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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

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nimmt, und auch jezt im besten Flor gäb ihm
niemand 2000 Gulden darum. --

Meyerin. Ich glaub nicht, daß er sie feil
habe.

Vögtin. Um deswillen ist sie nicht desto
mehr werth, -- aber wir wollen jezt das
dahin gestellt seyn lassen, -- gäll du nimmst
ihn nicht?

Meyerin. Siehe Schwester, wenn er
mich heute fragte, ob ich ihn wollte, so sagte
ich ihm gewiß nein, aber weil du mich fragest,
so sag ich weder ja noch nein. --

Vögtin. Aber warum auch?

Meyerin. Ich hab dir es schon gesagt,
da will ich völlig und allein Meister seyn.

Vögtin. Willst denn vom Vetter gar nichts
mehr hören?

Meyerin. Hören was du willst, aber keine
Antwort geben, einmal jezt.

Vögtin. Das ist so viel als nichts. --

Meyerin. Wenn du mir jezt mit 17 kämest,
so gäb ich keine andere Antwort, und kann
nicht; mein kleiner Finger muß hierinn nicht
wissen was ich thue, bis ich es selber weiß.

Vögtin. Du weissest es schon. --

Meyerin. Nein wahrlich, in dieser Sache
ist halb wissen nichts wissen; und wenn ich es
recht weiß, so thue ich es denn grad.

Vögtin. Und sagst mir es denn auch, wenn
du es thust?


nimmt, und auch jezt im beſten Flor gaͤb ihm
niemand 2000 Gulden darum. —

Meyerin. Ich glaub nicht, daß er ſie feil
habe.

Voͤgtin. Um deswillen iſt ſie nicht deſto
mehr werth, — aber wir wollen jezt das
dahin geſtellt ſeyn laſſen, — gaͤll du nimmſt
ihn nicht?

Meyerin. Siehe Schweſter, wenn er
mich heute fragte, ob ich ihn wollte, ſo ſagte
ich ihm gewiß nein, aber weil du mich frageſt,
ſo ſag ich weder ja noch nein. —

Voͤgtin. Aber warum auch?

Meyerin. Ich hab dir es ſchon geſagt,
da will ich voͤllig und allein Meiſter ſeyn.

Voͤgtin. Willſt denn vom Vetter gar nichts
mehr hoͤren?

Meyerin. Hoͤren was du willſt, aber keine
Antwort geben, einmal jezt.

Voͤgtin. Das iſt ſo viel als nichts. —

Meyerin. Wenn du mir jezt mit 17 kaͤmeſt,
ſo gaͤb ich keine andere Antwort, und kann
nicht; mein kleiner Finger muß hierinn nicht
wiſſen was ich thue, bis ich es ſelber weiß.

Voͤgtin. Du weiſſeſt es ſchon. —

Meyerin. Nein wahrlich, in dieſer Sache
iſt halb wiſſen nichts wiſſen; und wenn ich es
recht weiß, ſo thue ich es denn grad.

Voͤgtin. Und ſagſt mir es denn auch, wenn
du es thuſt?


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[198/0220] nimmt, und auch jezt im beſten Flor gaͤb ihm niemand 2000 Gulden darum. — Meyerin. Ich glaub nicht, daß er ſie feil habe. Voͤgtin. Um deswillen iſt ſie nicht deſto mehr werth, — aber wir wollen jezt das dahin geſtellt ſeyn laſſen, — gaͤll du nimmſt ihn nicht? Meyerin. Siehe Schweſter, wenn er mich heute fragte, ob ich ihn wollte, ſo ſagte ich ihm gewiß nein, aber weil du mich frageſt, ſo ſag ich weder ja noch nein. — Voͤgtin. Aber warum auch? Meyerin. Ich hab dir es ſchon geſagt, da will ich voͤllig und allein Meiſter ſeyn. Voͤgtin. Willſt denn vom Vetter gar nichts mehr hoͤren? Meyerin. Hoͤren was du willſt, aber keine Antwort geben, einmal jezt. Voͤgtin. Das iſt ſo viel als nichts. — Meyerin. Wenn du mir jezt mit 17 kaͤmeſt, ſo gaͤb ich keine andere Antwort, und kann nicht; mein kleiner Finger muß hierinn nicht wiſſen was ich thue, bis ich es ſelber weiß. Voͤgtin. Du weiſſeſt es ſchon. — Meyerin. Nein wahrlich, in dieſer Sache iſt halb wiſſen nichts wiſſen; und wenn ich es recht weiß, ſo thue ich es denn grad. Voͤgtin. Und ſagſt mir es denn auch, wenn du es thuſt?

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/220>, abgerufen am 30.04.2024.