Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

also beybringen: z. Ex. die Sonne sey der liebe
Herrgott, der Mond seine Frau, und die Ster-
ne seine guten artigen Kinder, und nimm denn
an, es wären viel dike grosse Bücher in der
Welt, in denen viel hundert und aber viel hun-
dert Menschen sich seit hundert und aber hun-
dert Jahren Mühe gegeben, diesen Zigeuner-
glauben zu erklären, und vernünftig und gut
aufzumüzen, und tausend Gründe aufzusuchen,
warum man ihn annehmen müsse, und wie
man zeigen könne, daß er wahr und gut sey,
und man antworten könne; wenn jemand sag-
te, er sey nicht wahr und nicht gut. Und denk'
denn, dieser Mann würde seinem Kind, ehe
es wüßte was rechts oder links ist, die Haupt-
sachen dieses Zigeunertraums einprägen, ihm
seinen Glauben am Himmel zeigen, und ihns
machen Freud daran haben, und Thränen dar-
über weynen, und Lieder darüber singen, und
denn, wenn es anfienge zum Verstand zu kom-
men, ihns das Gescheidste und Beste, das es in
diesen Büchern über seine Himmelsreligion fin-
den würde, auswendig lehrnen liesse, und ich
mag nicht reden, weis nicht was noch mehr
thäte, um ihm Kopf und Herz für seine Sonn-
und Sternenreligion einzunehmen. Kannst
du denn finden, so ein Kind müßte über diesen
Punkt im Kopf und an der Seele nicht wie

Y 4

alſo beybringen: z. Ex. die Sonne ſey der liebe
Herrgott, der Mond ſeine Frau, und die Ster-
ne ſeine guten artigen Kinder, und nimm denn
an, es waͤren viel dike groſſe Buͤcher in der
Welt, in denen viel hundert und aber viel hun-
dert Menſchen ſich ſeit hundert und aber hun-
dert Jahren Muͤhe gegeben, dieſen Zigeuner-
glauben zu erklaͤren, und vernuͤnftig und gut
aufzumuͤzen, und tauſend Gruͤnde aufzuſuchen,
warum man ihn annehmen muͤſſe, und wie
man zeigen koͤnne, daß er wahr und gut ſey,
und man antworten koͤnne; wenn jemand ſag-
te, er ſey nicht wahr und nicht gut. Und denk’
denn, dieſer Mann wuͤrde ſeinem Kind, ehe
es wuͤßte was rechts oder links iſt, die Haupt-
ſachen dieſes Zigeunertraums einpraͤgen, ihm
ſeinen Glauben am Himmel zeigen, und ihns
machen Freud daran haben, und Thraͤnen dar-
uͤber weynen, und Lieder daruͤber ſingen, und
denn, wenn es anfienge zum Verſtand zu kom-
men, ihns das Geſcheidſte und Beſte, das es in
dieſen Buͤchern uͤber ſeine Himmelsreligion fin-
den wuͤrde, auswendig lehrnen lieſſe, und ich
mag nicht reden, weis nicht was noch mehr
thaͤte, um ihm Kopf und Herz fuͤr ſeine Sonn-
und Sternenreligion einzunehmen. Kannſt
du denn finden, ſo ein Kind muͤßte uͤber dieſen
Punkt im Kopf und an der Seele nicht wie

Y 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0365" n="343"/>
al&#x017F;o beybringen: z. Ex. die Sonne &#x017F;ey der liebe<lb/>
Herrgott, der Mond &#x017F;eine Frau, und die Ster-<lb/>
ne &#x017F;eine guten artigen Kinder, und nimm denn<lb/>
an, es wa&#x0364;ren viel dike gro&#x017F;&#x017F;e Bu&#x0364;cher in der<lb/>
Welt, in denen viel hundert und aber viel hun-<lb/>
dert Men&#x017F;chen &#x017F;ich &#x017F;eit hundert und aber hun-<lb/>
dert Jahren Mu&#x0364;he gegeben, die&#x017F;en Zigeuner-<lb/>
glauben zu erkla&#x0364;ren, und vernu&#x0364;nftig und gut<lb/>
aufzumu&#x0364;zen, und tau&#x017F;end Gru&#x0364;nde aufzu&#x017F;uchen,<lb/>
warum man ihn annehmen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, und wie<lb/>
man zeigen ko&#x0364;nne, daß er wahr und gut &#x017F;ey,<lb/>
und man antworten ko&#x0364;nne; wenn jemand &#x017F;ag-<lb/>
te, er &#x017F;ey nicht wahr und nicht gut. Und denk&#x2019;<lb/>
denn, die&#x017F;er Mann wu&#x0364;rde &#x017F;einem Kind, ehe<lb/>
es wu&#x0364;ßte was rechts oder links i&#x017F;t, die Haupt-<lb/>
&#x017F;achen die&#x017F;es Zigeunertraums einpra&#x0364;gen, ihm<lb/>
&#x017F;einen Glauben am Himmel zeigen, und ihns<lb/>
machen Freud daran haben, und Thra&#x0364;nen dar-<lb/>
u&#x0364;ber weynen, und Lieder daru&#x0364;ber &#x017F;ingen, und<lb/>
denn, wenn es anfienge zum Ver&#x017F;tand zu kom-<lb/>
men, ihns das Ge&#x017F;cheid&#x017F;te und Be&#x017F;te, das es in<lb/>
die&#x017F;en Bu&#x0364;chern u&#x0364;ber &#x017F;eine Himmelsreligion fin-<lb/>
den wu&#x0364;rde, auswendig lehrnen lie&#x017F;&#x017F;e, und ich<lb/>
mag nicht reden, weis nicht was noch mehr<lb/>
tha&#x0364;te, um ihm Kopf und Herz fu&#x0364;r &#x017F;eine Sonn-<lb/>
und Sternenreligion einzunehmen. Kann&#x017F;t<lb/>
du denn finden, &#x017F;o ein Kind mu&#x0364;ßte u&#x0364;ber die&#x017F;en<lb/>
Punkt im Kopf und an der Seele nicht wie<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Y 4</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[343/0365] alſo beybringen: z. Ex. die Sonne ſey der liebe Herrgott, der Mond ſeine Frau, und die Ster- ne ſeine guten artigen Kinder, und nimm denn an, es waͤren viel dike groſſe Buͤcher in der Welt, in denen viel hundert und aber viel hun- dert Menſchen ſich ſeit hundert und aber hun- dert Jahren Muͤhe gegeben, dieſen Zigeuner- glauben zu erklaͤren, und vernuͤnftig und gut aufzumuͤzen, und tauſend Gruͤnde aufzuſuchen, warum man ihn annehmen muͤſſe, und wie man zeigen koͤnne, daß er wahr und gut ſey, und man antworten koͤnne; wenn jemand ſag- te, er ſey nicht wahr und nicht gut. Und denk’ denn, dieſer Mann wuͤrde ſeinem Kind, ehe es wuͤßte was rechts oder links iſt, die Haupt- ſachen dieſes Zigeunertraums einpraͤgen, ihm ſeinen Glauben am Himmel zeigen, und ihns machen Freud daran haben, und Thraͤnen dar- uͤber weynen, und Lieder daruͤber ſingen, und denn, wenn es anfienge zum Verſtand zu kom- men, ihns das Geſcheidſte und Beſte, das es in dieſen Buͤchern uͤber ſeine Himmelsreligion fin- den wuͤrde, auswendig lehrnen lieſſe, und ich mag nicht reden, weis nicht was noch mehr thaͤte, um ihm Kopf und Herz fuͤr ſeine Sonn- und Sternenreligion einzunehmen. Kannſt du denn finden, ſo ein Kind muͤßte uͤber dieſen Punkt im Kopf und an der Seele nicht wie Y 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/365
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/365>, abgerufen am 12.05.2024.