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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

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Du bringst der ewigen Weisheit die Dumm-
heit der Gewaltigen, und des Ewigen Liebe die
bösen Gewissen der Mächtigen zum Opfer.

Du nimmst den Menschen in der Stunde ih-
rer Anbetung gefangen. --

Du entmannest die Söhne des Staats, und
machst den Priester zum König. --

Seit dem die Welt steht, hast du die Erde
erschüttert. --

Seit dem die Welt steht, hast du den Königen
Ketten gegeben wider den Menschen, und den
Menschen Schwerter wider die Könige. --

Wie in stillen Meeren ein sicheres Schif an
unsichtbaren Felsen scheitert, so scheitert die Mensch-
heit an unsichtbaren Klippen. --

Wie in den Eingeweiden der Bergen und Hü-
geln erkalteter Aschen ein Feuerstrom lebet und glü-
het, so lebet und glühet Unreine! in der Nacht dei-
nes unergründlichen Diensts das Feuer der wilden
Natur. --

An den Ketten des Aberglaubens stirbt nicht der
Leidenschaften Gewalt -- und der Sohn der Frey-
heit, und der König des Raubs, wird an den Al-
tären der Dummheit nicht reines Herzens -- und
der Lastern inneres Rasen hebt keine geheimnisrei-
che Weihe. --

Du bringſt der ewigen Weisheit die Dumm-
heit der Gewaltigen, und des Ewigen Liebe die
boͤſen Gewiſſen der Maͤchtigen zum Opfer.

Du nimmſt den Menſchen in der Stunde ih-
rer Anbetung gefangen. —

Du entmanneſt die Soͤhne des Staats, und
machſt den Prieſter zum Koͤnig. —

Seit dem die Welt ſteht, haſt du die Erde
erſchuͤttert. —

Seit dem die Welt ſteht, haſt du den Koͤnigen
Ketten gegeben wider den Menſchen, und den
Menſchen Schwerter wider die Koͤnige. —

Wie in ſtillen Meeren ein ſicheres Schif an
unſichtbaren Felſen ſcheitert, ſo ſcheitert die Menſch-
heit an unſichtbaren Klippen. —

Wie in den Eingeweiden der Bergen und Huͤ-
geln erkalteter Aſchen ein Feuerſtrom lebet und gluͤ-
het, ſo lebet und gluͤhet Unreine! in der Nacht dei-
nes unergruͤndlichen Dienſts das Feuer der wilden
Natur. —

An den Ketten des Aberglaubens ſtirbt nicht der
Leidenſchaften Gewalt — und der Sohn der Frey-
heit, und der Koͤnig des Raubs, wird an den Al-
taͤren der Dummheit nicht reines Herzens — und
der Laſtern inneres Raſen hebt keine geheimnisrei-
che Weihe. —

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[332/0350] Du bringſt der ewigen Weisheit die Dumm- heit der Gewaltigen, und des Ewigen Liebe die boͤſen Gewiſſen der Maͤchtigen zum Opfer. Du nimmſt den Menſchen in der Stunde ih- rer Anbetung gefangen. — Du entmanneſt die Soͤhne des Staats, und machſt den Prieſter zum Koͤnig. — Seit dem die Welt ſteht, haſt du die Erde erſchuͤttert. — Seit dem die Welt ſteht, haſt du den Koͤnigen Ketten gegeben wider den Menſchen, und den Menſchen Schwerter wider die Koͤnige. — Wie in ſtillen Meeren ein ſicheres Schif an unſichtbaren Felſen ſcheitert, ſo ſcheitert die Menſch- heit an unſichtbaren Klippen. — Wie in den Eingeweiden der Bergen und Huͤ- geln erkalteter Aſchen ein Feuerſtrom lebet und gluͤ- het, ſo lebet und gluͤhet Unreine! in der Nacht dei- nes unergruͤndlichen Dienſts das Feuer der wilden Natur. — An den Ketten des Aberglaubens ſtirbt nicht der Leidenſchaften Gewalt — und der Sohn der Frey- heit, und der Koͤnig des Raubs, wird an den Al- taͤren der Dummheit nicht reines Herzens — und der Laſtern inneres Raſen hebt keine geheimnisrei- che Weihe. —

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/350>, abgerufen am 27.04.2024.