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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

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Nein! bauet dem Mann keinen Altar.

Der Säugling auf dem Schoos des Grei-
sen, und der zitternde Tropfe auf den Lippen
des Kinds, das seinen Namen stammelt, ist
mehr als Opfer und Altar! --



Es wird mir aber warm. Bald komme ich
in meiner Einfalt nicht mehr fort.

Aber es muß seyn.

Unter den Freuden, die er mit seinen Kin-
dern hatte, war auch diese, daß er zu Zeiten eine
Ankenbraut (Butterschnitte) mit ihnen aß.

Es ist nemlich auch in Bonnal der Gebrauch
daß die Bauern, wenn sie etwas Gutes haben,
ihrem Schulmeister dann und wann auch da-
von schiken.

Dieser Gebrauch war dem Glüphj im Her-
zen zuwider; er nahm ihnen auch fast gar nichts
ab, und brauchte, sie nicht bös zu machen,
die Entschuldigungen, er habe keine Frau und
keine Haushaltung, und könne desnahen mit
dergleichen Sachen fast gar nichts thun.

Damit sie aber nicht glauben, es geschehe
aus Hochmuth, und er schäme sich ihnen etwas
abzuessen, so nahm er einem jeden der Küh im
Stall hatte, und seine Kinder zu ihm in die
Schul schikte alle Jahr eine Ankenbraut ab,
aber sie mußte nicht über 2 Pfund seyn. So

Nein! bauet dem Mann keinen Altar.

Der Saͤugling auf dem Schoos des Grei-
ſen, und der zitternde Tropfe auf den Lippen
des Kinds, das ſeinen Namen ſtammelt, iſt
mehr als Opfer und Altar! —



Es wird mir aber warm. Bald komme ich
in meiner Einfalt nicht mehr fort.

Aber es muß ſeyn.

Unter den Freuden, die er mit ſeinen Kin-
dern hatte, war auch dieſe, daß er zu Zeiten eine
Ankenbraut (Butterſchnitte) mit ihnen aß.

Es iſt nemlich auch in Bonnal der Gebrauch
daß die Bauern, wenn ſie etwas Gutes haben,
ihrem Schulmeiſter dann und wann auch da-
von ſchiken.

Dieſer Gebrauch war dem Gluͤphj im Her-
zen zuwider; er nahm ihnen auch faſt gar nichts
ab, und brauchte, ſie nicht boͤs zu machen,
die Entſchuldigungen, er habe keine Frau und
keine Haushaltung, und koͤnne desnahen mit
dergleichen Sachen faſt gar nichts thun.

Damit ſie aber nicht glauben, es geſchehe
aus Hochmuth, und er ſchaͤme ſich ihnen etwas
abzueſſen, ſo nahm er einem jeden der Kuͤh im
Stall hatte, und ſeine Kinder zu ihm in die
Schul ſchikte alle Jahr eine Ankenbraut ab,
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[399/0421] Nein! bauet dem Mann keinen Altar. Der Saͤugling auf dem Schoos des Grei- ſen, und der zitternde Tropfe auf den Lippen des Kinds, das ſeinen Namen ſtammelt, iſt mehr als Opfer und Altar! — Es wird mir aber warm. Bald komme ich in meiner Einfalt nicht mehr fort. Aber es muß ſeyn. Unter den Freuden, die er mit ſeinen Kin- dern hatte, war auch dieſe, daß er zu Zeiten eine Ankenbraut (Butterſchnitte) mit ihnen aß. Es iſt nemlich auch in Bonnal der Gebrauch daß die Bauern, wenn ſie etwas Gutes haben, ihrem Schulmeiſter dann und wann auch da- von ſchiken. Dieſer Gebrauch war dem Gluͤphj im Her- zen zuwider; er nahm ihnen auch faſt gar nichts ab, und brauchte, ſie nicht boͤs zu machen, die Entſchuldigungen, er habe keine Frau und keine Haushaltung, und koͤnne desnahen mit dergleichen Sachen faſt gar nichts thun. Damit ſie aber nicht glauben, es geſchehe aus Hochmuth, und er ſchaͤme ſich ihnen etwas abzueſſen, ſo nahm er einem jeden der Kuͤh im Stall hatte, und ſeine Kinder zu ihm in die Schul ſchikte alle Jahr eine Ankenbraut ab, aber ſie mußte nicht uͤber 2 Pfund ſeyn. So

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/421>, abgerufen am 23.11.2024.