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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

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den- und Zigeunervolk vergleichen sollte, und sagten
noch einmal, es seyen gewiß blutwenige Leute un-
ter ihnen, denen es nicht Ernst sey mit ihm und
dem Junker. Er antwortete ihnen, "Er habe sie
nicht mit Zigeuner- und Heidenvolk verglichen, son-
dern nur ihre Ordnung; so könnte er die grösten
Herren mit dergleichen Volk vergleichen wie sie; es
sey nur davon die Rede, ob die eingewurzelte Un-
ordnung das Gemüth des Menschen nicht von der
Liebe und Dank gegen Leute ablenke, die gern rechte
Ordnung hätten."

Sie gaben das wohl zu, aber meynten dabey,
auch das treffe sie nicht einmal stark; er sagte ih-
nen aber darauf, ihr zwinget mich, daß ichs euch
doch sagen muß; erinnert euch, was für Sachen
in euerm Dorf geschehen, und was für Reden ge-
flossen sind, da man bey euch meynte, der Junker
komme nicht mehr auf. Die Worte "strenge Her-
ren werden nie alt"; wieder, "es scheint doch
nicht Gotts Wille, daß alles nach seinem Kopf ge-
he"; wieder, "es wird einmal viel anderst wer-
den, wenn er die Augen zuthut." -- Erinnert
euch nur dessen, und saget mir, ob ihr selber glau-
bet, das alles hätte so vorfallen und geredt werden
können, wie es geschehen und geredt worden ist,
wenn nicht hundert und hundert dergleichen ver-
steckte Jauner- und Zigeuner-Gelüste der Grund
dazu gewesen.

den- und Zigeunervolk vergleichen ſollte, und ſagten
noch einmal, es ſeyen gewiß blutwenige Leute un-
ter ihnen, denen es nicht Ernſt ſey mit ihm und
dem Junker. Er antwortete ihnen, „Er habe ſie
nicht mit Zigeuner- und Heidenvolk verglichen, ſon-
dern nur ihre Ordnung; ſo koͤnnte er die groͤſten
Herren mit dergleichen Volk vergleichen wie ſie; es
ſey nur davon die Rede, ob die eingewurzelte Un-
ordnung das Gemuͤth des Menſchen nicht von der
Liebe und Dank gegen Leute ablenke, die gern rechte
Ordnung haͤtten.“

Sie gaben das wohl zu, aber meynten dabey,
auch das treffe ſie nicht einmal ſtark; er ſagte ih-
nen aber darauf, ihr zwinget mich, daß ichs euch
doch ſagen muß; erinnert euch, was fuͤr Sachen
in euerm Dorf geſchehen, und was fuͤr Reden ge-
floſſen ſind, da man bey euch meynte, der Junker
komme nicht mehr auf. Die Worte „ſtrenge Her-
ren werden nie alt“; wieder, „es ſcheint doch
nicht Gotts Wille, daß alles nach ſeinem Kopf ge-
he“; wieder, „es wird einmal viel anderſt wer-
den, wenn er die Augen zuthut.“ — Erinnert
euch nur deſſen, und ſaget mir, ob ihr ſelber glau-
bet, das alles haͤtte ſo vorfallen und geredt werden
koͤnnen, wie es geſchehen und geredt worden iſt,
wenn nicht hundert und hundert dergleichen ver-
ſteckte Jauner- und Zigeuner-Geluͤſte der Grund
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[235/0253] den- und Zigeunervolk vergleichen ſollte, und ſagten noch einmal, es ſeyen gewiß blutwenige Leute un- ter ihnen, denen es nicht Ernſt ſey mit ihm und dem Junker. Er antwortete ihnen, „Er habe ſie nicht mit Zigeuner- und Heidenvolk verglichen, ſon- dern nur ihre Ordnung; ſo koͤnnte er die groͤſten Herren mit dergleichen Volk vergleichen wie ſie; es ſey nur davon die Rede, ob die eingewurzelte Un- ordnung das Gemuͤth des Menſchen nicht von der Liebe und Dank gegen Leute ablenke, die gern rechte Ordnung haͤtten.“ Sie gaben das wohl zu, aber meynten dabey, auch das treffe ſie nicht einmal ſtark; er ſagte ih- nen aber darauf, ihr zwinget mich, daß ichs euch doch ſagen muß; erinnert euch, was fuͤr Sachen in euerm Dorf geſchehen, und was fuͤr Reden ge- floſſen ſind, da man bey euch meynte, der Junker komme nicht mehr auf. Die Worte „ſtrenge Her- ren werden nie alt“; wieder, „es ſcheint doch nicht Gotts Wille, daß alles nach ſeinem Kopf ge- he“; wieder, „es wird einmal viel anderſt wer- den, wenn er die Augen zuthut.“ — Erinnert euch nur deſſen, und ſaget mir, ob ihr ſelber glau- bet, das alles haͤtte ſo vorfallen und geredt werden koͤnnen, wie es geſchehen und geredt worden iſt, wenn nicht hundert und hundert dergleichen ver- ſteckte Jauner- und Zigeuner-Geluͤſte der Grund dazu geweſen.

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/253>, abgerufen am 07.05.2024.