ppe_354.002 Wie die Eindrucksfähigkeit, von der im ersten Abschnitt die Rede ppe_354.003 war, zwei einander scheinbar widersprechende Phasen in sich schließt, ppe_354.004 den Hunger nach Lebenseindrücken und Erfahrungen, sowie den ppe_354.005 Abschluß von der Wirklichkeit, so sind mit Dilthey auch zweierlei ppe_354.006 Arten von Erlebnissen anzunehmen: als erstes das Erfassen der konkreten ppe_354.007 Wirklichkeit, der äußeren Tatsachen und Situationen des Daseins, ppe_354.008 als zweites die innere Erfahrung geistiger und seelischer Art. ppe_354.009 Je nach dem Übergewicht des einen oder anderen nimmt der Phantasievorgang ppe_354.010 eine andere Richtung; entweder wird die äußere Tatsächlichkeit ppe_354.011 verinnerlicht, oder es wird der subjektive Zustand im ppe_354.012 Symbol eines äußeren Vorgangs versinnbildlicht.
ppe_354.013 Nach dem relativen Vorwalten dieser entgegengesetzten Richtungen, ppe_354.014 des Weges von außen nach innen oder des Weges von innen nach ppe_354.015 außen, unterschied Dilthey Typen des objektiven und subjektiven ppe_354.016 Dichters. Damit war das vorweggenommen, was psycho-analytische ppe_354.017 und experimentelle Seelenkunde später ohne besondere Rücksicht auf ppe_354.018 den Dichter als Extraversion und Introversion oder als Typen der ppe_354.019 Integration unterschied (vgl. oben S. 348 f.). Die Zweiteilung findet ppe_354.020 sich schon bei Schiller als naiv und sentimentalisch, bei dem Romantiker ppe_354.021 Friedrich Schlegel als objektiv und interessant, bei Schleiermacher ppe_354.022 als Werkbildner und Selbstbildner, bei Otto Ludwig als Sachdichter ppe_354.023 und Ich-Dichter. Für die einen steht, wie bei Shakespeare, der ppe_354.024 Geist der Sache im Vordergrund, für die andern, wie bei Schiller, der ppe_354.025 eigene Geist; nach Otto Ludwig verherrlicht der eine seine Objekte, ppe_354.026 der andere sich selbst. Dilthey nennt als Beispiele der einen Reihe die ppe_354.027 Realisten Shakespeare, Cervantes, Dickens; für die andere die Romantiker ppe_354.028 Rousseau, Novalis, Byron. Goethe dagegen, dem der Rhythmus ppe_354.029 des Ein- und Ausatmens wie die Bewegung des Blutumlaufs in Systole ppe_354.030 und Diastole Symbole der Polarität und des Gleichgewichts von Innen- ppe_354.031 und Außenwelt geworden sind, hat seinen Platz in der Mitte. Gehörte ppe_354.032 er als Stürmer und Dränger zum subjektiven Typus, so entwickelte ppe_354.033 er sich mit der Reife immer mehr zum gegenständlichen Auffassen der ppe_354.034 Welt, so daß seine Erlebnisform das vollendete Gleichgewicht zwischen ppe_354.035 seelischem Zustand und objektiver Gegebenheit erreichte, bis im Alter ppe_354.036 wieder das innere Leben zum Übergewicht gelangte.
ppe_354.037 Die Dreiteilung steht in einem gewissen Zusammenhang oder mindestens ppe_354.038 in Parallele mit jenen Weltanschauungstypen, nach denen ppe_354.039 Wilhelm Dilthey die metaphysischen Systeme gliederte, indem er sie ppe_354.040 auf Wirklichkeitserkenntnis, Lebenswürdigung und Zwecksetzung befragte.
ppe_354.001 b) Strukturpsychologische Typenlehren
ppe_354.002 Wie die Eindrucksfähigkeit, von der im ersten Abschnitt die Rede ppe_354.003 war, zwei einander scheinbar widersprechende Phasen in sich schließt, ppe_354.004 den Hunger nach Lebenseindrücken und Erfahrungen, sowie den ppe_354.005 Abschluß von der Wirklichkeit, so sind mit Dilthey auch zweierlei ppe_354.006 Arten von Erlebnissen anzunehmen: als erstes das Erfassen der konkreten ppe_354.007 Wirklichkeit, der äußeren Tatsachen und Situationen des Daseins, ppe_354.008 als zweites die innere Erfahrung geistiger und seelischer Art. ppe_354.009 Je nach dem Übergewicht des einen oder anderen nimmt der Phantasievorgang ppe_354.010 eine andere Richtung; entweder wird die äußere Tatsächlichkeit ppe_354.011 verinnerlicht, oder es wird der subjektive Zustand im ppe_354.012 Symbol eines äußeren Vorgangs versinnbildlicht.
ppe_354.013 Nach dem relativen Vorwalten dieser entgegengesetzten Richtungen, ppe_354.014 des Weges von außen nach innen oder des Weges von innen nach ppe_354.015 außen, unterschied Dilthey Typen des objektiven und subjektiven ppe_354.016 Dichters. Damit war das vorweggenommen, was psycho-analytische ppe_354.017 und experimentelle Seelenkunde später ohne besondere Rücksicht auf ppe_354.018 den Dichter als Extraversion und Introversion oder als Typen der ppe_354.019 Integration unterschied (vgl. oben S. 348 f.). Die Zweiteilung findet ppe_354.020 sich schon bei Schiller als naiv und sentimentalisch, bei dem Romantiker ppe_354.021 Friedrich Schlegel als objektiv und interessant, bei Schleiermacher ppe_354.022 als Werkbildner und Selbstbildner, bei Otto Ludwig als Sachdichter ppe_354.023 und Ich-Dichter. Für die einen steht, wie bei Shakespeare, der ppe_354.024 Geist der Sache im Vordergrund, für die andern, wie bei Schiller, der ppe_354.025 eigene Geist; nach Otto Ludwig verherrlicht der eine seine Objekte, ppe_354.026 der andere sich selbst. Dilthey nennt als Beispiele der einen Reihe die ppe_354.027 Realisten Shakespeare, Cervantes, Dickens; für die andere die Romantiker ppe_354.028 Rousseau, Novalis, Byron. Goethe dagegen, dem der Rhythmus ppe_354.029 des Ein- und Ausatmens wie die Bewegung des Blutumlaufs in Systole ppe_354.030 und Diastole Symbole der Polarität und des Gleichgewichts von Innen- ppe_354.031 und Außenwelt geworden sind, hat seinen Platz in der Mitte. Gehörte ppe_354.032 er als Stürmer und Dränger zum subjektiven Typus, so entwickelte ppe_354.033 er sich mit der Reife immer mehr zum gegenständlichen Auffassen der ppe_354.034 Welt, so daß seine Erlebnisform das vollendete Gleichgewicht zwischen ppe_354.035 seelischem Zustand und objektiver Gegebenheit erreichte, bis im Alter ppe_354.036 wieder das innere Leben zum Übergewicht gelangte.
ppe_354.037 Die Dreiteilung steht in einem gewissen Zusammenhang oder mindestens ppe_354.038 in Parallele mit jenen Weltanschauungstypen, nach denen ppe_354.039 Wilhelm Dilthey die metaphysischen Systeme gliederte, indem er sie ppe_354.040 auf Wirklichkeitserkenntnis, Lebenswürdigung und Zwecksetzung befragte.
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b) Strukturpsychologische Typenlehren ppe_354.002
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war, zwei einander scheinbar widersprechende Phasen in sich schließt, ppe_354.004
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Nach dem relativen Vorwalten dieser entgegengesetzten Richtungen, ppe_354.014
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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/378>, abgerufen am 23.11.2024.
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