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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

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nicht bey ihnen. Er war bey der Kienastin, de-
ren Tod nun sichtbar nahete; doch war sie noch
immer bey sich selber, und nahm nun das lezte
mal bey den lieben Ihren Abschied.

Als man ihr das Kleine auf das Bett legte,
staunte sie ihns eine Weile an, und ihre lezten
Thränen fielen auf ihns hin, das Kind aber lä-
chelte auf ihrem Schoos, strabelte mit Händ
und Füssen, und warf den Kopf so froh und
muthvoll umher, daß es die Sterbende erquikte!
Sie lächelte noch auf ihns herunter, und sagte zu
sich selber, warum kann ich nicht seyn, wie du?

Sie redte noch mit allen Kindern.

Am meisten mit dem Vater, und das fast nur
von dem Susannelj, und sagte: es lieg ihr auf
dem Herzen dem Kind noch zu sagen, daß sie es er-
kenne, ihre Fehler haben ihns nach und nach so
hart gemacht, als es worden. Sie habe ihm ihre
Haushaltung aufgebürdet, die man einem Kind
nie aufbürden sollte, und er soll ihm sagen, wenns
an ihr stühnd ihr Leben noch zu ändern, sie wollte
gewiß ihre Mutterpflichten thun, und ihm nicht
mehr zur Last fallen; aber das sey jezt nicht
mehr möglich; und darum soll es ihr verzeihen,
und wiederkommen, und ihm und den Kindern
als Mutter und Schwester an die Hand gehen,
so lang es lebe und so lang es nöthig.

Dann wollte sie auch ihn um Verzeihung bit-
ten, daß sie nie keine Frau gegen ihn gewesen,

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nicht bey ihnen. Er war bey der Kienaſtin, de-
ren Tod nun ſichtbar nahete; doch war ſie noch
immer bey ſich ſelber, und nahm nun das lezte
mal bey den lieben Ihren Abſchied.

Als man ihr das Kleine auf das Bett legte,
ſtaunte ſie ihns eine Weile an, und ihre lezten
Thraͤnen fielen auf ihns hin, das Kind aber laͤ-
chelte auf ihrem Schoos, ſtrabelte mit Haͤnd
und Fuͤſſen, und warf den Kopf ſo froh und
muthvoll umher, daß es die Sterbende erquikte!
Sie laͤchelte noch auf ihns herunter, und ſagte zu
ſich ſelber, warum kann ich nicht ſeyn, wie du?

Sie redte noch mit allen Kindern.

Am meiſten mit dem Vater, und das faſt nur
von dem Suſannelj, und ſagte: es lieg ihr auf
dem Herzen dem Kind noch zu ſagen, daß ſie es er-
kenne, ihre Fehler haben ihns nach und nach ſo
hart gemacht, als es worden. Sie habe ihm ihre
Haushaltung aufgebuͤrdet, die man einem Kind
nie aufbuͤrden ſollte, und er ſoll ihm ſagen, wenns
an ihr ſtuͤhnd ihr Leben noch zu aͤndern, ſie wollte
gewiß ihre Mutterpflichten thun, und ihm nicht
mehr zur Laſt fallen; aber das ſey jezt nicht
mehr moͤglich; und darum ſoll es ihr verzeihen,
und wiederkommen, und ihm und den Kindern
als Mutter und Schweſter an die Hand gehen,
ſo lang es lebe und ſo lang es noͤthig.

Dann wollte ſie auch ihn um Verzeihung bit-
ten, daß ſie nie keine Frau gegen ihn geweſen,

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[403/0425] nicht bey ihnen. Er war bey der Kienaſtin, de- ren Tod nun ſichtbar nahete; doch war ſie noch immer bey ſich ſelber, und nahm nun das lezte mal bey den lieben Ihren Abſchied. Als man ihr das Kleine auf das Bett legte, ſtaunte ſie ihns eine Weile an, und ihre lezten Thraͤnen fielen auf ihns hin, das Kind aber laͤ- chelte auf ihrem Schoos, ſtrabelte mit Haͤnd und Fuͤſſen, und warf den Kopf ſo froh und muthvoll umher, daß es die Sterbende erquikte! Sie laͤchelte noch auf ihns herunter, und ſagte zu ſich ſelber, warum kann ich nicht ſeyn, wie du? Sie redte noch mit allen Kindern. Am meiſten mit dem Vater, und das faſt nur von dem Suſannelj, und ſagte: es lieg ihr auf dem Herzen dem Kind noch zu ſagen, daß ſie es er- kenne, ihre Fehler haben ihns nach und nach ſo hart gemacht, als es worden. Sie habe ihm ihre Haushaltung aufgebuͤrdet, die man einem Kind nie aufbuͤrden ſollte, und er ſoll ihm ſagen, wenns an ihr ſtuͤhnd ihr Leben noch zu aͤndern, ſie wollte gewiß ihre Mutterpflichten thun, und ihm nicht mehr zur Laſt fallen; aber das ſey jezt nicht mehr moͤglich; und darum ſoll es ihr verzeihen, und wiederkommen, und ihm und den Kindern als Mutter und Schweſter an die Hand gehen, ſo lang es lebe und ſo lang es noͤthig. Dann wollte ſie auch ihn um Verzeihung bit- ten, daß ſie nie keine Frau gegen ihn geweſen, C c 2

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/425>, abgerufen am 03.05.2024.