er izt noch hange, aber vielleicht nicht lange mehr hangen werde, wenigstens unter keinem Titel hin- passe. Das ist wohl wahr, sagte einer, der den Herzog recht gut kannte, und es nimmt mich Wun- der, wenn er ihn nicht einmal verbrennt, oder zum Fenster hinaus wirft -- und erzählte, wie er den Bauernbuben die Haare abschneide, wie er sie schön schreiben und Feldmessen lehre, indessen der blinde arme Vetter seimen eigenen Buben in der größesten Unwissenheit aufwachsen, und zu einem Bauern- tölpel werden lasse, daß weit und breit wohl kein größerer herum laufe; vergaß auch die schöne Frau nicht, die dem Herr Lieutenant sein Glück gemacht, und ihm die ganze saubere Schulordnung einge- richtet, und was das für ein Mustermensch sey, und wie es mit seinen Kindern umgehe, wenn etwa ei- nem ein Wort entrinne, das dem Hrn. Lieutenant und Kompagnie nicht anstehe, wenn es schon wahr sey.
Das gab dem Müßiggängervolk, das vom He- lidor schon auf diesen Ton gestimmt war, Stof, darüber sein Gespött zu treiben; und da sie meyn- ten, der Minister achte es nicht, und dem Liebling sey es Weihrauch, so thats jeder; man spöttelte am Spieltisch, man lächelte an der Tafel, man bemit- leidete in der Gesellschaft, man hönte laut unter vier Augen; die tiefste Niederträchtigkeit rühmte die Engelseele des Junkers, der sich zu solchen Narr-
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er izt noch hange, aber vielleicht nicht lange mehr hangen werde, wenigſtens unter keinem Titel hin- paſſe. Das iſt wohl wahr, ſagte einer, der den Herzog recht gut kannte, und es nimmt mich Wun- der, wenn er ihn nicht einmal verbrennt, oder zum Fenſter hinaus wirft — und erzaͤhlte, wie er den Bauernbuben die Haare abſchneide, wie er ſie ſchoͤn ſchreiben und Feldmeſſen lehre, indeſſen der blinde arme Vetter ſeimen eigenen Buben in der groͤßeſten Unwiſſenheit aufwachſen, und zu einem Bauern- toͤlpel werden laſſe, daß weit und breit wohl kein groͤßerer herum laufe; vergaß auch die ſchoͤne Frau nicht, die dem Herr Lieutenant ſein Gluͤck gemacht, und ihm die ganze ſaubere Schulordnung einge- richtet, und was das fuͤr ein Muſtermenſch ſey, und wie es mit ſeinen Kindern umgehe, wenn etwa ei- nem ein Wort entrinne, das dem Hrn. Lieutenant und Kompagnie nicht anſtehe, wenn es ſchon wahr ſey.
Das gab dem Muͤßiggaͤngervolk, das vom He- lidor ſchon auf dieſen Ton geſtimmt war, Stof, daruͤber ſein Geſpoͤtt zu treiben; und da ſie meyn- ten, der Miniſter achte es nicht, und dem Liebling ſey es Weihrauch, ſo thats jeder; man ſpoͤttelte am Spieltiſch, man laͤchelte an der Tafel, man bemit- leidete in der Geſellſchaft, man hoͤnte laut unter vier Augen; die tiefſte Niedertraͤchtigkeit ruͤhmte die Engelſeele des Junkers, der ſich zu ſolchen Narr-
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er izt noch hange, aber vielleicht nicht lange mehr
hangen werde, wenigſtens unter keinem Titel hin-
paſſe. Das iſt wohl wahr, ſagte einer, der den
Herzog recht gut kannte, und es nimmt mich Wun-
der, wenn er ihn nicht einmal verbrennt, oder zum
Fenſter hinaus wirft — und erzaͤhlte, wie er den
Bauernbuben die Haare abſchneide, wie er ſie ſchoͤn
ſchreiben und Feldmeſſen lehre, indeſſen der blinde
arme Vetter ſeimen eigenen Buben in der groͤßeſten
Unwiſſenheit aufwachſen, und zu einem Bauern-
toͤlpel werden laſſe, daß weit und breit wohl kein
groͤßerer herum laufe; vergaß auch die ſchoͤne Frau
nicht, die dem Herr Lieutenant ſein Gluͤck gemacht,
und ihm die ganze ſaubere Schulordnung einge-
richtet, und was das fuͤr ein Muſtermenſch ſey, und
wie es mit ſeinen Kindern umgehe, wenn etwa ei-
nem ein Wort entrinne, das dem Hrn. Lieutenant
und Kompagnie nicht anſtehe, wenn es ſchon wahr
ſey.
Das gab dem Muͤßiggaͤngervolk, das vom He-
lidor ſchon auf dieſen Ton geſtimmt war, Stof,
daruͤber ſein Geſpoͤtt zu treiben; und da ſie meyn-
ten, der Miniſter achte es nicht, und dem Liebling
ſey es Weihrauch, ſo thats jeder; man ſpoͤttelte am
Spieltiſch, man laͤchelte an der Tafel, man bemit-
leidete in der Geſellſchaft, man hoͤnte laut unter
vier Augen; die tiefſte Niedertraͤchtigkeit ruͤhmte die
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/409>, abgerufen am 22.11.2024.
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