Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

er nicht wollte. -- Das war ihr Plan. -- Sie rech-
neten in demselben gar nicht auf die Tugend der
Menschen, sondern blos auf ihre Gierigkeit; aber
sie wußten, daß ihre Tugend wie ein Propfreiß auf
dem wilden Stamm dieser Gierigkeit kann gezwei-
get werden, und auf demselben so feine Früchte zu
tragen im Stande ist, als ihre Natur jemals her-
vorgebracht hat. --

Nelkron sagte, wenn die Ausführung dieser
Grundsätze sich durch nichts erproben würde, so fiel
sie dadurch auf, daß die ersten Menschenfresser dieser
Erde, den Schaafpelz dieser Grundsätze anziehen
müßten, um dadurch zu ihrem Fraß zu gelangen,
wie zu lesen in den Lobpreisungen des Fleißes, der
Betriebsamkeit, und der häuslichen Glückseligkeit,
als den ersten Stützen des Staats, in Kabinetsor-
dern und motivirten Befehlen bestohlner Fürsten an
ausgesogene Völker. --

Auch das fanden sie, Arner wäre nicht dahin
gekommen, den Galgen abzuschaffen, und in einem
Dorf einen Steuerfond entstehen zu sehen, wenn er
auf diese bestimmte Endzwecke hin gearbeitet hätte;
sondern sey eigentlich dadurch dahin gekommen, weil
er nichts gesucht, als jeden einzeln Menschen in sei-
nem Dorf für sich selber, und für das Seinige in
Ordnung zu bringen; und die weitern allgemeinen
Gesichtspunkte seiner Dorfregierung nicht anderst,

er nicht wollte. — Das war ihr Plan. — Sie rech-
neten in demſelben gar nicht auf die Tugend der
Menſchen, ſondern blos auf ihre Gierigkeit; aber
ſie wußten, daß ihre Tugend wie ein Propfreiß auf
dem wilden Stamm dieſer Gierigkeit kann gezwei-
get werden, und auf demſelben ſo feine Fruͤchte zu
tragen im Stande iſt, als ihre Natur jemals her-
vorgebracht hat. —

Nelkron ſagte, wenn die Ausfuͤhrung dieſer
Grundſaͤtze ſich durch nichts erproben wuͤrde, ſo fiel
ſie dadurch auf, daß die erſten Menſchenfreſſer dieſer
Erde, den Schaafpelz dieſer Grundſaͤtze anziehen
muͤßten, um dadurch zu ihrem Fraß zu gelangen,
wie zu leſen in den Lobpreiſungen des Fleißes, der
Betriebſamkeit, und der haͤuslichen Gluͤckſeligkeit,
als den erſten Stuͤtzen des Staats, in Kabinetsor-
dern und motivirten Befehlen beſtohlner Fuͤrſten an
ausgeſogene Voͤlker. —

Auch das fanden ſie, Arner waͤre nicht dahin
gekommen, den Galgen abzuſchaffen, und in einem
Dorf einen Steuerfond entſtehen zu ſehen, wenn er
auf dieſe beſtimmte Endzwecke hin gearbeitet haͤtte;
ſondern ſey eigentlich dadurch dahin gekommen, weil
er nichts geſucht, als jeden einzeln Menſchen in ſei-
nem Dorf fuͤr ſich ſelber, und fuͤr das Seinige in
Ordnung zu bringen; und die weitern allgemeinen
Geſichtspunkte ſeiner Dorfregierung nicht anderſt,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0420" n="402"/>
er nicht wollte. &#x2014; Das war ihr Plan. &#x2014; Sie rech-<lb/>
neten in dem&#x017F;elben gar nicht auf die Tugend der<lb/>
Men&#x017F;chen, &#x017F;ondern blos auf ihre Gierigkeit; aber<lb/>
&#x017F;ie wußten, daß ihre Tugend wie ein Propfreiß auf<lb/>
dem wilden Stamm die&#x017F;er Gierigkeit kann gezwei-<lb/>
get werden, und auf dem&#x017F;elben &#x017F;o feine Fru&#x0364;chte zu<lb/>
tragen im Stande i&#x017F;t, als ihre Natur jemals her-<lb/>
vorgebracht hat. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Nelkron &#x017F;agte, wenn die Ausfu&#x0364;hrung die&#x017F;er<lb/>
Grund&#x017F;a&#x0364;tze &#x017F;ich durch nichts erproben wu&#x0364;rde, &#x017F;o fiel<lb/>
&#x017F;ie dadurch auf, daß die er&#x017F;ten Men&#x017F;chenfre&#x017F;&#x017F;er die&#x017F;er<lb/>
Erde, den Schaafpelz die&#x017F;er Grund&#x017F;a&#x0364;tze anziehen<lb/>
mu&#x0364;ßten, um dadurch zu ihrem Fraß zu gelangen,<lb/>
wie zu le&#x017F;en in den Lobprei&#x017F;ungen des Fleißes, der<lb/>
Betrieb&#x017F;amkeit, und der ha&#x0364;uslichen Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit,<lb/>
als den er&#x017F;ten Stu&#x0364;tzen des Staats, in Kabinetsor-<lb/>
dern und motivirten Befehlen be&#x017F;tohlner Fu&#x0364;r&#x017F;ten an<lb/>
ausge&#x017F;ogene Vo&#x0364;lker. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Auch das fanden &#x017F;ie, Arner wa&#x0364;re nicht dahin<lb/>
gekommen, den Galgen abzu&#x017F;chaffen, und in einem<lb/>
Dorf einen Steuerfond ent&#x017F;tehen zu &#x017F;ehen, wenn er<lb/>
auf die&#x017F;e be&#x017F;timmte Endzwecke hin gearbeitet ha&#x0364;tte;<lb/>
&#x017F;ondern &#x017F;ey eigentlich dadurch dahin gekommen, weil<lb/>
er nichts ge&#x017F;ucht, als jeden einzeln Men&#x017F;chen in &#x017F;ei-<lb/>
nem Dorf fu&#x0364;r &#x017F;ich &#x017F;elber, und fu&#x0364;r das Seinige in<lb/>
Ordnung zu bringen; und die weitern allgemeinen<lb/>
Ge&#x017F;ichtspunkte &#x017F;einer Dorfregierung nicht ander&#x017F;t,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[402/0420] er nicht wollte. — Das war ihr Plan. — Sie rech- neten in demſelben gar nicht auf die Tugend der Menſchen, ſondern blos auf ihre Gierigkeit; aber ſie wußten, daß ihre Tugend wie ein Propfreiß auf dem wilden Stamm dieſer Gierigkeit kann gezwei- get werden, und auf demſelben ſo feine Fruͤchte zu tragen im Stande iſt, als ihre Natur jemals her- vorgebracht hat. — Nelkron ſagte, wenn die Ausfuͤhrung dieſer Grundſaͤtze ſich durch nichts erproben wuͤrde, ſo fiel ſie dadurch auf, daß die erſten Menſchenfreſſer dieſer Erde, den Schaafpelz dieſer Grundſaͤtze anziehen muͤßten, um dadurch zu ihrem Fraß zu gelangen, wie zu leſen in den Lobpreiſungen des Fleißes, der Betriebſamkeit, und der haͤuslichen Gluͤckſeligkeit, als den erſten Stuͤtzen des Staats, in Kabinetsor- dern und motivirten Befehlen beſtohlner Fuͤrſten an ausgeſogene Voͤlker. — Auch das fanden ſie, Arner waͤre nicht dahin gekommen, den Galgen abzuſchaffen, und in einem Dorf einen Steuerfond entſtehen zu ſehen, wenn er auf dieſe beſtimmte Endzwecke hin gearbeitet haͤtte; ſondern ſey eigentlich dadurch dahin gekommen, weil er nichts geſucht, als jeden einzeln Menſchen in ſei- nem Dorf fuͤr ſich ſelber, und fuͤr das Seinige in Ordnung zu bringen; und die weitern allgemeinen Geſichtspunkte ſeiner Dorfregierung nicht anderſt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/420
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/420>, abgerufen am 22.11.2024.