Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

wir es zu weit getrieben, und das im Dorf
herum lauffen und abreden gar nicht nöthig."

So bald der Murrbär merkte, daß er
vom Lienert nichts mehr zu befahren, war
er im Augenblik nicht mehr der Pudel, der
sich schmiegte, sonder der Pudel, der knur-
rete, und die Zähne hervor ließ. Er sagte
izt zum Lienert: Es ist gut, daß du wieder
zu dir selber gekommen, daß man mit dir
reden kann.

Der ehrliche Lienert antwortete: Es ist
mir leid, daß ich mich so wenig besizen kann.

Murrbär. Es ist gut, wenn in solchen
Fällen unter zweyen auch einer Verstand hat.
-- Wenn ich vor ein paar Stunden mich
so wenig zu besizen gewußt hätte, wie du,
es hätte Mord und Todtschlag absezen kön-
nen; aber ich dachte, es müße einer der ge-
scheidere seyn, und ich wolle dich nur ver-
schnaufen lassen, es sey dann etwa morn
noch Zeit genug, zu sehen, was für eine
Meynung daß es habe, und ob dein Ge-
richtsherrenweib im Ernst über meine Frau
so Urtheil und Recht sprechen könne.

Lienert. Es ist hiemit gut, daß ich vor
mir selber gekommen, deiner Frauen diese
Arbeit zu schenken.

Murrbär. Vom Schenken möchte ich,
wenn ich dich wäre, so wenig reden, als ich

nur

wir es zu weit getrieben, und das im Dorf
herum lauffen und abreden gar nicht noͤthig.“

So bald der Murrbaͤr merkte, daß er
vom Lienert nichts mehr zu befahren, war
er im Augenblik nicht mehr der Pudel, der
ſich ſchmiegte, ſonder der Pudel, der knur-
rete, und die Zaͤhne hervor ließ. Er ſagte
izt zum Lienert: Es iſt gut, daß du wieder
zu dir ſelber gekommen, daß man mit dir
reden kann.

Der ehrliche Lienert antwortete: Es iſt
mir leid, daß ich mich ſo wenig beſizen kann.

Murrbaͤr. Es iſt gut, wenn in ſolchen
Faͤllen unter zweyen auch einer Verſtand hat.
— Wenn ich vor ein paar Stunden mich
ſo wenig zu beſizen gewußt haͤtte, wie du,
es haͤtte Mord und Todtſchlag abſezen koͤn-
nen; aber ich dachte, es muͤße einer der ge-
ſcheidere ſeyn, und ich wolle dich nur ver-
ſchnaufen laſſen, es ſey dann etwa morn
noch Zeit genug, zu ſehen, was fuͤr eine
Meynung daß es habe, und ob dein Ge-
richtsherrenweib im Ernſt uͤber meine Frau
ſo Urtheil und Recht ſprechen koͤnne.

Lienert. Es iſt hiemit gut, daß ich vor
mir ſelber gekommen, deiner Frauen dieſe
Arbeit zu ſchenken.

Murrbaͤr. Vom Schenken moͤchte ich,
wenn ich dich waͤre, ſo wenig reden, als ich

nur
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0092" n="74"/>
wir es zu weit getrieben, und das im Dorf<lb/>
herum lauffen und abreden gar nicht no&#x0364;thig.&#x201C;</p><lb/>
          <p>So bald der Murrba&#x0364;r merkte, daß er<lb/>
vom Lienert nichts mehr zu befahren, war<lb/>
er im Augenblik nicht mehr der Pudel, der<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;chmiegte, &#x017F;onder der Pudel, der knur-<lb/>
rete, und die Za&#x0364;hne hervor ließ. Er &#x017F;agte<lb/>
izt zum Lienert: Es i&#x017F;t gut, daß du wieder<lb/>
zu dir &#x017F;elber gekommen, daß man mit dir<lb/>
reden kann.</p><lb/>
          <p>Der ehrliche Lienert antwortete: Es i&#x017F;t<lb/>
mir leid, daß ich mich &#x017F;o wenig be&#x017F;izen kann.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Murrba&#x0364;r.</hi> Es i&#x017F;t gut, wenn in &#x017F;olchen<lb/>
Fa&#x0364;llen unter zweyen auch einer Ver&#x017F;tand hat.<lb/>
&#x2014; Wenn ich vor ein paar Stunden mich<lb/>
&#x017F;o wenig zu be&#x017F;izen gewußt ha&#x0364;tte, wie du,<lb/>
es ha&#x0364;tte Mord und Todt&#x017F;chlag ab&#x017F;ezen ko&#x0364;n-<lb/>
nen; aber ich dachte, es mu&#x0364;ße einer der ge-<lb/>
&#x017F;cheidere &#x017F;eyn, und ich wolle dich nur ver-<lb/>
&#x017F;chnaufen la&#x017F;&#x017F;en, es &#x017F;ey dann etwa morn<lb/>
noch Zeit genug, zu &#x017F;ehen, was fu&#x0364;r eine<lb/>
Meynung daß es habe, und ob dein Ge-<lb/>
richtsherrenweib im Ern&#x017F;t u&#x0364;ber meine Frau<lb/>
&#x017F;o Urtheil und Recht &#x017F;prechen ko&#x0364;nne.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Lienert.</hi> Es i&#x017F;t hiemit gut, daß ich vor<lb/>
mir &#x017F;elber gekommen, deiner Frauen die&#x017F;e<lb/>
Arbeit zu &#x017F;chenken.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Murrba&#x0364;r.</hi> Vom Schenken mo&#x0364;chte ich,<lb/>
wenn ich dich wa&#x0364;re, &#x017F;o wenig reden, als ich<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nur</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[74/0092] wir es zu weit getrieben, und das im Dorf herum lauffen und abreden gar nicht noͤthig.“ So bald der Murrbaͤr merkte, daß er vom Lienert nichts mehr zu befahren, war er im Augenblik nicht mehr der Pudel, der ſich ſchmiegte, ſonder der Pudel, der knur- rete, und die Zaͤhne hervor ließ. Er ſagte izt zum Lienert: Es iſt gut, daß du wieder zu dir ſelber gekommen, daß man mit dir reden kann. Der ehrliche Lienert antwortete: Es iſt mir leid, daß ich mich ſo wenig beſizen kann. Murrbaͤr. Es iſt gut, wenn in ſolchen Faͤllen unter zweyen auch einer Verſtand hat. — Wenn ich vor ein paar Stunden mich ſo wenig zu beſizen gewußt haͤtte, wie du, es haͤtte Mord und Todtſchlag abſezen koͤn- nen; aber ich dachte, es muͤße einer der ge- ſcheidere ſeyn, und ich wolle dich nur ver- ſchnaufen laſſen, es ſey dann etwa morn noch Zeit genug, zu ſehen, was fuͤr eine Meynung daß es habe, und ob dein Ge- richtsherrenweib im Ernſt uͤber meine Frau ſo Urtheil und Recht ſprechen koͤnne. Lienert. Es iſt hiemit gut, daß ich vor mir ſelber gekommen, deiner Frauen dieſe Arbeit zu ſchenken. Murrbaͤr. Vom Schenken moͤchte ich, wenn ich dich waͤre, ſo wenig reden, als ich nur

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/92
Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/92>, abgerufen am 23.11.2024.