Umsonst erschütterten ihn die Schreken des Meineids -- da der arme Wüst vor ihm zu fast verzweifelt. --
Umsonst überfiel ihn ein Schauer, da er vor des Rudis Fenstern weggieng, und das Geheul der jammernden Kinder, bey der ster- benden Frauen hörte. --
Umsonst schien ihm auch die liebe Sonne, als er auf des Meyers Hübel, noch in ihre lezten Strahlen hineinsah, und ihr nach- staunen mußte, bis sie hinter dem Berg war, -- Er sah nur Schatten, Nacht und Grau- sen, das ihn umgab -- er konnte selbst beym Anblik der lieben Sonne nichts thun, als mit den Zähnen kirren. -- Er konnte izt nicht mehr auf den Herrn hoffen, der aus dem Staube rettet, und aus den Tiefen erlöset -- Er kirrete nur mit den Zähnen. --
Umsonst warnete ihn sein Weib.
Umsonst zeigte sie ihm, wo er stehe, und wohin ihn sein Leben führe.
Umsonst bath sie, daß er sich nicht noch mehr vertiefe.
Umsonst empfand er selber: sie hat recht, und mehr als recht. -- Er war izt verwil- dert -- die Wuth seines Unsinns und bö- ser Begierden machte ihn taub und blind gegen alle Vernunft -- er sah, wie tief er stekte, und wollte aus dem Schlamm heraus
wü-
Y 4
Umſonſt erſchuͤtterten ihn die Schreken des Meineids — da der arme Wuͤſt vor ihm zu faſt verzweifelt. —
Umſonſt uͤberfiel ihn ein Schauer, da er vor des Rudis Fenſtern weggieng, und das Geheul der jammernden Kinder, bey der ſter- benden Frauen hoͤrte. —
Umſonſt ſchien ihm auch die liebe Sonne, als er auf des Meyers Huͤbel, noch in ihre lezten Strahlen hineinſah, und ihr nach- ſtaunen mußte, bis ſie hinter dem Berg war, — Er ſah nur Schatten, Nacht und Grau- ſen, das ihn umgab — er konnte ſelbſt beym Anblik der lieben Sonne nichts thun, als mit den Zaͤhnen kirren. — Er konnte izt nicht mehr auf den Herrn hoffen, der aus dem Staube rettet, und aus den Tiefen erloͤſet — Er kirrete nur mit den Zaͤhnen. —
Umſonſt warnete ihn ſein Weib.
Umſonſt zeigte ſie ihm, wo er ſtehe, und wohin ihn ſein Leben fuͤhre.
Umſonſt bath ſie, daß er ſich nicht noch mehr vertiefe.
Umſonſt empfand er ſelber: ſie hat recht, und mehr als recht. — Er war izt verwil- dert — die Wuth ſeines Unſinns und boͤ- ſer Begierden machte ihn taub und blind gegen alle Vernunft — er ſah, wie tief er ſtekte, und wollte aus dem Schlam̃ heraus
wuͤ-
Y 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0361"n="343"/><p>Umſonſt erſchuͤtterten ihn die Schreken<lb/>
des Meineids — da der arme Wuͤſt vor<lb/>
ihm zu faſt verzweifelt. —</p><lb/><p>Umſonſt uͤberfiel ihn ein Schauer, da er<lb/>
vor des Rudis Fenſtern weggieng, und das<lb/>
Geheul der jammernden Kinder, bey der ſter-<lb/>
benden Frauen hoͤrte. —</p><lb/><p>Umſonſt ſchien ihm auch die liebe Sonne,<lb/>
als er auf des Meyers Huͤbel, noch in ihre<lb/>
lezten Strahlen hineinſah, und ihr nach-<lb/>ſtaunen mußte, bis ſie hinter dem Berg war,<lb/>— Er ſah nur Schatten, Nacht und Grau-<lb/>ſen, das ihn umgab — er konnte ſelbſt<lb/>
beym Anblik der lieben Sonne nichts thun,<lb/>
als mit den Zaͤhnen kirren. — Er konnte<lb/>
izt nicht mehr auf den Herrn hoffen, der<lb/>
aus dem Staube rettet, und aus den Tiefen<lb/>
erloͤſet — Er kirrete nur mit den Zaͤhnen. —</p><lb/><p>Umſonſt warnete ihn ſein Weib.</p><lb/><p>Umſonſt zeigte ſie ihm, wo er ſtehe, und<lb/>
wohin ihn ſein Leben fuͤhre.</p><lb/><p>Umſonſt bath ſie, daß er ſich nicht noch<lb/>
mehr vertiefe.</p><lb/><p>Umſonſt empfand er ſelber: ſie hat recht,<lb/>
und mehr als recht. — Er war izt verwil-<lb/>
dert — die Wuth ſeines Unſinns und boͤ-<lb/>ſer Begierden machte ihn taub und blind<lb/>
gegen alle Vernunft — er ſah, wie tief er<lb/>ſtekte, und wollte aus dem Schlam̃ heraus<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Y 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">wuͤ-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[343/0361]
Umſonſt erſchuͤtterten ihn die Schreken
des Meineids — da der arme Wuͤſt vor
ihm zu faſt verzweifelt. —
Umſonſt uͤberfiel ihn ein Schauer, da er
vor des Rudis Fenſtern weggieng, und das
Geheul der jammernden Kinder, bey der ſter-
benden Frauen hoͤrte. —
Umſonſt ſchien ihm auch die liebe Sonne,
als er auf des Meyers Huͤbel, noch in ihre
lezten Strahlen hineinſah, und ihr nach-
ſtaunen mußte, bis ſie hinter dem Berg war,
— Er ſah nur Schatten, Nacht und Grau-
ſen, das ihn umgab — er konnte ſelbſt
beym Anblik der lieben Sonne nichts thun,
als mit den Zaͤhnen kirren. — Er konnte
izt nicht mehr auf den Herrn hoffen, der
aus dem Staube rettet, und aus den Tiefen
erloͤſet — Er kirrete nur mit den Zaͤhnen. —
Umſonſt warnete ihn ſein Weib.
Umſonſt zeigte ſie ihm, wo er ſtehe, und
wohin ihn ſein Leben fuͤhre.
Umſonſt bath ſie, daß er ſich nicht noch
mehr vertiefe.
Umſonſt empfand er ſelber: ſie hat recht,
und mehr als recht. — Er war izt verwil-
dert — die Wuth ſeines Unſinns und boͤ-
ſer Begierden machte ihn taub und blind
gegen alle Vernunft — er ſah, wie tief er
ſtekte, und wollte aus dem Schlam̃ heraus
wuͤ-
Y 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/361>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.