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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

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Woche haben sie alle drey eine Schrift unterzeich-
net, die mitten unter Arners Papieren da lag --
das ist eins. -- Denn ist die Abschaffung des Gal-
gens, und das Projekt mit dem Steuerfond, das
sind beydes nicht Sachen, von denen man glauben
kann, sie seyen ohne Rücksicht auf größere Gesichts-
punkte von dem guten Arner blos zum Nutzen und
Frommen seines Dorfs ausgeheckt worden. --
Er schwieg izt, und sah den Eindruck, den es auf
den Herzog machte. -- Dieser saß staunend da, stoß-
te seine Lippen vorwärts, nahm sie dann wieder zu-
rück unter die Zähne, sagte dann -- wenn du dich
nicht irrest, so ist das die sonderbarste Sache, die
mir in meinem Leben begegnet. --

Helidor. Ich irre mich gewiß nicht -- und auf
alle Umstände, die ich erzählt, können Sie bauen. --

Fürst. Bey allem dem scheint mir die Sache
noch unglaublich --

Helidor. Sie ist aber sicher, und sie werden Ih-
nen gewiß mit einem Menschlichkeitsprojekt kommen.

Fürst. Ich will sehen was es giebt. --

Helidor. Werden Sie ihnen Gehör geben? --

Fürst. (Nach einigem Staunen) -- Das weiß
ich nicht. --

Helidor. Aber ich weiß es, Sie werden es
thun. --

Fürst. Träumest du noch einmal in einer
Stunde?

Woche haben ſie alle drey eine Schrift unterzeich-
net, die mitten unter Arners Papieren da lag —
das iſt eins. — Denn iſt die Abſchaffung des Gal-
gens, und das Projekt mit dem Steuerfond, das
ſind beydes nicht Sachen, von denen man glauben
kann, ſie ſeyen ohne Ruͤckſicht auf groͤßere Geſichts-
punkte von dem guten Arner blos zum Nutzen und
Frommen ſeines Dorfs ausgeheckt worden. —
Er ſchwieg izt, und ſah den Eindruck, den es auf
den Herzog machte. — Dieſer ſaß ſtaunend da, ſtoß-
te ſeine Lippen vorwaͤrts, nahm ſie dann wieder zu-
ruͤck unter die Zaͤhne, ſagte dann — wenn du dich
nicht irreſt, ſo iſt das die ſonderbarſte Sache, die
mir in meinem Leben begegnet. —

Helidor. Ich irre mich gewiß nicht — und auf
alle Umſtaͤnde, die ich erzaͤhlt, koͤnnen Sie bauen. —

Fuͤrſt. Bey allem dem ſcheint mir die Sache
noch unglaublich —

Helidor. Sie iſt aber ſicher, und ſie werden Ih-
nen gewiß mit einem Menſchlichkeitsprojekt kommen.

Fuͤrſt. Ich will ſehen was es giebt. —

Helidor. Werden Sie ihnen Gehoͤr geben? —

Fuͤrſt. (Nach einigem Staunen) — Das weiß
ich nicht. —

Helidor. Aber ich weiß es, Sie werden es
thun. —

Fuͤrſt. Traͤumeſt du noch einmal in einer
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[411/0429] Woche haben ſie alle drey eine Schrift unterzeich- net, die mitten unter Arners Papieren da lag — das iſt eins. — Denn iſt die Abſchaffung des Gal- gens, und das Projekt mit dem Steuerfond, das ſind beydes nicht Sachen, von denen man glauben kann, ſie ſeyen ohne Ruͤckſicht auf groͤßere Geſichts- punkte von dem guten Arner blos zum Nutzen und Frommen ſeines Dorfs ausgeheckt worden. — Er ſchwieg izt, und ſah den Eindruck, den es auf den Herzog machte. — Dieſer ſaß ſtaunend da, ſtoß- te ſeine Lippen vorwaͤrts, nahm ſie dann wieder zu- ruͤck unter die Zaͤhne, ſagte dann — wenn du dich nicht irreſt, ſo iſt das die ſonderbarſte Sache, die mir in meinem Leben begegnet. — Helidor. Ich irre mich gewiß nicht — und auf alle Umſtaͤnde, die ich erzaͤhlt, koͤnnen Sie bauen. — Fuͤrſt. Bey allem dem ſcheint mir die Sache noch unglaublich — Helidor. Sie iſt aber ſicher, und ſie werden Ih- nen gewiß mit einem Menſchlichkeitsprojekt kommen. Fuͤrſt. Ich will ſehen was es giebt. — Helidor. Werden Sie ihnen Gehoͤr geben? — Fuͤrſt. (Nach einigem Staunen) — Das weiß ich nicht. — Helidor. Aber ich weiß es, Sie werden es thun. — Fuͤrſt. Traͤumeſt du noch einmal in einer Stunde?

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/429>, abgerufen am 25.11.2024.