Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

kappen-Gerechtigkeit, die in ihrer Sorgfalt dem
gemeinen Mann im Land den Genuß der Verdien-
sten seiner Vordern auf Kind und Kindskind hin-
unter sicher zu stellen, nicht weiter geht, als zu
trachten, daß ihm nicht leicht etwas gestohlen wer-
de; und hingegen jedem Hausvater, der seinen
Kindern den Verdienst seiner Vordern zu Grund
richtet, unter dem Titel des heiligen Eigenthums-
recht, Thür und Thor dazu aufthut, eine solche
Nachtkappen-Gerechtigkeit lasse die ersten Quellen
des bürgerlichen Wohlstands zum bodenlosen Sumpf
werden, und mache anbey den armen Leuten, die
mit Lebensgefahr über diesen Sumpf wandeln
müssen, dann am Ende desselben das Anerbieten,
ihnen dann die Schuhe zu putzen, die ihnen in die-
sem Morast kothig geworden, wo sie sich nemlich
an der Zollstätte dafür anmelden, und die Schuh-
putzergebühr bezahlen, oder verbürgen.

Er behauptete, es sey ein abscheulicher, und
den ersten Endzwecken der bürgerlichen Verbindung
geradezu widerstreitender, und alle wahre Segens-
kräfte der gesellschaftlichen Bande zerstörender
Grundsatz, die Regierung und Richterstühle seyen
nicht schuldig, einem jeden Narren zu hüten, der
zu dem Seinigen nicht Sorge trage, und es gern
einem andern überlassen möge, weil es dem Staat
gleichgültig sey, ob der Hans oder Heiri im Land
reich sey.

kappen-Gerechtigkeit, die in ihrer Sorgfalt dem
gemeinen Mann im Land den Genuß der Verdien-
ſten ſeiner Vordern auf Kind und Kindskind hin-
unter ſicher zu ſtellen, nicht weiter geht, als zu
trachten, daß ihm nicht leicht etwas geſtohlen wer-
de; und hingegen jedem Hausvater, der ſeinen
Kindern den Verdienſt ſeiner Vordern zu Grund
richtet, unter dem Titel des heiligen Eigenthums-
recht, Thuͤr und Thor dazu aufthut, eine ſolche
Nachtkappen-Gerechtigkeit laſſe die erſten Quellen
des buͤrgerlichen Wohlſtands zum bodenloſen Sumpf
werden, und mache anbey den armen Leuten, die
mit Lebensgefahr uͤber dieſen Sumpf wandeln
muͤſſen, dann am Ende deſſelben das Anerbieten,
ihnen dann die Schuhe zu putzen, die ihnen in die-
ſem Moraſt kothig geworden, wo ſie ſich nemlich
an der Zollſtaͤtte dafuͤr anmelden, und die Schuh-
putzergebuͤhr bezahlen, oder verbuͤrgen.

Er behauptete, es ſey ein abſcheulicher, und
den erſten Endzwecken der buͤrgerlichen Verbindung
geradezu widerſtreitender, und alle wahre Segens-
kraͤfte der geſellſchaftlichen Bande zerſtoͤrender
Grundſatz, die Regierung und Richterſtuͤhle ſeyen
nicht ſchuldig, einem jeden Narren zu huͤten, der
zu dem Seinigen nicht Sorge trage, und es gern
einem andern uͤberlaſſen moͤge, weil es dem Staat
gleichguͤltig ſey, ob der Hans oder Heiri im Land
reich ſey.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0294" n="276"/>
kappen-Gerechtigkeit, die in ihrer Sorgfalt dem<lb/>
gemeinen Mann im Land den Genuß der Verdien-<lb/>
&#x017F;ten &#x017F;einer Vordern auf Kind und Kindskind hin-<lb/>
unter &#x017F;icher zu &#x017F;tellen, nicht weiter geht, als zu<lb/>
trachten, daß ihm nicht leicht etwas ge&#x017F;tohlen wer-<lb/>
de; und hingegen jedem Hausvater, der &#x017F;einen<lb/>
Kindern den Verdien&#x017F;t &#x017F;einer Vordern zu Grund<lb/>
richtet, unter dem Titel des heiligen Eigenthums-<lb/>
recht, Thu&#x0364;r und Thor dazu aufthut, eine &#x017F;olche<lb/>
Nachtkappen-Gerechtigkeit la&#x017F;&#x017F;e die er&#x017F;ten Quellen<lb/>
des bu&#x0364;rgerlichen Wohl&#x017F;tands zum bodenlo&#x017F;en Sumpf<lb/>
werden, und mache anbey den armen Leuten, die<lb/>
mit Lebensgefahr u&#x0364;ber die&#x017F;en Sumpf wandeln<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, dann am Ende de&#x017F;&#x017F;elben das Anerbieten,<lb/>
ihnen dann die Schuhe zu putzen, die ihnen in die-<lb/>
&#x017F;em Mora&#x017F;t kothig geworden, wo &#x017F;ie &#x017F;ich nemlich<lb/>
an der Zoll&#x017F;ta&#x0364;tte dafu&#x0364;r anmelden, und die Schuh-<lb/>
putzergebu&#x0364;hr bezahlen, oder verbu&#x0364;rgen.</p><lb/>
        <p>Er behauptete, es &#x017F;ey ein ab&#x017F;cheulicher, und<lb/>
den er&#x017F;ten Endzwecken der bu&#x0364;rgerlichen Verbindung<lb/>
geradezu wider&#x017F;treitender, und alle wahre Segens-<lb/>
kra&#x0364;fte der ge&#x017F;ell&#x017F;chaftlichen Bande zer&#x017F;to&#x0364;render<lb/>
Grund&#x017F;atz, die Regierung und Richter&#x017F;tu&#x0364;hle &#x017F;eyen<lb/>
nicht &#x017F;chuldig, einem jeden Narren zu hu&#x0364;ten, der<lb/>
zu dem Seinigen nicht Sorge trage, und es gern<lb/>
einem andern u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en mo&#x0364;ge, weil es dem Staat<lb/>
gleichgu&#x0364;ltig &#x017F;ey, ob der Hans oder Heiri im Land<lb/>
reich &#x017F;ey.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[276/0294] kappen-Gerechtigkeit, die in ihrer Sorgfalt dem gemeinen Mann im Land den Genuß der Verdien- ſten ſeiner Vordern auf Kind und Kindskind hin- unter ſicher zu ſtellen, nicht weiter geht, als zu trachten, daß ihm nicht leicht etwas geſtohlen wer- de; und hingegen jedem Hausvater, der ſeinen Kindern den Verdienſt ſeiner Vordern zu Grund richtet, unter dem Titel des heiligen Eigenthums- recht, Thuͤr und Thor dazu aufthut, eine ſolche Nachtkappen-Gerechtigkeit laſſe die erſten Quellen des buͤrgerlichen Wohlſtands zum bodenloſen Sumpf werden, und mache anbey den armen Leuten, die mit Lebensgefahr uͤber dieſen Sumpf wandeln muͤſſen, dann am Ende deſſelben das Anerbieten, ihnen dann die Schuhe zu putzen, die ihnen in die- ſem Moraſt kothig geworden, wo ſie ſich nemlich an der Zollſtaͤtte dafuͤr anmelden, und die Schuh- putzergebuͤhr bezahlen, oder verbuͤrgen. Er behauptete, es ſey ein abſcheulicher, und den erſten Endzwecken der buͤrgerlichen Verbindung geradezu widerſtreitender, und alle wahre Segens- kraͤfte der geſellſchaftlichen Bande zerſtoͤrender Grundſatz, die Regierung und Richterſtuͤhle ſeyen nicht ſchuldig, einem jeden Narren zu huͤten, der zu dem Seinigen nicht Sorge trage, und es gern einem andern uͤberlaſſen moͤge, weil es dem Staat gleichguͤltig ſey, ob der Hans oder Heiri im Land reich ſey.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/294
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/294>, abgerufen am 22.11.2024.