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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

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schen und Thiere, Kopf und Hände, oft Häu-
ser und Mühlen, und Sägen, und Schiffe.

Zu Zeiten war die Schulstube voll Hand-
werksgeschirr und Späne wie eine Werkstatt;
aber eh sie fortgiengen war sie immer wieder
so sauber als eine Frühlingswiese, wenn so eben
das Wintergesträuch von ihr abgerechet.

An schönen Abenden gieng er mit ihnen un-
ter den Schulnußbaum oben in der Matten.

Es ist, wie wenn die Alten ihn darum dahin
gesezt haben, daß die junge Nachwelt sich da
unter seinem Schatten verweile, dem Sonnen-
untergang, der sich nirgend im Dorf so schon
durchs ganze Thal hinab zeiget, zu zu sehen.

Unter diesem Baum redte er dann bey Stun-
den mit seinen Kindern über ihren Beruf und
ihre Umstände.

Er machte ihnen da eine kleine Geschichte
von ihrem Dorf, und erzählte ihnen: wie vor
ein paar 100 Jahren nur noch wenige Häuser
da gestanden, und wie die Einwohner das Land
nicht genugsam haben warten können, und sie
desnahen mit ihren Weyden und Zelgen Ein-
richtungen haben machen müssen, die jezt bey
dem mehrerem Werth der Güter, und bey den
vielen Händen die im Land sind, das Dorf un-
glüklich, und ärmer, und liederlicher machen,
als es war, wenn diese alten Ordnungen nicht
wären.


ſchen und Thiere, Kopf und Haͤnde, oft Haͤu-
ſer und Muͤhlen, und Saͤgen, und Schiffe.

Zu Zeiten war die Schulſtube voll Hand-
werksgeſchirr und Spaͤne wie eine Werkſtatt;
aber eh ſie fortgiengen war ſie immer wieder
ſo ſauber als eine Fruͤhlingswieſe, wenn ſo eben
das Wintergeſtraͤuch von ihr abgerechet.

An ſchoͤnen Abenden gieng er mit ihnen un-
ter den Schulnußbaum oben in der Matten.

Es iſt, wie wenn die Alten ihn darum dahin
geſezt haben, daß die junge Nachwelt ſich da
unter ſeinem Schatten verweile, dem Sonnen-
untergang, der ſich nirgend im Dorf ſo ſchon
durchs ganze Thal hinab zeiget, zu zu ſehen.

Unter dieſem Baum redte er dann bey Stun-
den mit ſeinen Kindern uͤber ihren Beruf und
ihre Umſtaͤnde.

Er machte ihnen da eine kleine Geſchichte
von ihrem Dorf, und erzaͤhlte ihnen: wie vor
ein paar 100 Jahren nur noch wenige Haͤuſer
da geſtanden, und wie die Einwohner das Land
nicht genugſam haben warten koͤnnen, und ſie
desnahen mit ihren Weyden und Zelgen Ein-
richtungen haben machen muͤſſen, die jezt bey
dem mehrerem Werth der Guͤter, und bey den
vielen Haͤnden die im Land ſind, das Dorf un-
gluͤklich, und aͤrmer, und liederlicher machen,
als es war, wenn dieſe alten Ordnungen nicht
waͤren.


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[395/0417] ſchen und Thiere, Kopf und Haͤnde, oft Haͤu- ſer und Muͤhlen, und Saͤgen, und Schiffe. Zu Zeiten war die Schulſtube voll Hand- werksgeſchirr und Spaͤne wie eine Werkſtatt; aber eh ſie fortgiengen war ſie immer wieder ſo ſauber als eine Fruͤhlingswieſe, wenn ſo eben das Wintergeſtraͤuch von ihr abgerechet. An ſchoͤnen Abenden gieng er mit ihnen un- ter den Schulnußbaum oben in der Matten. Es iſt, wie wenn die Alten ihn darum dahin geſezt haben, daß die junge Nachwelt ſich da unter ſeinem Schatten verweile, dem Sonnen- untergang, der ſich nirgend im Dorf ſo ſchon durchs ganze Thal hinab zeiget, zu zu ſehen. Unter dieſem Baum redte er dann bey Stun- den mit ſeinen Kindern uͤber ihren Beruf und ihre Umſtaͤnde. Er machte ihnen da eine kleine Geſchichte von ihrem Dorf, und erzaͤhlte ihnen: wie vor ein paar 100 Jahren nur noch wenige Haͤuſer da geſtanden, und wie die Einwohner das Land nicht genugſam haben warten koͤnnen, und ſie desnahen mit ihren Weyden und Zelgen Ein- richtungen haben machen muͤſſen, die jezt bey dem mehrerem Werth der Guͤter, und bey den vielen Haͤnden die im Land ſind, das Dorf un- gluͤklich, und aͤrmer, und liederlicher machen, als es war, wenn dieſe alten Ordnungen nicht waͤren.

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/417>, abgerufen am 03.05.2024.