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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

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und liessen ihre Augen herumgehen unter ih-
nen, eines davon auszusehen.

Im Bliz sagte die Reinoldin, ich weiß eins;
gleich darauf das Mareylj, ich auch; -- und
denn die Gertrud, wenn wir jezt auch alle drey
das gleiche meynten?

Es war so; sie nannten es alle aus einem
Mund. Es stuhnd da unter einem noch blühen-
den Birnbaum, der noch nicht ausgewachsen.

Es war sein Bild; es wußte es nicht, und
staunte ihn an.

Der ganze Haufe sah gierig den Weibern
ins Maul, wer Königin seyn sollte! Es allein
stand neben aus, wie wenns ihns nicht angieng,
und hörte seinen Nahmen nicht, da ihn die
Weiber jezt nannten.

Es war armüthig gekleidet; sein weisses
Hemd war der Gertrud, und seine Schuh und
Strümpf der Reinoldin. Aber es war schön wie
der Tag, sein gelbes Haar rollte sich auf der
hohen Stirne, und sein blaues Aug glänzte,
wenn es ihns vom Boden aufhielt, seine Haut
ist zart, wie wenn es im Klöster erzogen, und
seine Farbe frisch, wie wenn es ab den Bergen
käme.

Es ist das älteste von den zehen Kindern des
unglüklichen Manns, der an einem dunkeln
Abend mit dem Hummel gerechnet, ihn ins
Thal Josaphat eingeladen, und dann in der

und lieſſen ihre Augen herumgehen unter ih-
nen, eines davon auszuſehen.

Im Bliz ſagte die Reinoldin, ich weiß eins;
gleich darauf das Mareylj, ich auch; — und
denn die Gertrud, wenn wir jezt auch alle drey
das gleiche meynten?

Es war ſo; ſie nannten es alle aus einem
Mund. Es ſtuhnd da unter einem noch bluͤhen-
den Birnbaum, der noch nicht ausgewachſen.

Es war ſein Bild; es wußte es nicht, und
ſtaunte ihn an.

Der ganze Haufe ſah gierig den Weibern
ins Maul, wer Koͤnigin ſeyn ſollte! Es allein
ſtand neben aus, wie wenns ihns nicht angieng,
und hoͤrte ſeinen Nahmen nicht, da ihn die
Weiber jezt nannten.

Es war armuͤthig gekleidet; ſein weiſſes
Hemd war der Gertrud, und ſeine Schuh und
Struͤmpf der Reinoldin. Aber es war ſchoͤn wie
der Tag, ſein gelbes Haar rollte ſich auf der
hohen Stirne, und ſein blaues Aug glaͤnzte,
wenn es ihns vom Boden aufhielt, ſeine Haut
iſt zart, wie wenn es im Kloͤſter erzogen, und
ſeine Farbe friſch, wie wenn es ab den Bergen
kaͤme.

Es iſt das aͤlteſte von den zehen Kindern des
ungluͤklichen Manns, der an einem dunkeln
Abend mit dem Hummel gerechnet, ihn ins
Thal Joſaphat eingeladen, und dann in der

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[207/0229] und lieſſen ihre Augen herumgehen unter ih- nen, eines davon auszuſehen. Im Bliz ſagte die Reinoldin, ich weiß eins; gleich darauf das Mareylj, ich auch; — und denn die Gertrud, wenn wir jezt auch alle drey das gleiche meynten? Es war ſo; ſie nannten es alle aus einem Mund. Es ſtuhnd da unter einem noch bluͤhen- den Birnbaum, der noch nicht ausgewachſen. Es war ſein Bild; es wußte es nicht, und ſtaunte ihn an. Der ganze Haufe ſah gierig den Weibern ins Maul, wer Koͤnigin ſeyn ſollte! Es allein ſtand neben aus, wie wenns ihns nicht angieng, und hoͤrte ſeinen Nahmen nicht, da ihn die Weiber jezt nannten. Es war armuͤthig gekleidet; ſein weiſſes Hemd war der Gertrud, und ſeine Schuh und Struͤmpf der Reinoldin. Aber es war ſchoͤn wie der Tag, ſein gelbes Haar rollte ſich auf der hohen Stirne, und ſein blaues Aug glaͤnzte, wenn es ihns vom Boden aufhielt, ſeine Haut iſt zart, wie wenn es im Kloͤſter erzogen, und ſeine Farbe friſch, wie wenn es ab den Bergen kaͤme. Es iſt das aͤlteſte von den zehen Kindern des ungluͤklichen Manns, der an einem dunkeln Abend mit dem Hummel gerechnet, ihn ins Thal Joſaphat eingeladen, und dann in der

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/229>, abgerufen am 30.04.2024.