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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

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nur abthut von der Erde, damit es nichts
mehr auf ihr schade. -- Es war die Straf-
fe eines Menschen, mit der man ihn selber
und seinen Nächsten weiser und besser machen
wollte, als sie zuvor waren. --

Er stand da -- entblößt an Haupt und
Füßen an seinem Ort, -- und sprach drey-
mal laut nach:

"Hier hab' ich verdient zu verfaulen" --

Mit starker Stimme antwortete ein Ge-
richtsmann:

"Ja, du hast verdient, daß hier deine Ge-
beine verfaulen, und die Vögel des Himmels
dein Fleisch essen."

Dreymal antwortete er wieder: "Jch hab'
es verdienet."

"Er hat Gnade, Knecht der Gerechtig-
keit! tödte ihn nicht" -- rief izt mit lauter
Stimme der Richter mit dem Stab. --

"Was soll ich ihm dann thun"? erwieder-
te der Knecht der Gerechtigkeit.

"Du sollst ihn binden an den Balken des
Galgens, und seine Hand an einem Pfahl
fest machen, und die Finger des Meineidigen
dreymal mit unauslöschlicher schwarzer Farbe
anstreichen."

Der Knecht der Gerechtigkeit that izt, was
ihm befohlen war, und stand dann mit ent-
blößtem Schwerdt hinter dem Unglüklichen. --

Jn-
B

nur abthut von der Erde, damit es nichts
mehr auf ihr ſchade. — Es war die Straf-
fe eines Menſchen, mit der man ihn ſelber
und ſeinen Naͤchſten weiſer und beſſer machen
wollte, als ſie zuvor waren. —

Er ſtand da — entbloͤßt an Haupt und
Fuͤßen an ſeinem Ort, — und ſprach drey-
mal laut nach:

„Hier hab' ich verdient zu verfaulen“ —

Mit ſtarker Stimme antwortete ein Ge-
richtsmann:

„Ja, du haſt verdient, daß hier deine Ge-
beine verfaulen, und die Voͤgel des Him̃els
dein Fleiſch eſſen.“

Dreymal antwortete er wieder: „Jch hab'
es verdienet.“

„Er hat Gnade, Knecht der Gerechtig-
keit! toͤdte ihn nicht“ — rief izt mit lauter
Stimme der Richter mit dem Stab. —

„Was ſoll ich ihm dann thun“? erwieder-
te der Knecht der Gerechtigkeit.

„Du ſollſt ihn binden an den Balken des
Galgens, und ſeine Hand an einem Pfahl
feſt machen, und die Finger des Meineidigen
dreymal mit unausloͤſchlicher ſchwarzer Farbe
anſtreichen.“

Der Knecht der Gerechtigkeit that izt, was
ihm befohlen war, und ſtand dann mit ent-
bloͤßtem Schwerdt hinter dem Ungluͤklichen. —

Jn-
B
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[17/0035] nur abthut von der Erde, damit es nichts mehr auf ihr ſchade. — Es war die Straf- fe eines Menſchen, mit der man ihn ſelber und ſeinen Naͤchſten weiſer und beſſer machen wollte, als ſie zuvor waren. — Er ſtand da — entbloͤßt an Haupt und Fuͤßen an ſeinem Ort, — und ſprach drey- mal laut nach: „Hier hab' ich verdient zu verfaulen“ — Mit ſtarker Stimme antwortete ein Ge- richtsmann: „Ja, du haſt verdient, daß hier deine Ge- beine verfaulen, und die Voͤgel des Him̃els dein Fleiſch eſſen.“ Dreymal antwortete er wieder: „Jch hab' es verdienet.“ „Er hat Gnade, Knecht der Gerechtig- keit! toͤdte ihn nicht“ — rief izt mit lauter Stimme der Richter mit dem Stab. — „Was ſoll ich ihm dann thun“? erwieder- te der Knecht der Gerechtigkeit. „Du ſollſt ihn binden an den Balken des Galgens, und ſeine Hand an einem Pfahl feſt machen, und die Finger des Meineidigen dreymal mit unausloͤſchlicher ſchwarzer Farbe anſtreichen.“ Der Knecht der Gerechtigkeit that izt, was ihm befohlen war, und ſtand dann mit ent- bloͤßtem Schwerdt hinter dem Ungluͤklichen. — Jn- B

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Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/35>, abgerufen am 25.04.2024.