Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

zu stehen, sondern hinaus zu gehen, und der
Meyerin zu sagen, sie solle in Gottes Nahmen
mit ihm machen, was sie wolle, aber sie soll
es einmal auch an der Gertrud nicht zörnen,
und es ihr nicht nachtragen, daß sie das ge-
than; aber da er sie unter der Thüre so laut
reden hörte, dorfte er nicht weiter, und war-
tete da bis es stillete, denn kam er hervor,
und sagte ihr, was er vor einer Viertelstunde
vor Schreken nicht konnte.

Die Meyerin zog den Fuß hinter sich, und
sah ihn so drey Schritt vom Leib bis zu den
Füssen an, da er so hinter der Thüre hervor,
und gegen sie zu kam. Aber, was sie nicht
denkte, der Mann der jezt so mit der Kappe
(Müze) in der Hand vor ihr stuhnde, und in
jeder Ader zeigte, daß er nichts hoffe, nicht
für sich rede, nicht um seinet willen da stehe,
viel weniger hinter der Thür gestanden, gefiel
ihr so wohl, daß sie jezt ganz still stuhnd, und
den Fuß nicht mehr hinter sich zog, ihn auch
nicht mehr vom Kopf bis zu den Füssen an-
sah, so nahe er jezt auch an sie zu stuhnde.
Er aber achtete es nicht, weder, daß sie nicht
mehr zurük wich, noch daß sie die Augen ge-
ändert, und sagte fast ohne zu denken, daß
es noch seyn könnte, oder seyn sollte, wie in
den Tag hinein, sie solle ihm verzeihen, er
wisse wohl, daß es zu viel an ihm seye, daß

zu ſtehen, ſondern hinaus zu gehen, und der
Meyerin zu ſagen, ſie ſolle in Gottes Nahmen
mit ihm machen, was ſie wolle, aber ſie ſoll
es einmal auch an der Gertrud nicht zoͤrnen,
und es ihr nicht nachtragen, daß ſie das ge-
than; aber da er ſie unter der Thuͤre ſo laut
reden hoͤrte, dorfte er nicht weiter, und war-
tete da bis es ſtillete, denn kam er hervor,
und ſagte ihr, was er vor einer Viertelſtunde
vor Schreken nicht konnte.

Die Meyerin zog den Fuß hinter ſich, und
ſah ihn ſo drey Schritt vom Leib bis zu den
Fuͤſſen an, da er ſo hinter der Thuͤre hervor,
und gegen ſie zu kam. Aber, was ſie nicht
denkte, der Mann der jezt ſo mit der Kappe
(Muͤze) in der Hand vor ihr ſtuhnde, und in
jeder Ader zeigte, daß er nichts hoffe, nicht
fuͤr ſich rede, nicht um ſeinet willen da ſtehe,
viel weniger hinter der Thuͤr geſtanden, gefiel
ihr ſo wohl, daß ſie jezt ganz ſtill ſtuhnd, und
den Fuß nicht mehr hinter ſich zog, ihn auch
nicht mehr vom Kopf bis zu den Fuͤſſen an-
ſah, ſo nahe er jezt auch an ſie zu ſtuhnde.
Er aber achtete es nicht, weder, daß ſie nicht
mehr zuruͤk wich, noch daß ſie die Augen ge-
aͤndert, und ſagte faſt ohne zu denken, daß
es noch ſeyn koͤnnte, oder ſeyn ſollte, wie in
den Tag hinein, ſie ſolle ihm verzeihen, er
wiſſe wohl, daß es zu viel an ihm ſeye, daß

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0179" n="157"/>
zu &#x017F;tehen, &#x017F;ondern hinaus zu gehen, und der<lb/>
Meyerin zu &#x017F;agen, &#x017F;ie &#x017F;olle in Gottes Nahmen<lb/>
mit ihm machen, was &#x017F;ie wolle, aber &#x017F;ie &#x017F;oll<lb/>
es einmal auch an der Gertrud nicht zo&#x0364;rnen,<lb/>
und es ihr nicht nachtragen, daß &#x017F;ie das ge-<lb/>
than; aber da er &#x017F;ie unter der Thu&#x0364;re &#x017F;o laut<lb/>
reden ho&#x0364;rte, dorfte er nicht weiter, und war-<lb/>
tete da bis es &#x017F;tillete, denn kam er hervor,<lb/>
und &#x017F;agte ihr, was er vor einer Viertel&#x017F;tunde<lb/>
vor Schreken nicht konnte.</p><lb/>
        <p>Die Meyerin zog den Fuß hinter &#x017F;ich, und<lb/>
&#x017F;ah ihn &#x017F;o drey Schritt vom Leib bis zu den<lb/>
Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en an, da er &#x017F;o hinter der Thu&#x0364;re hervor,<lb/>
und gegen &#x017F;ie zu kam. Aber, was &#x017F;ie nicht<lb/>
denkte, der Mann der jezt &#x017F;o mit der Kappe<lb/>
(Mu&#x0364;ze) in der Hand vor ihr &#x017F;tuhnde, und in<lb/>
jeder Ader zeigte, daß er nichts hoffe, nicht<lb/>
fu&#x0364;r &#x017F;ich rede, nicht um &#x017F;einet willen da &#x017F;tehe,<lb/>
viel weniger hinter der Thu&#x0364;r ge&#x017F;tanden, gefiel<lb/>
ihr &#x017F;o wohl, daß &#x017F;ie jezt ganz &#x017F;till &#x017F;tuhnd, und<lb/>
den Fuß nicht mehr hinter &#x017F;ich zog, ihn auch<lb/>
nicht mehr vom Kopf bis zu den Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en an-<lb/>
&#x017F;ah, &#x017F;o nahe er jezt auch an &#x017F;ie zu &#x017F;tuhnde.<lb/>
Er aber achtete es nicht, weder, daß &#x017F;ie nicht<lb/>
mehr zuru&#x0364;k wich, noch daß &#x017F;ie die Augen ge-<lb/>
a&#x0364;ndert, und &#x017F;agte fa&#x017F;t ohne zu denken, daß<lb/>
es noch &#x017F;eyn ko&#x0364;nnte, oder &#x017F;eyn &#x017F;ollte, wie in<lb/>
den Tag hinein, &#x017F;ie &#x017F;olle ihm verzeihen, er<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;e wohl, daß es zu viel an ihm &#x017F;eye, daß<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[157/0179] zu ſtehen, ſondern hinaus zu gehen, und der Meyerin zu ſagen, ſie ſolle in Gottes Nahmen mit ihm machen, was ſie wolle, aber ſie ſoll es einmal auch an der Gertrud nicht zoͤrnen, und es ihr nicht nachtragen, daß ſie das ge- than; aber da er ſie unter der Thuͤre ſo laut reden hoͤrte, dorfte er nicht weiter, und war- tete da bis es ſtillete, denn kam er hervor, und ſagte ihr, was er vor einer Viertelſtunde vor Schreken nicht konnte. Die Meyerin zog den Fuß hinter ſich, und ſah ihn ſo drey Schritt vom Leib bis zu den Fuͤſſen an, da er ſo hinter der Thuͤre hervor, und gegen ſie zu kam. Aber, was ſie nicht denkte, der Mann der jezt ſo mit der Kappe (Muͤze) in der Hand vor ihr ſtuhnde, und in jeder Ader zeigte, daß er nichts hoffe, nicht fuͤr ſich rede, nicht um ſeinet willen da ſtehe, viel weniger hinter der Thuͤr geſtanden, gefiel ihr ſo wohl, daß ſie jezt ganz ſtill ſtuhnd, und den Fuß nicht mehr hinter ſich zog, ihn auch nicht mehr vom Kopf bis zu den Fuͤſſen an- ſah, ſo nahe er jezt auch an ſie zu ſtuhnde. Er aber achtete es nicht, weder, daß ſie nicht mehr zuruͤk wich, noch daß ſie die Augen ge- aͤndert, und ſagte faſt ohne zu denken, daß es noch ſeyn koͤnnte, oder ſeyn ſollte, wie in den Tag hinein, ſie ſolle ihm verzeihen, er wiſſe wohl, daß es zu viel an ihm ſeye, daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/179
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/179>, abgerufen am 03.10.2024.