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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

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Du Narr! es giebt sich nichts, als das, was man
macht -- und mit deiner Schwester warten, bis er
todt ist, heißt just den Wagen vor das Roß ge-
spannt, und dann wollen fahren -- du solltest dich
schämen, dreyßig Jahre eine Schwester zu haben,
und sie nicht besser zu kennen. --

Du zankest immer, und zankest ob allem, sagte
der Untervogt -- und sie -- es ist doch wahr, man
muß blind seyn, in den Tag hinein zu reden wie
du redest, kommt dir dann nicht auch in den Sinn,
sie scheue sich, wenn der Junker todt ist -- und
wolle dann nicht den Namen haben, daß es sey wie
es ist. Nein, wenns gerathen muß, so ist izt die
rechte Zeit, weil sie noch mit Ehren kann umkeh-
ren. --

Der Vogt an ihre Sprache so gewöhnt als an
seine Mittagssuppe, sagte kein Wort darüber, als:
darinn hast du izt recht. --

Hab ich recht, erwiederte die Vögtin? Es ist
mir lieb, daß du es merkst -- aber es ist nichts zu
versaumen -- geh doch, so geschwind als du kannst,
rede noch einmal mit ihr -- aber mache deine Sa-
che besser als das Leztemal meine Wäscherin. --

So schickte sie ihn -- doch sezte sie noch hinzu
-- die Stunde ist vielleicht so gut, daß sie izt froh
ist, wenn du kommst. --

Er

Du Narr! es giebt ſich nichts, als das, was man
macht — und mit deiner Schweſter warten, bis er
todt iſt, heißt juſt den Wagen vor das Roß ge-
ſpannt, und dann wollen fahren — du ſollteſt dich
ſchaͤmen, dreyßig Jahre eine Schweſter zu haben,
und ſie nicht beſſer zu kennen. —

Du zankeſt immer, und zankeſt ob allem, ſagte
der Untervogt — und ſie — es iſt doch wahr, man
muß blind ſeyn, in den Tag hinein zu reden wie
du redeſt, kommt dir dann nicht auch in den Sinn,
ſie ſcheue ſich, wenn der Junker todt iſt — und
wolle dann nicht den Namen haben, daß es ſey wie
es iſt. Nein, wenns gerathen muß, ſo iſt izt die
rechte Zeit, weil ſie noch mit Ehren kann umkeh-
ren. —

Der Vogt an ihre Sprache ſo gewoͤhnt als an
ſeine Mittagsſuppe, ſagte kein Wort daruͤber, als:
darinn haſt du izt recht. —

Hab ich recht, erwiederte die Voͤgtin? Es iſt
mir lieb, daß du es merkſt — aber es iſt nichts zu
verſaumen — geh doch, ſo geſchwind als du kannſt,
rede noch einmal mit ihr — aber mache deine Sa-
che beſſer als das Leztemal meine Waͤſcherin. —

So ſchickte ſie ihn — doch ſezte ſie noch hinzu
— die Stunde iſt vielleicht ſo gut, daß ſie izt froh
iſt, wenn du kommſt. —

Er
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[112/0130] Du Narr! es giebt ſich nichts, als das, was man macht — und mit deiner Schweſter warten, bis er todt iſt, heißt juſt den Wagen vor das Roß ge- ſpannt, und dann wollen fahren — du ſollteſt dich ſchaͤmen, dreyßig Jahre eine Schweſter zu haben, und ſie nicht beſſer zu kennen. — Du zankeſt immer, und zankeſt ob allem, ſagte der Untervogt — und ſie — es iſt doch wahr, man muß blind ſeyn, in den Tag hinein zu reden wie du redeſt, kommt dir dann nicht auch in den Sinn, ſie ſcheue ſich, wenn der Junker todt iſt — und wolle dann nicht den Namen haben, daß es ſey wie es iſt. Nein, wenns gerathen muß, ſo iſt izt die rechte Zeit, weil ſie noch mit Ehren kann umkeh- ren. — Der Vogt an ihre Sprache ſo gewoͤhnt als an ſeine Mittagsſuppe, ſagte kein Wort daruͤber, als: darinn haſt du izt recht. — Hab ich recht, erwiederte die Voͤgtin? Es iſt mir lieb, daß du es merkſt — aber es iſt nichts zu verſaumen — geh doch, ſo geſchwind als du kannſt, rede noch einmal mit ihr — aber mache deine Sa- che beſſer als das Leztemal meine Waͤſcherin. — So ſchickte ſie ihn — doch ſezte ſie noch hinzu — die Stunde iſt vielleicht ſo gut, daß ſie izt froh iſt, wenn du kommſt. — Er

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/130>, abgerufen am 19.04.2024.