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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

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Unordnungen des Geschlechttriebs abzuhelfen, wenn
man nicht mache, daß die Töchtern mehr werden
als dergleichen Gluckthiere. Man müsse ihnen,
wenn man das wolle, von Jugend auf den Kopf
wohl mit der Wirthschaft anfüllen, und es trach-
ten dahin zu bringen, daß sie mit anhaltender Ar-
beit, Uebung im Ueberlegen, im Ausrechnen, und
in allen Arten von häuslichen Aufmerksamkeiten
verbinden -- und zugleich einen Ehreifer in sie
hineinbringe, daß keine in keiner Art von Weiber-
arbeit, und in keinem Stück der Haushaltungs-
kunst die Hinterste seyn wolle; und es sey in dieser
Absicht gar viel daran gelegen, daß sie bey ihrer
Landtracht bleiben, und sich nicht eine jede vor der
andern mit ihrer Decke mehr unterscheiden könne
als mit ihrer Arbeit, und mit ihrem Verdienst;
man sollte alles thun, diejenigen zum Gespött zu
machen, die eine besondere Hoffart (Pracht) treiben,
und damit zeigen, daß sie mehr als die andern nöthig
haben sich feil zu bieten. Einer meynte, man sollte
Lieder über sie machen, und ihnen darinn sagen,
daß die Juden es mit alten bauchstößigen, faulen
und hirnmüthigen Rossen just auch so machen, und
sie mit Bändern am Hals und Kopf so sonderlich
und wunderlich ausstafirt auf den Markt bringen,
wie kein recht und gerechtes Roß dahin komme --
aber ein gescheider Händler gehe zu einem so ge-
zeichneten Judenthier nicht einmal hinzu -- es

Unordnungen des Geſchlechttriebs abzuhelfen, wenn
man nicht mache, daß die Toͤchtern mehr werden
als dergleichen Gluckthiere. Man muͤſſe ihnen,
wenn man das wolle, von Jugend auf den Kopf
wohl mit der Wirthſchaft anfuͤllen, und es trach-
ten dahin zu bringen, daß ſie mit anhaltender Ar-
beit, Uebung im Ueberlegen, im Ausrechnen, und
in allen Arten von haͤuslichen Aufmerkſamkeiten
verbinden — und zugleich einen Ehreifer in ſie
hineinbringe, daß keine in keiner Art von Weiber-
arbeit, und in keinem Stuͤck der Haushaltungs-
kunſt die Hinterſte ſeyn wolle; und es ſey in dieſer
Abſicht gar viel daran gelegen, daß ſie bey ihrer
Landtracht bleiben, und ſich nicht eine jede vor der
andern mit ihrer Decke mehr unterſcheiden koͤnne
als mit ihrer Arbeit, und mit ihrem Verdienſt;
man ſollte alles thun, diejenigen zum Geſpoͤtt zu
machen, die eine beſondere Hoffart (Pracht) treiben,
und damit zeigen, daß ſie mehr als die andern noͤthig
haben ſich feil zu bieten. Einer meynte, man ſollte
Lieder uͤber ſie machen, und ihnen darinn ſagen,
daß die Juden es mit alten bauchſtoͤßigen, faulen
und hirnmuͤthigen Roſſen juſt auch ſo machen, und
ſie mit Baͤndern am Hals und Kopf ſo ſonderlich
und wunderlich ausſtafirt auf den Markt bringen,
wie kein recht und gerechtes Roß dahin komme —
aber ein geſcheider Haͤndler gehe zu einem ſo ge-
zeichneten Judenthier nicht einmal hinzu — es

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[186/0204] Unordnungen des Geſchlechttriebs abzuhelfen, wenn man nicht mache, daß die Toͤchtern mehr werden als dergleichen Gluckthiere. Man muͤſſe ihnen, wenn man das wolle, von Jugend auf den Kopf wohl mit der Wirthſchaft anfuͤllen, und es trach- ten dahin zu bringen, daß ſie mit anhaltender Ar- beit, Uebung im Ueberlegen, im Ausrechnen, und in allen Arten von haͤuslichen Aufmerkſamkeiten verbinden — und zugleich einen Ehreifer in ſie hineinbringe, daß keine in keiner Art von Weiber- arbeit, und in keinem Stuͤck der Haushaltungs- kunſt die Hinterſte ſeyn wolle; und es ſey in dieſer Abſicht gar viel daran gelegen, daß ſie bey ihrer Landtracht bleiben, und ſich nicht eine jede vor der andern mit ihrer Decke mehr unterſcheiden koͤnne als mit ihrer Arbeit, und mit ihrem Verdienſt; man ſollte alles thun, diejenigen zum Geſpoͤtt zu machen, die eine beſondere Hoffart (Pracht) treiben, und damit zeigen, daß ſie mehr als die andern noͤthig haben ſich feil zu bieten. Einer meynte, man ſollte Lieder uͤber ſie machen, und ihnen darinn ſagen, daß die Juden es mit alten bauchſtoͤßigen, faulen und hirnmuͤthigen Roſſen juſt auch ſo machen, und ſie mit Baͤndern am Hals und Kopf ſo ſonderlich und wunderlich ausſtafirt auf den Markt bringen, wie kein recht und gerechtes Roß dahin komme — aber ein geſcheider Haͤndler gehe zu einem ſo ge- zeichneten Judenthier nicht einmal hinzu — es

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/204>, abgerufen am 25.04.2024.