ppe_198.001 der Säule und des Kapitäls und gelangte im Hinblick auf landschaftliche ppe_198.002 und zeitliche Unterschiede zur Abstraktion eines dorischen, ppe_198.003 ionischen, attischen, alexandrinischen Menschen, von denen jeder auf ppe_198.004 seiner Entwicklungsstufe als Repräsentant einer bestimmten Stilperiode ppe_198.005 gelten durfte.
ppe_198.006 Mit der weiteren Abstraktion eines romanischen, gotischen, ppe_198.007 Renaissance-, Barock- und Rokokomenschen, eines Klassikertypus und ppe_198.008 eines Romantikers kamen wieder literarische Anwendungen zum Übergewicht, ppe_198.009 weil von der Literatur aus weit mehr Material zur psychologischen ppe_198.010 Erschließung solchen Menschentums dargeboten werden ppe_198.011 konnte als von den anderen Künsten.
ppe_198.012 Bei der geistesgeschichtlichen Gliederung nach gleichlaufenden ppe_198.013 Zeitströmungen erwies sich indessen der Mensch eines Zeitalters als ppe_198.014 national verschieden; nicht nur die Literaturen, sondern auch die ppe_198.015 anderen Künste führten zu gleicher Zeit verschiedene Sprachen; die ppe_198.016 deutsche Renaissance erscheint als verkappte Gotik oder als vorgefühlter ppe_198.017 Barock; die deutsche Klassik gilt den anderen Völkern als ppe_198.018 Romantik; die französische oder italienische Romantik mutet uns als ppe_198.019 entstellter Klassizismus an. In dieser Perspektive treten Gotisch und ppe_198.020 Romantisch als vorzugsweise germanische Ausdrucksformen zusammen, ppe_198.021 während Renaissance und Klassizismus ihrem Ursprung und ihrer ppe_198.022 Haltung gemäß als etwas dem Germanischen Entgegengesetztes erscheinen. ppe_198.023 Man konnte sogar soweit gehen, die Renaissance als die ppe_198.024 italienische Romantik, die Romantik als die deutsche Renaissance ppe_198.025 zu bezeichnen.
ppe_198.026 Die Teilung in die drei großen Kategorien Personalstil, Epochalstil, ppe_198.027 Nationalstil erschöpft noch keineswegs alle Möglichkeiten. Wenn ppe_198.028 nach Schopenhauer der Stil als Physiognomie des Geistes zu betrachten ppe_198.029 ist, so können damit noch manche andere Erscheinungsformen des ppe_198.030 objektiven Geistes gemeint sein, die sich zu großen überindividuellen ppe_198.031 Ausdruckseinheiten zusammenschließen, wie Landschaft, Generation, ppe_198.032 Gesellschaft, Volk, Zeitalter, Rasse. Überall da, wo von einem Menschentypus ppe_198.033 zu sprechen ist, der eine in Raum oder Zeit zusammengeschlossene ppe_198.034 Gemeinschaft repräsentiert, erscheint als äußere Ausprägung ppe_198.035 dieser geistigen, seclischen, gesinnungsmäßigen und weltanschaulichen ppe_198.036 Einheit der Stil. Die genannten Einheiten sind Hypostasen ppe_198.037 des Stils, und man kann von Volks- und Zeitgeist, von Stammes- ppe_198.038 und Rassenseele nur insoweit sprechen, als sie in Nationalstil, Zeitstil, ppe_198.039 Stammesstil und Rassenstil, wie in Nationaltypus, Zeittypus, ppe_198.040 Stammestypus und Rassentypus zum äußeren Ausdruck kommen.
ppe_198.041 Man hat auch Gattung und Material als Bedingungen des Stils ansehen
ppe_198.001 der Säule und des Kapitäls und gelangte im Hinblick auf landschaftliche ppe_198.002 und zeitliche Unterschiede zur Abstraktion eines dorischen, ppe_198.003 ionischen, attischen, alexandrinischen Menschen, von denen jeder auf ppe_198.004 seiner Entwicklungsstufe als Repräsentant einer bestimmten Stilperiode ppe_198.005 gelten durfte.
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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/222>, abgerufen am 24.11.2024.
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