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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

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gemacht, vollends verstanden, nahm sie ihre
beyden ältesten Kinder an die Hand, stuhnd
mit ihnen unter die Baumwollen-Weiber und
Kinder zum Mareylj zu, und sagte ihm: da
hast du jezt noch zwey Kinder an deinen Zug
auf Morgen. Wenn sie schon nicht spinnen
können, und Gottlob nicht nöthig haben,
das zu treiben, so müssen sie dem Jun-
ker doch danken, daß er es so gut mit dem
Dorf meynet, und macht, daß es allen wohl
gehet.

Es hätte nichts begegnen können, das das
Mareylj besser freute. Es schüttelte der Rei-
noldin ihre Hand, und wollte ihr für die Spin-
nerkinder danken; sie aber sagte ihm: du lachest
mich doch nur aus, daß ich so ein lebhafter
Narr bin, aber ich hab einmal jezt nicht an-
derst können.

Das Mareylj antwortete ihr, und schwur
dazu: Nein, das ist ein Meisterstük. --

Reinoldin. Es freuet mich, daß dir auch
einmal etwas recht ist, was ich thue.

Mareylj. Das ist jezt mich ausgespottet,
aber ich habe doch recht in dem, was ich mey-
ne, und worauf du jezt stichelst; wenn du in
deiner Jugend dein Brod hättest verdienet,
wie ich, du wärest gewiß auch nicht wie du
bist: nein, es lehrt einen, wenn man's nicht
hat, und nicht vermag, und doch auch wie

K

gemacht, vollends verſtanden, nahm ſie ihre
beyden aͤlteſten Kinder an die Hand, ſtuhnd
mit ihnen unter die Baumwollen-Weiber und
Kinder zum Mareylj zu, und ſagte ihm: da
haſt du jezt noch zwey Kinder an deinen Zug
auf Morgen. Wenn ſie ſchon nicht ſpinnen
koͤnnen, und Gottlob nicht noͤthig haben,
das zu treiben, ſo muͤſſen ſie dem Jun-
ker doch danken, daß er es ſo gut mit dem
Dorf meynet, und macht, daß es allen wohl
gehet.

Es haͤtte nichts begegnen koͤnnen, das das
Mareylj beſſer freute. Es ſchuͤttelte der Rei-
noldin ihre Hand, und wollte ihr fuͤr die Spin-
nerkinder danken; ſie aber ſagte ihm: du lacheſt
mich doch nur aus, daß ich ſo ein lebhafter
Narr bin, aber ich hab einmal jezt nicht an-
derſt koͤnnen.

Das Mareylj antwortete ihr, und ſchwur
dazu: Nein, das iſt ein Meiſterſtuͤk. —

Reinoldin. Es freuet mich, daß dir auch
einmal etwas recht iſt, was ich thue.

Mareylj. Das iſt jezt mich ausgeſpottet,
aber ich habe doch recht in dem, was ich mey-
ne, und worauf du jezt ſtichelſt; wenn du in
deiner Jugend dein Brod haͤtteſt verdienet,
wie ich, du waͤreſt gewiß auch nicht wie du
biſt: nein, es lehrt einen, wenn man’s nicht
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[145/0167] gemacht, vollends verſtanden, nahm ſie ihre beyden aͤlteſten Kinder an die Hand, ſtuhnd mit ihnen unter die Baumwollen-Weiber und Kinder zum Mareylj zu, und ſagte ihm: da haſt du jezt noch zwey Kinder an deinen Zug auf Morgen. Wenn ſie ſchon nicht ſpinnen koͤnnen, und Gottlob nicht noͤthig haben, das zu treiben, ſo muͤſſen ſie dem Jun- ker doch danken, daß er es ſo gut mit dem Dorf meynet, und macht, daß es allen wohl gehet. Es haͤtte nichts begegnen koͤnnen, das das Mareylj beſſer freute. Es ſchuͤttelte der Rei- noldin ihre Hand, und wollte ihr fuͤr die Spin- nerkinder danken; ſie aber ſagte ihm: du lacheſt mich doch nur aus, daß ich ſo ein lebhafter Narr bin, aber ich hab einmal jezt nicht an- derſt koͤnnen. Das Mareylj antwortete ihr, und ſchwur dazu: Nein, das iſt ein Meiſterſtuͤk. — Reinoldin. Es freuet mich, daß dir auch einmal etwas recht iſt, was ich thue. Mareylj. Das iſt jezt mich ausgeſpottet, aber ich habe doch recht in dem, was ich mey- ne, und worauf du jezt ſtichelſt; wenn du in deiner Jugend dein Brod haͤtteſt verdienet, wie ich, du waͤreſt gewiß auch nicht wie du biſt: nein, es lehrt einen, wenn man’s nicht hat, und nicht vermag, und doch auch wie K

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/167>, abgerufen am 27.04.2024.