ppe_021.001 gefördert worden. Im Aufstieg überblicken wir die Stufenfolge ppe_021.002 und sehen ringsum bald auf das noch nicht bearbeitete Baumaterial ppe_021.003 herab, bald auf die Stätte, wo es behauen wird, bald erkennen ppe_021.004 wir die Fügung des Mauerwerkes, die Konstruktion der Träger ppe_021.005 und das Verhältnis zu den Nachbarbauten.
ppe_021.006 Die geschichtliche Darstellung von Sigmund von Lempicki läßt die ppe_021.007 Literaturwissenschaft aus drei Quellen hervorgehen, die Literärhistorie, ppe_021.008 ästhetische Literaturkritik und Geschichtswissenschaft genannt ppe_021.009 werden. Wir können diese Entwicklungsgeschichte der deutschen ppe_021.010 Literaturgeschichtsschreibung in allen ihren Zusammenhängen ppe_021.011 als paradigmatisch für die Entstehung der europäischen Literaturwissenschaft ppe_021.012 überhaupt übernehmen, um so mehr als das weniger ppe_021.013 bedeutende englische Parallelwerk von O'Leary denselben Weg geht. ppe_021.014 Nur werden wir statt Literärhistorie lieber Bücherkunde sagen und ppe_021.015 die Steigerung der geschichtlichen Betrachtung zur Erkenntnis des ppe_021.016 eigenen Wesens, zu nationalem Selbstbewußtsein und politischem ppe_021.017 Bildungswillen als vierte Tendenz hinzufügen. Dann ergibt sich ein ppe_021.018 Nacheinander von vier Gesichtspunkten: Sammlung, Kritik, Gliederung, ppe_021.019 Deutung.
ppe_021.020 Fangen wir mit dem klassischen Altertum an, so hat es bereits ppe_021.021 seine Denker geschichtlich geordnet, aber nicht seine Dichter. Zur ppe_021.022 Erkenntnis entwicklungsgeschichtlicher Zusammenhänge drang die ppe_021.023 Betrachtung der Dichtung nicht vor. Dagegen wurden der ästhetischen ppe_021.024 Kritik und der Stilkunde in Poetik und Rhetorik Grundlagen ppe_021.025 gegeben, und für Bücherkunde sorgte der berüchtigte Alexandrinismus.
ppe_021.026
ppe_021.027 Im Mittelalter stehen sich wiederum Bücherkunde und ästhetische ppe_021.028 Literaturkritik gegenüber. In deutschen Klöstern und Schulen wurden ppe_021.029 biographische Kataloge nach bibliothekarischem Bedürfnis hergestellt. ppe_021.030 Mönche wie Notker der Stammler von St. Gallen und Konrad ppe_021.031 von Hirschau, Schulmeister wie der Bamberger Hugo von Trimberg, ppe_021.032 Sammler wie Püterich von Reichertshausen reihen Namen von Dichtern ppe_021.033 und Titeln ohne Gruppierung und Zusammenfassung aneinander. ppe_021.034 Dagegen blüht die literarhistorische Umschau kritischen Charakters ppe_021.035 in weltlichen Chroniken, epischen Dichtungen (Gottfried v. Straßburg) ppe_021.036 und lyrischen Totenklagen. Geschichtlicher Rückblick wird ppe_021.037 weiter gepflegt in der Herleitung des Meistersanges von den zwölf ppe_021.038 alten Sängern, die vor Kaiser und Papst in Pavia Proben ihrer Kunst ppe_021.039 abgelegt haben sollen. Diese Legende pflanzt sich nun fort in Liedern ppe_021.040 und Berichten des 16. Jahrhunderts zu einer Zeit, da historische ppe_021.041 Kritik bereits entwickelt war.
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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/45>, abgerufen am 22.11.2024.
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