ppe_169.001 deshalb weit mehr herkömmliche Überlieferung zu verzeichnen haben ppe_169.002 als erlebte Selbstdarstellung, die viel mehr beim Humoristen sich ppe_169.003 findet. Die komische Wirkung pflegt im übrigen nicht so sehr aus ppe_169.004 der Anlage der Charaktere unmittelbar hervorzugehen als aus den ppe_169.005 Situationen und Motiven der Handlung.
ppe_169.009 Das Motiv ist der meistgebrauchte und deshalb unklarste Begriff, ppe_169.010 der bei der Analyse sich einstellt. Kaum ein anderes Wort wird so ppe_169.011 unmotiviert zur Anwendung gebracht. Man hat es ein Schwammwort ppe_169.012 genannt, weil es alles aufsaugt und alles mit ihm sich ausdrücken läßt. ppe_169.013 Wenn in der Tat beinahe sämtliche Elemente des Gehaltes vom Stoff ppe_169.014 aufwärts zur Idee und auf der andern Seite nicht wenige Eigentümlichkeiten ppe_169.015 der Form als Motive bezeichnet worden sind, so hat zur ppe_169.016 Verwirrung auch die verschiedenartige Verwendung des Begriffes in ppe_169.017 anderen Künsten, in Architektur und Ornamentik, in Malerei und ppe_169.018 Musik, das ihrige beigetragen.
ppe_169.019 Sucht man, wie es Paul Merker unternommen hat, Übereinstimmung ppe_169.020 mit kunstgeschichtlichem und künstlerischem Gebrauch, so kann sich ppe_169.021 eine Gleichsetzung von Motiv mit Bild und typischer Situation ergeben. ppe_169.022 Eine solche wäre etwa das Bild der klagenden Frau, der ein ppe_169.023 toter Mann im Schoß liegt. Das kann sowohl die Mutter Gottes mit ppe_169.024 dem Sohn als Sigune mit Schionatulander oder sogar die Matrone ppe_169.025 von Ephesus bedeuten. Merker möchte als Motiv die allgemeine ppe_169.026 thematische Vorstellung auffassen, während der Stoff die besondere ppe_169.027 Anwendungs- und Ausprägungsart darstelle. Aber wenn ein anonymer, ppe_169.028 nicht personifizierter, nicht lokalisierter, nicht zeitlich fixierter Stoff, ppe_169.029 dem die Problemstellung fehlt, gesucht wird, so käme nicht einmal ppe_169.030 eine Fabel zustande. Die körperliche Situation allein, die dagegen ppe_169.031 den bildenden Künstler zur Studie anregen kann, hat für das literarische ppe_169.032 Kunstwerk keine Bedeutung, wenn ihr jede seelische Beziehung ppe_169.033 abgeht. Und diese ist es, die wir als zugehörig zum literarischen ppe_169.034 Motiv betrachten müssen.
ppe_169.035 Nach der Richtung des Seelischen hin können sich aber wieder ppe_169.036 Mißverständnisse ergeben, wenn man in Übereinstimmung mit der ppe_169.037 psychologischen Bedeutung das Motiv als Beweggrund und Antrieb ppe_169.038 zum Dichten auffaßt (Fr. Th. Vischer, Jean Paul, Jos. Körner,
ppe_169.001 deshalb weit mehr herkömmliche Überlieferung zu verzeichnen haben ppe_169.002 als erlebte Selbstdarstellung, die viel mehr beim Humoristen sich ppe_169.003 findet. Die komische Wirkung pflegt im übrigen nicht so sehr aus ppe_169.004 der Anlage der Charaktere unmittelbar hervorzugehen als aus den ppe_169.005 Situationen und Motiven der Handlung.
ppe_169.009 Das Motiv ist der meistgebrauchte und deshalb unklarste Begriff, ppe_169.010 der bei der Analyse sich einstellt. Kaum ein anderes Wort wird so ppe_169.011 unmotiviert zur Anwendung gebracht. Man hat es ein Schwammwort ppe_169.012 genannt, weil es alles aufsaugt und alles mit ihm sich ausdrücken läßt. ppe_169.013 Wenn in der Tat beinahe sämtliche Elemente des Gehaltes vom Stoff ppe_169.014 aufwärts zur Idee und auf der andern Seite nicht wenige Eigentümlichkeiten ppe_169.015 der Form als Motive bezeichnet worden sind, so hat zur ppe_169.016 Verwirrung auch die verschiedenartige Verwendung des Begriffes in ppe_169.017 anderen Künsten, in Architektur und Ornamentik, in Malerei und ppe_169.018 Musik, das ihrige beigetragen.
ppe_169.019 Sucht man, wie es Paul Merker unternommen hat, Übereinstimmung ppe_169.020 mit kunstgeschichtlichem und künstlerischem Gebrauch, so kann sich ppe_169.021 eine Gleichsetzung von Motiv mit Bild und typischer Situation ergeben. ppe_169.022 Eine solche wäre etwa das Bild der klagenden Frau, der ein ppe_169.023 toter Mann im Schoß liegt. Das kann sowohl die Mutter Gottes mit ppe_169.024 dem Sohn als Sigune mit Schionatulander oder sogar die Matrone ppe_169.025 von Ephesus bedeuten. Merker möchte als Motiv die allgemeine ppe_169.026 thematische Vorstellung auffassen, während der Stoff die besondere ppe_169.027 Anwendungs- und Ausprägungsart darstelle. Aber wenn ein anonymer, ppe_169.028 nicht personifizierter, nicht lokalisierter, nicht zeitlich fixierter Stoff, ppe_169.029 dem die Problemstellung fehlt, gesucht wird, so käme nicht einmal ppe_169.030 eine Fabel zustande. Die körperliche Situation allein, die dagegen ppe_169.031 den bildenden Künstler zur Studie anregen kann, hat für das literarische ppe_169.032 Kunstwerk keine Bedeutung, wenn ihr jede seelische Beziehung ppe_169.033 abgeht. Und diese ist es, die wir als zugehörig zum literarischen ppe_169.034 Motiv betrachten müssen.
ppe_169.035 Nach der Richtung des Seelischen hin können sich aber wieder ppe_169.036 Mißverständnisse ergeben, wenn man in Übereinstimmung mit der ppe_169.037 psychologischen Bedeutung das Motiv als Beweggrund und Antrieb ppe_169.038 zum Dichten auffaßt (Fr. Th. Vischer, Jean Paul, Jos. Körner,
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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/193>, abgerufen am 24.11.2024.
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