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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

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das sich willenlos den Lebenswellen überläßt, aber das kann ppe_321.002
nur dem lyrischen, nicht dem dramatischen Menschen zu eigen sein. ppe_321.003
Nur selten, bei der Flucht von Mannheim nach Sachsen (Charlotte ppe_321.004
v. Kalb) und bei der Entfernung von Dresden nach Tharandt (Henriette ppe_321.005
v. Arnim) spielt für Schiller die Befreiung aus erotischen Konflikten ppe_321.006
mit; die weiteren Schauplatzveränderungen seines Lebens sind von ppe_321.007
ebenso klarbewußter Zielsetzung der dichterischen Entwicklung bestimmt, ppe_321.008
wie die ideellen Bildungsreisen in die Welt des Altertums, der ppe_321.009
Geschichte und der Philosophie. Der Weg nach Thüringen, die vorübergehende ppe_321.010
Rückkehr zur Heimat, die Übersiedlung von Jena nach ppe_321.011
Weimar um des Theaters willen und die noch im letzten Lebensjahr ppe_321.012
geführten Verhandlungen über eine Berufung nach Berlin lassen die ppe_321.013
starke Zielbewußtheit erkennen. Es ist trotz der Störung durch Krankheit ppe_321.014
und Todesnähe eine ziemlich gerade verlaufende Schicksalslinie, ppe_321.015
deren letzte Wendung der Tod, der schon vorher sich angemeldet hat, ppe_321.016
vereitelte. Aber sein Schatten hat das Licht feuriger Kraftanspannung ppe_321.017
verstärkt.

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Bei Lessing vollzieht sich die häufige Schauplatzveränderung in ppe_321.019
einem unruhigen Rhythmus, der in dreifach gespaltenem Lebensziel ppe_321.020
seine Ursache hat: das dramatische Schaffen findet in Leipzig, Potsdam ppe_321.021
und Hamburg, die kritische Publizistik in Berlin, die gelehrte Betätigung ppe_321.022
in Wittenberg, Breslau und Wolfenbüttel angemessene Daseinsbedingungen. ppe_321.023
In plötzlichen Sprüngen fluchtartigen Charakters vollziehen ppe_321.024
sich die schroffen Übergänge, die zugleich durch die bald ppe_321.025
anziehende, bald abstoßende Polarität zwischen dem rauschenden ppe_321.026
Strom der Welt und der stillen Welt der Bücher bedingt ist. Noch ppe_321.027
weit jäher und unstäter kreuzt der Zickzack-Kurs eines Heinrich ppe_321.028
v. Kleist stoßweise von Ort zu Ort; die Verbindungslinien zwischen ppe_321.029
Potsdam, Frankfurt, Paris, Bern, Weimar, Königsberg, Dresden, Berlin ppe_321.030
bilden ein schwer zu entwirrendes Diagramm seines vom Dämon ppe_321.031
gejagten Lebens.

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Die Lebensläufe der Lyriker zeigen nicht solche Plötzlichkeit überraschender ppe_321.033
Willensantriebe, sondern suchen in minder kontrastreichen ppe_321.034
Kurven, aber mit nicht geringerer Unrast nach Veränderung der Eindrücke. ppe_321.035
"Uns ist gegeben, auf keiner Stätte zu ruhen", steht über ppe_321.036
dem heimatlosen Dasein der Hölderlin, Brentano, Platen, Lenau, ppe_321.037
George, Rilke.

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Dagegen setzt der Erzähler sich gern und bald zur Ruhe, um schließlich ppe_321.039
in unveränderter Seßhaftigkeit auf seinem Beobachtungspunkt ppe_321.040
gegenüber dem Leben, das er an sich herankommen läßt, zu beharren. ppe_321.041
Wieland in Weimar, Jean Paul in Bayreuth, Gottfried Keller in Zürich,

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Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/345>, abgerufen am 25.11.2024.