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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

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so fand er sein Haus bürgerlich gewischt und ge-
ziert; und der Herr des Hauses hatte Kräfte, den
bösen Geist an die reinliche Ordnung, die einmal
in seinem Haus Uebung war, zu gewöhnen, und
ihn allfällig, wenn er poltern wollte, an die Ket-
ten zu legen.

So wenig, als gegen den Diebstahl, wühlete
er blos im Sumpf; er legte seine Wasser tiefer,
und gab ihnen sichern Ablauf. Er erneuerte wieder
die alten Dorfsitten, die der Unschuld und dem spä-
ten Reifen der Kinder so nüzlich waren.

Therese redete mit den bescheidensten Frauen,
wie schädlich die neumodischen Geheimnismache-
reyen, und das Verbergen des Saugens in der
Wohnstube der Kinder sey, und wie viel unschul-
diger sie aufwachsen, wenn die Mütter hierüber
ohne Scheu ihre Pflicht thun; auch brachte sie es
dahin, daß eben diese Mütter, mit einem ganzen
Kreis erwachsener Töchter des Dorfs, die Ehren-
festigkeits-Regeln verabredeten, nach welchen eine
brave Tochter den Knaben, der sie in Ehren sucht,
Schritt für Schritt näher kommen lassen dörfte --
wie den neueingerissenen Frechheiten mit Wein und
Geschenken auf einmal, durch eine allgemeine Ab-
rede, abzuhelfen sey. -- Die Töchter lachten, und
den Knaben ward es ganz recht, daß einmal eine
Ordnung in ihr Weibersuchen hinein komme; sie fan-

U 4

ſo fand er ſein Haus buͤrgerlich gewiſcht und ge-
ziert; und der Herr des Hauſes hatte Kraͤfte, den
boͤſen Geiſt an die reinliche Ordnung, die einmal
in ſeinem Haus Uebung war, zu gewoͤhnen, und
ihn allfaͤllig, wenn er poltern wollte, an die Ket-
ten zu legen.

So wenig, als gegen den Diebſtahl, wuͤhlete
er blos im Sumpf; er legte ſeine Waſſer tiefer,
und gab ihnen ſichern Ablauf. Er erneuerte wieder
die alten Dorfſitten, die der Unſchuld und dem ſpaͤ-
ten Reifen der Kinder ſo nuͤzlich waren.

Thereſe redete mit den beſcheidenſten Frauen,
wie ſchaͤdlich die neumodiſchen Geheimnismache-
reyen, und das Verbergen des Saugens in der
Wohnſtube der Kinder ſey, und wie viel unſchul-
diger ſie aufwachſen, wenn die Muͤtter hieruͤber
ohne Scheu ihre Pflicht thun; auch brachte ſie es
dahin, daß eben dieſe Muͤtter, mit einem ganzen
Kreis erwachſener Toͤchter des Dorfs, die Ehren-
feſtigkeits-Regeln verabredeten, nach welchen eine
brave Tochter den Knaben, der ſie in Ehren ſucht,
Schritt fuͤr Schritt naͤher kommen laſſen doͤrfte —
wie den neueingeriſſenen Frechheiten mit Wein und
Geſchenken auf einmal, durch eine allgemeine Ab-
rede, abzuhelfen ſey. — Die Toͤchter lachten, und
den Knaben ward es ganz recht, daß einmal eine
Ordnung in ihr Weiberſuchen hinein komme; ſie fan-

U 4
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[311/0329] ſo fand er ſein Haus buͤrgerlich gewiſcht und ge- ziert; und der Herr des Hauſes hatte Kraͤfte, den boͤſen Geiſt an die reinliche Ordnung, die einmal in ſeinem Haus Uebung war, zu gewoͤhnen, und ihn allfaͤllig, wenn er poltern wollte, an die Ket- ten zu legen. So wenig, als gegen den Diebſtahl, wuͤhlete er blos im Sumpf; er legte ſeine Waſſer tiefer, und gab ihnen ſichern Ablauf. Er erneuerte wieder die alten Dorfſitten, die der Unſchuld und dem ſpaͤ- ten Reifen der Kinder ſo nuͤzlich waren. Thereſe redete mit den beſcheidenſten Frauen, wie ſchaͤdlich die neumodiſchen Geheimnismache- reyen, und das Verbergen des Saugens in der Wohnſtube der Kinder ſey, und wie viel unſchul- diger ſie aufwachſen, wenn die Muͤtter hieruͤber ohne Scheu ihre Pflicht thun; auch brachte ſie es dahin, daß eben dieſe Muͤtter, mit einem ganzen Kreis erwachſener Toͤchter des Dorfs, die Ehren- feſtigkeits-Regeln verabredeten, nach welchen eine brave Tochter den Knaben, der ſie in Ehren ſucht, Schritt fuͤr Schritt naͤher kommen laſſen doͤrfte — wie den neueingeriſſenen Frechheiten mit Wein und Geſchenken auf einmal, durch eine allgemeine Ab- rede, abzuhelfen ſey. — Die Toͤchter lachten, und den Knaben ward es ganz recht, daß einmal eine Ordnung in ihr Weiberſuchen hinein komme; ſie fan- U 4

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/329>, abgerufen am 27.04.2024.