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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

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würde, als Tag und Nacht einander ungleich
sind.

Er zählte aber nicht darauf, weils ihm da-
von traumte, sondern weil er sah, daß der Lieu-
tenant es machte; -- denn das that er -- und
das mit einer Einfalt, daß wenn man in seiner
Schul alle Augen aussah, zu forschen, was er
besonders mache, man nichts fand, das nicht
so zu reden ein jeder glauben würde, es ihm
nachmachen zu können.

Und es ist wirklich so leicht, ihm seine Schule
nachzumachen, daß sicher ein jeder recht ver-
ständiger Bauersmann, wenn er nur schreiben
und rechnen kann, in Hauptsachen eben so viel
ausrichten könnte, was er, wenn er nur etliche
Tage die Ordnung gesehen, die er und Mar-
greth mit ihren Kindern haben. Es brauchte
nicht einmal, daß so ein Mann nur selber rech-
nen könnte; und ich habe mit meinen Augen
einen Mann gesehen, der seine Rechnungsta-
bellen mit einer ganzen Stuben voll Kinder ge-
braucht hat, und vollkommen damit fortge-
kommen, ohne daß er selber rechnen können.
Seine Kinder haben diese Zahlreihe in Kopf ge-
faßt, daß sie wie nichts auf alle Art darinn
herumgesprungen, da indessen der Mann, der
sie lehrte, das Papier, auf dem er diese Zah-
lenreihen aufgeschrieben, keinen Augenblik aus
den Händen lassen dorfte, um nicht alle Minu-
ten selber zu verirren.


wuͤrde, als Tag und Nacht einander ungleich
ſind.

Er zaͤhlte aber nicht darauf, weils ihm da-
von traumte, ſondern weil er ſah, daß der Lieu-
tenant es machte; — denn das that er — und
das mit einer Einfalt, daß wenn man in ſeiner
Schul alle Augen ausſah, zu forſchen, was er
beſonders mache, man nichts fand, das nicht
ſo zu reden ein jeder glauben wuͤrde, es ihm
nachmachen zu koͤnnen.

Und es iſt wirklich ſo leicht, ihm ſeine Schule
nachzumachen, daß ſicher ein jeder recht ver-
ſtaͤndiger Bauersmann, wenn er nur ſchreiben
und rechnen kann, in Hauptſachen eben ſo viel
ausrichten koͤnnte, was er, wenn er nur etliche
Tage die Ordnung geſehen, die er und Mar-
greth mit ihren Kindern haben. Es brauchte
nicht einmal, daß ſo ein Mann nur ſelber rech-
nen koͤnnte; und ich habe mit meinen Augen
einen Mann geſehen, der ſeine Rechnungsta-
bellen mit einer ganzen Stuben voll Kinder ge-
braucht hat, und vollkommen damit fortge-
kommen, ohne daß er ſelber rechnen koͤnnen.
Seine Kinder haben dieſe Zahlreihe in Kopf ge-
faßt, daß ſie wie nichts auf alle Art darinn
herumgeſprungen, da indeſſen der Mann, der
ſie lehrte, das Papier, auf dem er dieſe Zah-
lenreihen aufgeſchrieben, keinen Augenblik aus
den Haͤnden laſſen dorfte, um nicht alle Minu-
ten ſelber zu verirren.


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[386/0408] wuͤrde, als Tag und Nacht einander ungleich ſind. Er zaͤhlte aber nicht darauf, weils ihm da- von traumte, ſondern weil er ſah, daß der Lieu- tenant es machte; — denn das that er — und das mit einer Einfalt, daß wenn man in ſeiner Schul alle Augen ausſah, zu forſchen, was er beſonders mache, man nichts fand, das nicht ſo zu reden ein jeder glauben wuͤrde, es ihm nachmachen zu koͤnnen. Und es iſt wirklich ſo leicht, ihm ſeine Schule nachzumachen, daß ſicher ein jeder recht ver- ſtaͤndiger Bauersmann, wenn er nur ſchreiben und rechnen kann, in Hauptſachen eben ſo viel ausrichten koͤnnte, was er, wenn er nur etliche Tage die Ordnung geſehen, die er und Mar- greth mit ihren Kindern haben. Es brauchte nicht einmal, daß ſo ein Mann nur ſelber rech- nen koͤnnte; und ich habe mit meinen Augen einen Mann geſehen, der ſeine Rechnungsta- bellen mit einer ganzen Stuben voll Kinder ge- braucht hat, und vollkommen damit fortge- kommen, ohne daß er ſelber rechnen koͤnnen. Seine Kinder haben dieſe Zahlreihe in Kopf ge- faßt, daß ſie wie nichts auf alle Art darinn herumgeſprungen, da indeſſen der Mann, der ſie lehrte, das Papier, auf dem er dieſe Zah- lenreihen aufgeſchrieben, keinen Augenblik aus den Haͤnden laſſen dorfte, um nicht alle Minu- ten ſelber zu verirren.

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/408>, abgerufen am 23.11.2024.