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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

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fen, daß ein vernünftig Mensch wie du, aus so
einem Nichts etwas machen kann.

Meyerin. Ich bin einmal jezt so. --

Vögtin. Es sind doch auch unser so viel
Geschwisterte, und in unserer ganzen Ver-
wandtschaft wüßte ich einmal kein einziges,
dem ob so etwas grauset. (ekelt.)

Meyerin. Du hast mir ja das manchmal
gesagt, ich seye nicht aus deiner Verwandt-
schaft.

Vögtin. Das ist jezt wieder ein Stich.

Meyerin. Nein, nein, es giebt derglei-
chen Verwandtschaften, wo es den Leuthen
gar nicht so leicht grauset. --

Vögtin. Ich möchte einmal nicht, daß ich
es darinn hätte wie du.

Meyerin. Ich glaub dirs wohl.

Vögtin. Aber du thust ihm doch unrecht,
er ißt auch nicht so viel Spek als du thust,
und gewiß nicht mehr als ein andrer.

Meyerin. Nein Schwester, das ist jezt
nichts, er mag entsezlich viel, und denn ist es
noch so unverschamt, wie ers hinein stoßt,
es ist mir, ich sehe in meiner Lebtag noch vor
mir zu sizen; die andern haben mir Gesund-
heit getrunken, da er just das Maul voll hatte,
da ist er mit seiner Gesundheit den andern
fast eine Viertelstund hinten nach gekommen,
weil er den Mundvoll nicht hat können her-

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fen, daß ein vernuͤnftig Menſch wie du, aus ſo
einem Nichts etwas machen kann.

Meyerin. Ich bin einmal jezt ſo. —

Voͤgtin. Es ſind doch auch unſer ſo viel
Geſchwiſterte, und in unſerer ganzen Ver-
wandtſchaft wuͤßte ich einmal kein einziges,
dem ob ſo etwas grauſet. (ekelt.)

Meyerin. Du haſt mir ja das manchmal
geſagt, ich ſeye nicht aus deiner Verwandt-
ſchaft.

Voͤgtin. Das iſt jezt wieder ein Stich.

Meyerin. Nein, nein, es giebt derglei-
chen Verwandtſchaften, wo es den Leuthen
gar nicht ſo leicht grauſet. —

Voͤgtin. Ich moͤchte einmal nicht, daß ich
es darinn haͤtte wie du.

Meyerin. Ich glaub dirs wohl.

Voͤgtin. Aber du thuſt ihm doch unrecht,
er ißt auch nicht ſo viel Spek als du thuſt,
und gewiß nicht mehr als ein andrer.

Meyerin. Nein Schweſter, das iſt jezt
nichts, er mag entſezlich viel, und denn iſt es
noch ſo unverſchamt, wie ers hinein ſtoßt,
es iſt mir, ich ſehe in meiner Lebtag noch vor
mir zu ſizen; die andern haben mir Geſund-
heit getrunken, da er juſt das Maul voll hatte,
da iſt er mit ſeiner Geſundheit den andern
faſt eine Viertelſtund hinten nach gekommen,
weil er den Mundvoll nicht hat koͤnnen her-

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[195/0217] fen, daß ein vernuͤnftig Menſch wie du, aus ſo einem Nichts etwas machen kann. Meyerin. Ich bin einmal jezt ſo. — Voͤgtin. Es ſind doch auch unſer ſo viel Geſchwiſterte, und in unſerer ganzen Ver- wandtſchaft wuͤßte ich einmal kein einziges, dem ob ſo etwas grauſet. (ekelt.) Meyerin. Du haſt mir ja das manchmal geſagt, ich ſeye nicht aus deiner Verwandt- ſchaft. Voͤgtin. Das iſt jezt wieder ein Stich. Meyerin. Nein, nein, es giebt derglei- chen Verwandtſchaften, wo es den Leuthen gar nicht ſo leicht grauſet. — Voͤgtin. Ich moͤchte einmal nicht, daß ich es darinn haͤtte wie du. Meyerin. Ich glaub dirs wohl. Voͤgtin. Aber du thuſt ihm doch unrecht, er ißt auch nicht ſo viel Spek als du thuſt, und gewiß nicht mehr als ein andrer. Meyerin. Nein Schweſter, das iſt jezt nichts, er mag entſezlich viel, und denn iſt es noch ſo unverſchamt, wie ers hinein ſtoßt, es iſt mir, ich ſehe in meiner Lebtag noch vor mir zu ſizen; die andern haben mir Geſund- heit getrunken, da er juſt das Maul voll hatte, da iſt er mit ſeiner Geſundheit den andern faſt eine Viertelſtund hinten nach gekommen, weil er den Mundvoll nicht hat koͤnnen her- N 2

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/217>, abgerufen am 30.04.2024.