Theilen richtiger ein, was seine Umstände erleiden mögen, und was sie nicht erleiden mögen. Und die unvernünftige Hoffart der Armen, sich in Klei- dung, Essen und Trinken den Reichen gleich zu stellen, nahm sichtbar ab; man schämte sich das zu scheinen, was jedermann wußte, das man es nicht war; man ward darob ausgelacht; denn die Kinder machten in der Schule sich nichts daraus, dem ersten besten, das also Hoffart spiegelte, zu sagen: du hättest dein Geld leicht an etwas bessers anwenden können, als an dergleichen Narrenzeug; und er hatte im Dorf unter allen Leuten das Sprüchwort aufbringen können: Seine Kinder wohl setzen, sey die beste Hoffart.
So griff er der Quelle des Diebstahls, der Unordnung, der Rechnungslosigkeit und Liederlich- keit von allen Seiten ans Herz.
Wer seine Wirthschaft nicht wohl verwaltete -- wer keinen täglichen Verdienst hatte, und sich einrichtete, daß man ihm vorrechnen konnte, daß er mehr ausgebe, als er einnahm; wer sich in Händel mischte, die ihn nichts angiengen, wer fremden Leuten Unterschlauf gab, wer bey ver- schlossenen Thüren spielte, kurz, wer sich durch er- wiesene Handlungen verdächtig und gefährlich er- zeigte, der ward auch von Obrigkeits wegen für gefährlich und verdächtig geachtet; und wenn er
Theilen richtiger ein, was ſeine Umſtaͤnde erleiden moͤgen, und was ſie nicht erleiden moͤgen. Und die unvernuͤnftige Hoffart der Armen, ſich in Klei- dung, Eſſen und Trinken den Reichen gleich zu ſtellen, nahm ſichtbar ab; man ſchaͤmte ſich das zu ſcheinen, was jedermann wußte, das man es nicht war; man ward darob ausgelacht; denn die Kinder machten in der Schule ſich nichts daraus, dem erſten beſten, das alſo Hoffart ſpiegelte, zu ſagen: du haͤtteſt dein Geld leicht an etwas beſſers anwenden koͤnnen, als an dergleichen Narrenzeug; und er hatte im Dorf unter allen Leuten das Spruͤchwort aufbringen koͤnnen: Seine Kinder wohl ſetzen, ſey die beſte Hoffart.
So griff er der Quelle des Diebſtahls, der Unordnung, der Rechnungsloſigkeit und Liederlich- keit von allen Seiten ans Herz.
Wer ſeine Wirthſchaft nicht wohl verwaltete — wer keinen taͤglichen Verdienſt hatte, und ſich einrichtete, daß man ihm vorrechnen konnte, daß er mehr ausgebe, als er einnahm; wer ſich in Haͤndel miſchte, die ihn nichts angiengen, wer fremden Leuten Unterſchlauf gab, wer bey ver- ſchloſſenen Thuͤren ſpielte, kurz, wer ſich durch er- wieſene Handlungen verdaͤchtig und gefaͤhrlich er- zeigte, der ward auch von Obrigkeits wegen fuͤr gefaͤhrlich und verdaͤchtig geachtet; und wenn er
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0318"n="300"/>
Theilen richtiger ein, was ſeine Umſtaͤnde erleiden<lb/>
moͤgen, und was ſie nicht erleiden moͤgen. Und<lb/>
die unvernuͤnftige Hoffart der Armen, ſich in Klei-<lb/>
dung, Eſſen und Trinken den Reichen gleich zu<lb/>ſtellen, nahm ſichtbar ab; man ſchaͤmte ſich das<lb/>
zu ſcheinen, was jedermann wußte, das man es<lb/>
nicht war; man ward darob ausgelacht; denn die<lb/>
Kinder machten in der Schule ſich nichts daraus,<lb/>
dem erſten beſten, das alſo Hoffart ſpiegelte, zu<lb/>ſagen: du haͤtteſt dein Geld leicht an etwas beſſers<lb/>
anwenden koͤnnen, als an dergleichen Narrenzeug;<lb/>
und er hatte im Dorf unter allen Leuten das<lb/>
Spruͤchwort aufbringen koͤnnen: Seine Kinder wohl<lb/>ſetzen, ſey die beſte Hoffart.</p><lb/><p>So griff er der Quelle des Diebſtahls, der<lb/>
Unordnung, der Rechnungsloſigkeit und Liederlich-<lb/>
keit von allen Seiten ans Herz.</p><lb/><p>Wer ſeine Wirthſchaft nicht wohl verwaltete<lb/>— wer keinen taͤglichen Verdienſt hatte, und ſich<lb/>
einrichtete, daß man ihm vorrechnen konnte, daß<lb/>
er mehr ausgebe, als er einnahm; wer ſich in<lb/>
Haͤndel miſchte, die ihn nichts angiengen, wer<lb/>
fremden Leuten Unterſchlauf gab, wer bey ver-<lb/>ſchloſſenen Thuͤren ſpielte, kurz, wer ſich durch er-<lb/>
wieſene Handlungen verdaͤchtig und gefaͤhrlich er-<lb/>
zeigte, der ward auch von Obrigkeits wegen fuͤr<lb/>
gefaͤhrlich und verdaͤchtig geachtet; und wenn er<lb/></p></div></body></text></TEI>
[300/0318]
Theilen richtiger ein, was ſeine Umſtaͤnde erleiden
moͤgen, und was ſie nicht erleiden moͤgen. Und
die unvernuͤnftige Hoffart der Armen, ſich in Klei-
dung, Eſſen und Trinken den Reichen gleich zu
ſtellen, nahm ſichtbar ab; man ſchaͤmte ſich das
zu ſcheinen, was jedermann wußte, das man es
nicht war; man ward darob ausgelacht; denn die
Kinder machten in der Schule ſich nichts daraus,
dem erſten beſten, das alſo Hoffart ſpiegelte, zu
ſagen: du haͤtteſt dein Geld leicht an etwas beſſers
anwenden koͤnnen, als an dergleichen Narrenzeug;
und er hatte im Dorf unter allen Leuten das
Spruͤchwort aufbringen koͤnnen: Seine Kinder wohl
ſetzen, ſey die beſte Hoffart.
So griff er der Quelle des Diebſtahls, der
Unordnung, der Rechnungsloſigkeit und Liederlich-
keit von allen Seiten ans Herz.
Wer ſeine Wirthſchaft nicht wohl verwaltete
— wer keinen taͤglichen Verdienſt hatte, und ſich
einrichtete, daß man ihm vorrechnen konnte, daß
er mehr ausgebe, als er einnahm; wer ſich in
Haͤndel miſchte, die ihn nichts angiengen, wer
fremden Leuten Unterſchlauf gab, wer bey ver-
ſchloſſenen Thuͤren ſpielte, kurz, wer ſich durch er-
wieſene Handlungen verdaͤchtig und gefaͤhrlich er-
zeigte, der ward auch von Obrigkeits wegen fuͤr
gefaͤhrlich und verdaͤchtig geachtet; und wenn er
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/318>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.