ppe_437.028 Lageplan einer Ortschaft, eines Gutes, einer Straße, die Einteilung ppe_437.029 eines Hauses, die Einrichtung eines Zimmers, ja sogar die ppe_437.030 Tischordnung einer Gesellschaft mit Feder oder Bleistift skizziert -- ppe_437.031 ein Verfahren, das sich ebenso bei Zola angewandt findet und von ppe_437.032 geringer innerer Anschauung wie von starkem äußeren Anschauungsbedürfnis ppe_437.033 zeugt.
ppe_437.034 Der visionären Kraft kann nachgeholfen werden durch Anfertigung ppe_437.035 eines Personenverzeichnisses, das die äußere Erscheinung jeder ppe_437.036 einzelnen Gestalt aufs genaueste beschreibt. Walter Scott, Spielhagen ppe_437.037 und Zola haben solche Steckbriefe entworfen, nach denen sie ppe_437.038 sich im Verlauf der Arbeit richteten. Galsworthy hat einen Stammbaum, ppe_437.039 wie er ihn zunächst wohl für eigenen Gebrauch angefertigt ppe_437.040 hatte, zur Orientierung des Lesers seiner Forsyte-Saga beigegeben. ppe_437.041 Das ist sonst nur im Drama notwendig, das außerhalb des Dichterwortes
ppe_437.001 Haltung einstellen müsse, um eine Dichtung zu verstehen; ppe_437.002 wenigstens berichtete Achim v. Arnim einmal an Clemens Brentano: ppe_437.003 „Deinen Ponce hat sie Abends im Bette gelesen, Du hast ihn im Liegen ppe_437.004 geschrieben.“ Der amerikanische Humorist Mark Twain arbeitete ppe_437.005 tagsüber im Bett und rauchte dabei seine große Zigarre. Andere ppe_437.006 liegen auf dem Boden oder stehen am Pult oder laufen im Zimmer ppe_437.007 umher. Sie wandern in Gedanken durch die dargestellte Gegend; es ppe_437.008 werden Karten ausgebreitet auf dem Schreibtisch und Landschaftsbilder ppe_437.009 eingesehen, um sich im Schauplatz zurechtzufinden. So hatte ppe_437.010 Schiller, der den Meeresstrudel des „Taucher“ an einem Mühlrad ppe_437.011 studierte, für die Lokalisierung des „Wilhelm Tell“ eine Landkarte ppe_437.012 des Vierwaldstätter-Sees vor sich, an die er sich genau hielt; ebenso ppe_437.013 verfolgte er den Zug des Demetrius nach Moskau auf dem Atlas. ppe_437.014 Als die Brüder Goncourt an einem Roman arbeiteten, der in Rom ppe_437.015 spielte, hingen sie einen Stadtplan an der Türe auf: „pour continuer ppe_437.016 à y être, à nous y promener les yeux.“
ppe_437.017 Ortsnamen auf der Landkarte verhalfen gelegentlich zur Benennung ppe_437.018 von Personen. Auf einer Karte der Umgebung von London stehen ppe_437.019 nebeneinander Barnelms und Telham hill, und es ist wohl möglich, ppe_437.020 daß Lessing dadurch auf die Namen des Liebespaares in seinem ppe_437.021 Lustspiel verfiel, ebenso wie Goethe auf den Vornamen seines Faust, ppe_437.022 statt des überlieferten Georg oder Johann, dadurch gekommen sein ppe_437.023 könnte, daß Heinrich und Margarete im Kalender nebeneinander ppe_437.024 standen.
ppe_437.025 Theodor Fontane hat viele seiner Adelsnamen durch Ortschaften ppe_437.026 bestimmen lassen, die er als Wanderer durch die Mark kennen lernte; ppe_437.027 im übrigen hat er, um seine lokale Anschauung zu stützen, den genauen ppe_437.028 Lageplan einer Ortschaft, eines Gutes, einer Straße, die Einteilung ppe_437.029 eines Hauses, die Einrichtung eines Zimmers, ja sogar die ppe_437.030 Tischordnung einer Gesellschaft mit Feder oder Bleistift skizziert — ppe_437.031 ein Verfahren, das sich ebenso bei Zola angewandt findet und von ppe_437.032 geringer innerer Anschauung wie von starkem äußeren Anschauungsbedürfnis ppe_437.033 zeugt.
ppe_437.034 Der visionären Kraft kann nachgeholfen werden durch Anfertigung ppe_437.035 eines Personenverzeichnisses, das die äußere Erscheinung jeder ppe_437.036 einzelnen Gestalt aufs genaueste beschreibt. Walter Scott, Spielhagen ppe_437.037 und Zola haben solche Steckbriefe entworfen, nach denen sie ppe_437.038 sich im Verlauf der Arbeit richteten. Galsworthy hat einen Stammbaum, ppe_437.039 wie er ihn zunächst wohl für eigenen Gebrauch angefertigt ppe_437.040 hatte, zur Orientierung des Lesers seiner Forsyte-Saga beigegeben. ppe_437.041 Das ist sonst nur im Drama notwendig, das außerhalb des Dichterwortes
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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/461>, abgerufen am 23.11.2024.
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