Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

An einem solchen Tage erkannten die jungen
Leute die alte Bauerntracht wieder zu ihrer Hoffarts-
tracht zu machen.

Ein andermal erkannten sie, den Witwen im
Dorf in der Erndte ihre Aecker zu schneiden.

Wieder ein andermal ihren Großvätern, und
jedem grauen Mann, und jeder grauen Frau, meh-
rere Kennzeichen der Ehrerbietung zu geben, als
bisher die Uebung war, und sie niemals mehr in
der Kirche beym Herausgehen so ins Gedräng kom-
men zu lassen, sondern alle mit einander, wie eine
Mauer, still stehen zu bleiben, b[i]s die schwanken-
den Greise, und die zitternde Großmütter, außert
der Thüre heraus seyen.

Es ist nicht zu sagen, wie sehr das die Alten
gefreuet hat.

Eben so bog er ihren Hang zur Ruhe ins
Joch der gleichen Ordnung; reizte von allen Seiten
den Fleiß; trat der Trägheit mit aller Kraft seines
Fußtritts auf den Nacken. Die Freuden der Ruhe
wurden durch seine Gesezgebung Lohn der Arbeit,
Folgen der Ordnung, und Genuß von Erholung
nach mühsam angestrengten Kräften. Das Kind
fand sie nicht, bis es sein Tagwerk vollendet; und
Männer und Weiber, die das Werk ihres Lebens
in irgend einem Stück nachläßig thaten, verfolgte

das

An einem ſolchen Tage erkannten die jungen
Leute die alte Bauerntracht wieder zu ihrer Hoffarts-
tracht zu machen.

Ein andermal erkannten ſie, den Witwen im
Dorf in der Erndte ihre Aecker zu ſchneiden.

Wieder ein andermal ihren Großvaͤtern, und
jedem grauen Mann, und jeder grauen Frau, meh-
rere Kennzeichen der Ehrerbietung zu geben, als
bisher die Uebung war, und ſie niemals mehr in
der Kirche beym Herausgehen ſo ins Gedraͤng kom-
men zu laſſen, ſondern alle mit einander, wie eine
Mauer, ſtill ſtehen zu bleiben, b[i]s die ſchwanken-
den Greiſe, und die zitternde Großmuͤtter, außert
der Thuͤre heraus ſeyen.

Es iſt nicht zu ſagen, wie ſehr das die Alten
gefreuet hat.

Eben ſo bog er ihren Hang zur Ruhe ins
Joch der gleichen Ordnung; reizte von allen Seiten
den Fleiß; trat der Traͤgheit mit aller Kraft ſeines
Fußtritts auf den Nacken. Die Freuden der Ruhe
wurden durch ſeine Geſezgebung Lohn der Arbeit,
Folgen der Ordnung, und Genuß von Erholung
nach muͤhſam angeſtrengten Kraͤften. Das Kind
fand ſie nicht, bis es ſein Tagwerk vollendet; und
Maͤnner und Weiber, die das Werk ihres Lebens
in irgend einem Stuͤck nachlaͤßig thaten, verfolgte

das
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0338" n="320"/>
        <p>An einem &#x017F;olchen Tage erkannten die jungen<lb/>
Leute die alte Bauerntracht wieder zu ihrer Hoffarts-<lb/>
tracht zu machen.</p><lb/>
        <p>Ein andermal erkannten &#x017F;ie, den Witwen im<lb/>
Dorf in der Erndte ihre Aecker zu &#x017F;chneiden.</p><lb/>
        <p>Wieder ein andermal ihren Großva&#x0364;tern, und<lb/>
jedem grauen Mann, und jeder grauen Frau, meh-<lb/>
rere Kennzeichen der Ehrerbietung zu geben, als<lb/>
bisher die Uebung war, und &#x017F;ie niemals mehr in<lb/>
der Kirche beym Herausgehen &#x017F;o ins Gedra&#x0364;ng kom-<lb/>
men zu la&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ondern alle mit einander, wie eine<lb/>
Mauer, &#x017F;till &#x017F;tehen zu bleiben, b<supplied>i</supplied>s die &#x017F;chwanken-<lb/>
den Grei&#x017F;e, und die zitternde Großmu&#x0364;tter, außert<lb/>
der Thu&#x0364;re heraus &#x017F;eyen.</p><lb/>
        <p>Es i&#x017F;t nicht zu &#x017F;agen, wie &#x017F;ehr das die Alten<lb/>
gefreuet hat.</p><lb/>
        <p>Eben &#x017F;o bog er ihren Hang zur Ruhe ins<lb/>
Joch der gleichen Ordnung; reizte von allen Seiten<lb/>
den Fleiß; trat der Tra&#x0364;gheit mit aller Kraft &#x017F;eines<lb/>
Fußtritts auf den Nacken. Die Freuden der Ruhe<lb/>
wurden durch &#x017F;eine Ge&#x017F;ezgebung Lohn der Arbeit,<lb/>
Folgen der Ordnung, und Genuß von Erholung<lb/>
nach mu&#x0364;h&#x017F;am ange&#x017F;trengten Kra&#x0364;ften. Das Kind<lb/>
fand &#x017F;ie nicht, bis es &#x017F;ein Tagwerk vollendet; und<lb/>
Ma&#x0364;nner und Weiber, die das Werk ihres Lebens<lb/>
in irgend einem Stu&#x0364;ck nachla&#x0364;ßig thaten, verfolgte<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">das</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[320/0338] An einem ſolchen Tage erkannten die jungen Leute die alte Bauerntracht wieder zu ihrer Hoffarts- tracht zu machen. Ein andermal erkannten ſie, den Witwen im Dorf in der Erndte ihre Aecker zu ſchneiden. Wieder ein andermal ihren Großvaͤtern, und jedem grauen Mann, und jeder grauen Frau, meh- rere Kennzeichen der Ehrerbietung zu geben, als bisher die Uebung war, und ſie niemals mehr in der Kirche beym Herausgehen ſo ins Gedraͤng kom- men zu laſſen, ſondern alle mit einander, wie eine Mauer, ſtill ſtehen zu bleiben, bis die ſchwanken- den Greiſe, und die zitternde Großmuͤtter, außert der Thuͤre heraus ſeyen. Es iſt nicht zu ſagen, wie ſehr das die Alten gefreuet hat. Eben ſo bog er ihren Hang zur Ruhe ins Joch der gleichen Ordnung; reizte von allen Seiten den Fleiß; trat der Traͤgheit mit aller Kraft ſeines Fußtritts auf den Nacken. Die Freuden der Ruhe wurden durch ſeine Geſezgebung Lohn der Arbeit, Folgen der Ordnung, und Genuß von Erholung nach muͤhſam angeſtrengten Kraͤften. Das Kind fand ſie nicht, bis es ſein Tagwerk vollendet; und Maͤnner und Weiber, die das Werk ihres Lebens in irgend einem Stuͤck nachlaͤßig thaten, verfolgte das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/338
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/338>, abgerufen am 28.04.2024.