ob dem Lügen Lernen Thaler verdient, so habe er ob dem Stählen Lernen Dublonen verdient.
Jm Streit mit dem Kümmerlig, da er meynte, der Mann müße den Handel in den ersten Wochen aufgeben, weil es ins Herzo- gen Land so kostbar zu tröhlen, konnte er lange nicht begreiffen, wie der Mann es aushalten, und immer Geld finden konnte. Endlich vernahm er, daß man ihm hier im Dorf Geld vorstreke, so viel er wolle, und daß er auf Neid und Haß gegen ihn hin, drey und vierhundert fl. Geld ertlehnen konn- te, wenn er nur wollte, -- und diese Ent- dekung war die Ursache, daß er plözlich den Streit aufgab, und die Kösten zahlte. --
So zeigte ihm ein Vorfall nach dem an- dern, daß seine Kraft dahin sey, und daß er nichts mehr vermöge. Er sah, daß ihm offentlich und heimlich alles feind; die mei- sten Leute scheuten ihn freylich noch, und unter hunderten ließen neun und neunzig fünfe grad seyn, ehe sie mit ihm stritten; aber doch war's nicht mehr der alte Schreken im Volk, man lachte ihm in's Angesicht, und kehrte ihm den Rüken, wenn er seine Wuth hervor ließ. Er kam mit seiner Gewaltthä- tigkeit nicht mehr zum Ziel, und mit allem Geiz und mit allen Diebstählen nicht mehr
auf
ob dem Luͤgen Lernen Thaler verdient, ſo habe er ob dem Staͤhlen Lernen Dublonen verdient.
Jm Streit mit dem Kuͤmmerlig, da er meynte, der Mann muͤße den Handel in den erſten Wochen aufgeben, weil es ins Herzo- gen Land ſo koſtbar zu troͤhlen, konnte er lange nicht begreiffen, wie der Mann es aushalten, und immer Geld finden konnte. Endlich vernahm er, daß man ihm hier im Dorf Geld vorſtreke, ſo viel er wolle, und daß er auf Neid und Haß gegen ihn hin, drey und vierhundert fl. Geld ertlehnen koñ- te, wenn er nur wollte, — und dieſe Ent- dekung war die Urſache, daß er ploͤzlich den Streit aufgab, und die Koͤſten zahlte. —
So zeigte ihm ein Vorfall nach dem an- dern, daß ſeine Kraft dahin ſey, und daß er nichts mehr vermoͤge. Er ſah, daß ihm offentlich und heimlich alles feind; die mei- ſten Leute ſcheuten ihn freylich noch, und unter hunderten ließen neun und neunzig fuͤnfe grad ſeyn, ehe ſie mit ihm ſtritten; aber doch war's nicht mehr der alte Schreken im Volk, man lachte ihm in's Angeſicht, und kehrte ihm den Ruͤken, wenn er ſeine Wuth hervor ließ. Er kam mit ſeiner Gewaltthaͤ- tigkeit nicht mehr zum Ziel, und mit allem Geiz und mit allen Diebſtaͤhlen nicht mehr
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ob dem Luͤgen Lernen Thaler verdient, ſo
habe er ob dem Staͤhlen Lernen Dublonen
verdient.
Jm Streit mit dem Kuͤmmerlig, da er
meynte, der Mann muͤße den Handel in den
erſten Wochen aufgeben, weil es ins Herzo-
gen Land ſo koſtbar zu troͤhlen, konnte er
lange nicht begreiffen, wie der Mann es
aushalten, und immer Geld finden konnte.
Endlich vernahm er, daß man ihm hier im
Dorf Geld vorſtreke, ſo viel er wolle, und
daß er auf Neid und Haß gegen ihn hin,
drey und vierhundert fl. Geld ertlehnen koñ-
te, wenn er nur wollte, — und dieſe Ent-
dekung war die Urſache, daß er ploͤzlich den
Streit aufgab, und die Koͤſten zahlte. —
So zeigte ihm ein Vorfall nach dem an-
dern, daß ſeine Kraft dahin ſey, und daß
er nichts mehr vermoͤge. Er ſah, daß ihm
offentlich und heimlich alles feind; die mei-
ſten Leute ſcheuten ihn freylich noch, und
unter hunderten ließen neun und neunzig
fuͤnfe grad ſeyn, ehe ſie mit ihm ſtritten; aber
doch war's nicht mehr der alte Schreken im
Volk, man lachte ihm in's Angeſicht, und
kehrte ihm den Ruͤken, wenn er ſeine Wuth
hervor ließ. Er kam mit ſeiner Gewaltthaͤ-
tigkeit nicht mehr zum Ziel, und mit allem
Geiz und mit allen Diebſtaͤhlen nicht mehr
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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/354>, abgerufen am 25.11.2024.
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