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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

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eines Textes sollte dann zustandekommen, "wenn in unserer Seele ppe_251.002
eben die Vorstellungsassoziationen erzeugt werden, welche der Urheber ppe_251.003
desselben in der Seele derjenigen hat hervorrufen wollen, für ppe_251.004
die er bestimmt ist".

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Dagegen erhebt sich als erster Einwand die Frage, ob ein Werk der ppe_251.006
Selbstbefreiung, das aus Lebenskrisen und innerem Zwang hervorbrach, ppe_251.007
überhaupt auf ein bestimmtes Publikum berechnet gewesen ppe_251.008
sein muß. Stifter sagt im "Nachsommer": "Der Künstler macht sein ppe_251.009
Werk, wie die Blume blüht, wenn sie auch in der Wüste ist und nie ppe_251.010
ein Auge auf sie fällt. Der wahre Künstler stellt sich die Frage gar ppe_251.011
nicht, ob sein Werk verstanden werden wird oder nicht." Wie ppe_251.012
mancher, der zu seinem eigenen Behagen schrieb, mag nicht anders ppe_251.013
gedacht haben als Wilhelm Raabe, der den Erzähler der "Alten Nester" ppe_251.014
Gott dafür danken läßt, daß er nicht weiß, an welche Leser sich das ppe_251.015
eben Niedergeschriebene wenden wird. Andere mögen bei der Niederschrift ppe_251.016
nur an einen einzigen Leser gedacht haben. Aber auch, ppe_251.017
wenn es ein bestimmter Kreis war, so ist zu fragen, wie zunächst die ppe_251.018
Gesellschaft, der ein Text zugedacht war, und wie danach ihr Geist ppe_251.019
festzustellen sei. Durch Widmungen oder Berichte ist solcher Leserkreis ppe_251.020
unter Umständen zu ermitteln, aber damit ist immer noch nicht ppe_251.021
erfaßbar, welches seine Vorstellungsassoziationen waren. Selbst dann, ppe_251.022
wenn der ursprüngliche Widerhall, von dem wir annehmen, daß er ppe_251.023
beabsichtigt war, in Urteilen kundgegeben ist, bleibt es höchst ungewiß, ppe_251.024
ob wir heute die gleichen Assoziationen als Eindruck des Textes zu ppe_251.025
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Der von Paul geschilderte Vorgang kann sich eigentlich nur bei ppe_251.027
Verständigung durch das gesprochene Wort von Mensch zu Mensch ppe_251.028
herstellen, wenn räumliche und zeitliche Gegenwart durch keinerlei ppe_251.029
Trennung behindert und der Sprachgebrauch gleichgestimmt ist. Ohne ppe_251.030
solchen Kontakt ist völlige Identität der Vorstellungsassoziationen ppe_251.031
unerreichbar. Auf welche Weise dürfte es möglich sein, gegenüber ppe_251.032
Dichtungen, die für die ritterliche Gesellschaft des Mittelalters bestimmt ppe_251.033
waren, wie Minnesang und höfische Epik, ohne weiteres die ppe_251.034
entsprechende Seelenhaltung zu finden, durch die das Verstehen verbürgt ppe_251.035
sein soll? Nicht viel anders ginge es mit den gesellschaftlichen ppe_251.036
Idealen des Absolutismus, wie sie in der klassischen Tragödie Frankreichs ppe_251.037
gepflegt wurden. Und denken wir an Dantes "Göttliche Komödie" ppe_251.038
so ist das ganze kosmische System, das sich in den drei Reichen ppe_251.039
des Inferno, Purgatorio und Paradiso aufbaut, nur aus den Vorstellungen ppe_251.040
mittelalterlicher Glaubenswelt zu verstehen. Das religiöse, naturwissenschaftliche, ppe_251.041
politische, gesellschaftliche und ethische Weltbild

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eines Textes sollte dann zustandekommen, „wenn in unserer Seele ppe_251.002
eben die Vorstellungsassoziationen erzeugt werden, welche der Urheber ppe_251.003
desselben in der Seele derjenigen hat hervorrufen wollen, für ppe_251.004
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Dagegen erhebt sich als erster Einwand die Frage, ob ein Werk der ppe_251.006
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Gott dafür danken läßt, daß er nicht weiß, an welche Leser sich das ppe_251.015
eben Niedergeschriebene wenden wird. Andere mögen bei der Niederschrift ppe_251.016
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Gesellschaft, der ein Text zugedacht war, und wie danach ihr Geist ppe_251.019
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beabsichtigt war, in Urteilen kundgegeben ist, bleibt es höchst ungewiß, ppe_251.024
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Der von Paul geschilderte Vorgang kann sich eigentlich nur bei ppe_251.027
Verständigung durch das gesprochene Wort von Mensch zu Mensch ppe_251.028
herstellen, wenn räumliche und zeitliche Gegenwart durch keinerlei ppe_251.029
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unerreichbar. Auf welche Weise dürfte es möglich sein, gegenüber ppe_251.032
Dichtungen, die für die ritterliche Gesellschaft des Mittelalters bestimmt ppe_251.033
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Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/275>, abgerufen am 23.11.2024.