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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

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nen zu theilen, ihm in seiner Gefangenschaft abzu-
warten, und so ihm auch einen Theil seiner Leiden
zu erleichtern, wie er ihm einen Theil seines Diebs-
und Schelmen-Lebens erleichtert.

Fand sich aber gar, daß einen solchen bestimmte
Verführungs-Handlungen zu einem Dieben gebil-
det, und ihn einer zu gottlosen, ehrvergessenen Hand-
lungen, entweder in seinen Dienst misbraucht,
oder ihn um Geld dazu gedungen, oder ihm mit
Wissen Vorschub dazu gethan, so ward der gesezlich
verurtheilt, für die Gefahr, welcher die menschli-
che Gesellschaft von einem solchen notorisch ver-
führten Menschen ausgesezt ist, zu haften, und
nach Maßgebung der Umstände der Obrigkeit zu
helfen, daß er versorgt, und die Gesellschaft vor
ihm sicher gestellt werde.

Ueberhaupt aber bestimmte er die Strafe des
Diebstahls nichts weniger, als nach dem Geldwerth
des Gestohlenen, der meistens zufällig ist; sondern
hauptsächlich nach dem Grad des Lumpen- und
Tagdieben-Lebens, dessen der Dieb schuldig erfun-
den worden.

Es ist nicht sowohl der Raub eines elenden
Stück Geldes, als das Austreten aus dem Gleis
der bürgerlichen Ordnung, was den Menschen ei-
gentlich entehrt; darum brauchte er weder Strick

noch

nen zu theilen, ihm in ſeiner Gefangenſchaft abzu-
warten, und ſo ihm auch einen Theil ſeiner Leiden
zu erleichtern, wie er ihm einen Theil ſeines Diebs-
und Schelmen-Lebens erleichtert.

Fand ſich aber gar, daß einen ſolchen beſtimmte
Verfuͤhrungs-Handlungen zu einem Dieben gebil-
det, und ihn einer zu gottloſen, ehrvergeſſenen Hand-
lungen, entweder in ſeinen Dienſt misbraucht,
oder ihn um Geld dazu gedungen, oder ihm mit
Wiſſen Vorſchub dazu gethan, ſo ward der geſezlich
verurtheilt, fuͤr die Gefahr, welcher die menſchli-
che Geſellſchaft von einem ſolchen notoriſch ver-
fuͤhrten Menſchen ausgeſezt iſt, zu haften, und
nach Maßgebung der Umſtaͤnde der Obrigkeit zu
helfen, daß er verſorgt, und die Geſellſchaft vor
ihm ſicher geſtellt werde.

Ueberhaupt aber beſtimmte er die Strafe des
Diebſtahls nichts weniger, als nach dem Geldwerth
des Geſtohlenen, der meiſtens zufaͤllig iſt; ſondern
hauptſaͤchlich nach dem Grad des Lumpen- und
Tagdieben-Lebens, deſſen der Dieb ſchuldig erfun-
den worden.

Es iſt nicht ſowohl der Raub eines elenden
Stuͤck Geldes, als das Austreten aus dem Gleis
der buͤrgerlichen Ordnung, was den Menſchen ei-
gentlich entehrt; darum brauchte er weder Strick

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[304/0322] nen zu theilen, ihm in ſeiner Gefangenſchaft abzu- warten, und ſo ihm auch einen Theil ſeiner Leiden zu erleichtern, wie er ihm einen Theil ſeines Diebs- und Schelmen-Lebens erleichtert. Fand ſich aber gar, daß einen ſolchen beſtimmte Verfuͤhrungs-Handlungen zu einem Dieben gebil- det, und ihn einer zu gottloſen, ehrvergeſſenen Hand- lungen, entweder in ſeinen Dienſt misbraucht, oder ihn um Geld dazu gedungen, oder ihm mit Wiſſen Vorſchub dazu gethan, ſo ward der geſezlich verurtheilt, fuͤr die Gefahr, welcher die menſchli- che Geſellſchaft von einem ſolchen notoriſch ver- fuͤhrten Menſchen ausgeſezt iſt, zu haften, und nach Maßgebung der Umſtaͤnde der Obrigkeit zu helfen, daß er verſorgt, und die Geſellſchaft vor ihm ſicher geſtellt werde. Ueberhaupt aber beſtimmte er die Strafe des Diebſtahls nichts weniger, als nach dem Geldwerth des Geſtohlenen, der meiſtens zufaͤllig iſt; ſondern hauptſaͤchlich nach dem Grad des Lumpen- und Tagdieben-Lebens, deſſen der Dieb ſchuldig erfun- den worden. Es iſt nicht ſowohl der Raub eines elenden Stuͤck Geldes, als das Austreten aus dem Gleis der buͤrgerlichen Ordnung, was den Menſchen ei- gentlich entehrt; darum brauchte er weder Strick noch

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/322>, abgerufen am 28.04.2024.