seine natürliche Freyheit behaupten, und außer dem Gleis der bürgerlichen Ordnung zur Befriedi- gung seiner Naturtrieben gelangen können, das alles fachet in jedem Fall den Funken der Empö- rung gegen diese Kette, der tief in der Natur liegt, von neuem wieder an -- das alles belebt in jedem Fall die nie in uns sterbende Keime unserer ersten Triebe, und schwäch[t] in jedem Fall von neuem die Kräfte unserer bürgerlichen Bildung, die diese Triebe beschränken.
So viel, und weniger nicht, hat ein Gesezge- ber zu bekämpfen, der den Menschen durch die bürgerliche Verfassung glücklich machen, und ihm die ersten Vortheile der gesellschaftlichen Verbin- dung, Gerechtigkeit und Sicherheit nicht nur ver- sprechen, sondern auch halten will -- denn allent- halben, wo man die Menschen wild aufwachsen, und werden läßt, was sie von sich selbst werden, da ist Gerechtigkeit und Sicherheit in einem Staat ein bloßer Traum. Beydes ist in einem Staat nur in dem Grad wahrhaft möglich, als die Men- schen, die darinn wohnen, von den Hauptfehlern ihres Naturlebens, namentlich vom Aberglauben, vom Leichtsinn, Gedankenlosigkeit, Liederlichkeit, Furchtsamkeit, von Unordnung, Unwesen, schwär- merischen Lebensarten, und von den Folgen dieser Grundfehler, oder vielmehr Schwächen unserer Natur, vom Troz ihrer Dummheit, von der Ver-
ſeine natuͤrliche Freyheit behaupten, und außer dem Gleis der buͤrgerlichen Ordnung zur Befriedi- gung ſeiner Naturtrieben gelangen koͤnnen, das alles fachet in jedem Fall den Funken der Empoͤ- rung gegen dieſe Kette, der tief in der Natur liegt, von neuem wieder an — das alles belebt in jedem Fall die nie in uns ſterbende Keime unſerer erſten Triebe, und ſchwaͤch[t] in jedem Fall von neuem die Kraͤfte unſerer buͤrgerlichen Bildung, die dieſe Triebe beſchraͤnken.
So viel, und weniger nicht, hat ein Geſezge- ber zu bekaͤmpfen, der den Menſchen durch die buͤrgerliche Verfaſſung gluͤcklich machen, und ihm die erſten Vortheile der geſellſchaftlichen Verbin- dung, Gerechtigkeit und Sicherheit nicht nur ver- ſprechen, ſondern auch halten will — denn allent- halben, wo man die Menſchen wild aufwachſen, und werden laͤßt, was ſie von ſich ſelbſt werden, da iſt Gerechtigkeit und Sicherheit in einem Staat ein bloßer Traum. Beydes iſt in einem Staat nur in dem Grad wahrhaft moͤglich, als die Men- ſchen, die darinn wohnen, von den Hauptfehlern ihres Naturlebens, namentlich vom Aberglauben, vom Leichtſinn, Gedankenloſigkeit, Liederlichkeit, Furchtſamkeit, von Unordnung, Unweſen, ſchwaͤr- meriſchen Lebensarten, und von den Folgen dieſer Grundfehler, oder vielmehr Schwaͤchen unſerer Natur, vom Troz ihrer Dummheit, von der Ver-
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ſeine natuͤrliche Freyheit behaupten, und außer
dem Gleis der buͤrgerlichen Ordnung zur Befriedi-
gung ſeiner Naturtrieben gelangen koͤnnen, das
alles fachet in jedem Fall den Funken der Empoͤ-
rung gegen dieſe Kette, der tief in der Natur liegt,
von neuem wieder an — das alles belebt in jedem
Fall die nie in uns ſterbende Keime unſerer erſten
Triebe, und ſchwaͤcht in jedem Fall von neuem die
Kraͤfte unſerer buͤrgerlichen Bildung, die dieſe
Triebe beſchraͤnken.
So viel, und weniger nicht, hat ein Geſezge-
ber zu bekaͤmpfen, der den Menſchen durch die
buͤrgerliche Verfaſſung gluͤcklich machen, und ihm
die erſten Vortheile der geſellſchaftlichen Verbin-
dung, Gerechtigkeit und Sicherheit nicht nur ver-
ſprechen, ſondern auch halten will — denn allent-
halben, wo man die Menſchen wild aufwachſen,
und werden laͤßt, was ſie von ſich ſelbſt werden,
da iſt Gerechtigkeit und Sicherheit in einem Staat
ein bloßer Traum. Beydes iſt in einem Staat
nur in dem Grad wahrhaft moͤglich, als die Men-
ſchen, die darinn wohnen, von den Hauptfehlern
ihres Naturlebens, namentlich vom Aberglauben,
vom Leichtſinn, Gedankenloſigkeit, Liederlichkeit,
Furchtſamkeit, von Unordnung, Unweſen, ſchwaͤr-
meriſchen Lebensarten, und von den Folgen dieſer
Grundfehler, oder vielmehr Schwaͤchen unſerer
Natur, vom Troz ihrer Dummheit, von der Ver-
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/187>, abgerufen am 21.11.2024.
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