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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

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einmal Wachtelnrecht -- und wo sie das nicht habe,
so gehe dann auch verloren, wie alles, was man
gar nichts achte, verloren gehe. --

Sie behaupteten, der Unzucht Unordnungen,
vom Eheschimpf *) an bis zum Kindermord, löse
sich nirgend als in diesem Punkte auf, und vergli-
chen die Art und Weise, wie viele Herrschaften mit
der Ehre im Lande umgehen, dem Feuer einer Lam-
pe, das alles Oel aus ihr herausziehe und esse,
aber wenn es das Oel aufgezehrt habe, dann auch sel-
ber erlösche; und so meynten die Bauern, brennen
die Herrschaften, die die gemeine Landesehre nicht
achten, sich selber in ihren Ehrenampelen **) auch
zu tod.

Sie konnten nicht genug erzählen, was für
ein Unterschied in Ehrensachen zwischen der itzigen
und alten Zeit gewesen, wann ein Knab einer Toch-
ter etwas Gefährliches und Beleidigendes zugemu-
thet habe, und sie sich nur ein Wort bey ihren Ge-
spielen davon habe verlauten lassen, er sey nicht



*) (Anmerkungen.) Eheschimpf ist die
Beleidigung, auf mehr oder minder rechtliche
Art die Ehe zu versprechen, und dann sein
Wort nicht zu halten.
**) Ampele ist die gemeinste, schlechteste Art
von Oellampen.

einmal Wachtelnrecht — und wo ſie das nicht habe,
ſo gehe dann auch verloren, wie alles, was man
gar nichts achte, verloren gehe. —

Sie behaupteten, der Unzucht Unordnungen,
vom Eheſchimpf *) an bis zum Kindermord, loͤſe
ſich nirgend als in dieſem Punkte auf, und vergli-
chen die Art und Weiſe, wie viele Herrſchaften mit
der Ehre im Lande umgehen, dem Feuer einer Lam-
pe, das alles Oel aus ihr herausziehe und eſſe,
aber wenn es das Oel aufgezehrt habe, dann auch ſel-
ber erloͤſche; und ſo meynten die Bauern, brennen
die Herrſchaften, die die gemeine Landesehre nicht
achten, ſich ſelber in ihren Ehrenampelen **) auch
zu tod.

Sie konnten nicht genug erzaͤhlen, was fuͤr
ein Unterſchied in Ehrenſachen zwiſchen der itzigen
und alten Zeit geweſen, wann ein Knab einer Toch-
ter etwas Gefaͤhrliches und Beleidigendes zugemu-
thet habe, und ſie ſich nur ein Wort bey ihren Ge-
ſpielen davon habe verlauten laſſen, er ſey nicht



*) (Anmerkungen.) Eheſchimpf iſt die
Beleidigung, auf mehr oder minder rechtliche
Art die Ehe zu verſprechen, und dann ſein
Wort nicht zu halten.
**) Ampele iſt die gemeinſte, ſchlechteſte Art
von Oellampen.
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[191/0209] einmal Wachtelnrecht — und wo ſie das nicht habe, ſo gehe dann auch verloren, wie alles, was man gar nichts achte, verloren gehe. — Sie behaupteten, der Unzucht Unordnungen, vom Eheſchimpf *) an bis zum Kindermord, loͤſe ſich nirgend als in dieſem Punkte auf, und vergli- chen die Art und Weiſe, wie viele Herrſchaften mit der Ehre im Lande umgehen, dem Feuer einer Lam- pe, das alles Oel aus ihr herausziehe und eſſe, aber wenn es das Oel aufgezehrt habe, dann auch ſel- ber erloͤſche; und ſo meynten die Bauern, brennen die Herrſchaften, die die gemeine Landesehre nicht achten, ſich ſelber in ihren Ehrenampelen **) auch zu tod. Sie konnten nicht genug erzaͤhlen, was fuͤr ein Unterſchied in Ehrenſachen zwiſchen der itzigen und alten Zeit geweſen, wann ein Knab einer Toch- ter etwas Gefaͤhrliches und Beleidigendes zugemu- thet habe, und ſie ſich nur ein Wort bey ihren Ge- ſpielen davon habe verlauten laſſen, er ſey nicht *) (Anmerkungen.) Eheſchimpf iſt die Beleidigung, auf mehr oder minder rechtliche Art die Ehe zu verſprechen, und dann ſein Wort nicht zu halten. **) Ampele iſt die gemeinſte, ſchlechteſte Art von Oellampen.

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/209>, abgerufen am 24.04.2024.