Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

was für ein erschrekliches Wort der Vogt
nur einen Augenblik vor dem großen Don-
nerschlag geredt. Weib und Kinder und
Dienste, die wie gewohnt, bey einem Wet-
ter zur Bibel jukten, und das Bethbuch
in Händen hatten, b'hüteten und b'segneten
sich ob dem gottlosen Mann. -- Jndessen
wars immer immer dunkler, donnerte Schlag
auf Schlag, es fielen Steine wie Nussen --
hinter dem Wetter folgte ein Wolkenbruch;
-- der Waldbach zerriß den Damm, der
ihn vom Mühlibach scheidet, und stürzte ver-
einigt mit dem Mühlibach gegen das Tobel;
das Wasser schwellte sich zuerst oben am To-
bel in der Ebene hinter dem Vorderdörfler-
Stäg, und machte da wie eine See.

Der Vogt both 1000. fl., wenn man
den Stäg einreißen, und Luft machen konnte,
und wenn man entschlossen im Anfang, mit
starken Rossen durchs Wasser gegen den
Stäg angeritten, und mit Feuerhaken ange-
sezt hätte, so wäre es möglich gewesen, ihn
einzureißen; aber so sehr 1000. fl. einem
wohl thun, wenn er nichts hat, und so nö-
thig es ihrer hundert gehabt hätten, so woll-
te sich doch niemand wagen.

Der Vogt bath und bath, rühmte seine
Rosse, wie stark und gut sie seyen, wie gern
sie ins Wasser gehen, und wie sicher sie

sey-
X

was fuͤr ein erſchrekliches Wort der Vogt
nur einen Augenblik vor dem großen Don-
nerſchlag geredt. Weib und Kinder und
Dienſte, die wie gewohnt, bey einem Wet-
ter zur Bibel jukten, und das Bethbuch
in Haͤnden hatten, b'huͤteten und b'ſegneten
ſich ob dem gottloſen Mann. — Jndeſſen
wars immer im̃er dunkler, donnerte Schlag
auf Schlag, es fielen Steine wie Nuſſen —
hinter dem Wetter folgte ein Wolkenbruch;
— der Waldbach zerriß den Damm, der
ihn vom Muͤhlibach ſcheidet, und ſtuͤrzte ver-
einigt mit dem Muͤhlibach gegen das Tobel;
das Waſſer ſchwellte ſich zuerſt oben am To-
bel in der Ebene hinter dem Vorderdoͤrfler-
Staͤg, und machte da wie eine See.

Der Vogt both 1000. fl., wenn man
den Staͤg einreißen, und Luft machen koñte,
und wenn man entſchloſſen im Anfang, mit
ſtarken Roſſen durchs Waſſer gegen den
Staͤg angeritten, und mit Feuerhaken ange-
ſezt haͤtte, ſo waͤre es moͤglich geweſen, ihn
einzureißen; aber ſo ſehr 1000. fl. einem
wohl thun, wenn er nichts hat, und ſo noͤ-
thig es ihrer hundert gehabt haͤtten, ſo woll-
te ſich doch niemand wagen.

Der Vogt bath und bath, ruͤhmte ſeine
Roſſe, wie ſtark und gut ſie ſeyen, wie gern
ſie ins Waſſer gehen, und wie ſicher ſie

ſey-
X
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0339" n="321"/>
was fu&#x0364;r ein er&#x017F;chrekliches Wort der Vogt<lb/>
nur einen Augenblik vor dem großen Don-<lb/>
ner&#x017F;chlag geredt. Weib und Kinder und<lb/>
Dien&#x017F;te, die wie gewohnt, bey einem Wet-<lb/>
ter zur Bibel jukten, und das Bethbuch<lb/>
in Ha&#x0364;nden hatten, b'hu&#x0364;teten und b'&#x017F;egneten<lb/>
&#x017F;ich ob dem gottlo&#x017F;en Mann. &#x2014; Jnde&#x017F;&#x017F;en<lb/>
wars immer im&#x0303;er dunkler, donnerte Schlag<lb/>
auf Schlag, es fielen Steine wie Nu&#x017F;&#x017F;en &#x2014;<lb/>
hinter dem Wetter folgte ein Wolkenbruch;<lb/>
&#x2014; der Waldbach zerriß den Damm, der<lb/>
ihn vom Mu&#x0364;hlibach &#x017F;cheidet, und &#x017F;tu&#x0364;rzte ver-<lb/>
einigt mit dem Mu&#x0364;hlibach gegen das Tobel;<lb/>
das Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;chwellte &#x017F;ich zuer&#x017F;t oben am To-<lb/>
bel in der Ebene hinter dem Vorderdo&#x0364;rfler-<lb/>
Sta&#x0364;g, und machte da wie eine See.</p><lb/>
          <p>Der Vogt both 1000. fl., wenn man<lb/>
den Sta&#x0364;g einreißen, und Luft machen koñte,<lb/>
und wenn man ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en im Anfang, mit<lb/>
&#x017F;tarken Ro&#x017F;&#x017F;en durchs Wa&#x017F;&#x017F;er gegen den<lb/>
Sta&#x0364;g angeritten, und mit Feuerhaken ange-<lb/>
&#x017F;ezt ha&#x0364;tte, &#x017F;o wa&#x0364;re es mo&#x0364;glich gewe&#x017F;en, ihn<lb/>
einzureißen; aber &#x017F;o &#x017F;ehr 1000. fl. einem<lb/>
wohl thun, wenn er nichts hat, und &#x017F;o no&#x0364;-<lb/>
thig es ihrer hundert gehabt ha&#x0364;tten, &#x017F;o woll-<lb/>
te &#x017F;ich doch niemand wagen.</p><lb/>
          <p>Der Vogt bath und bath, ru&#x0364;hmte &#x017F;eine<lb/>
Ro&#x017F;&#x017F;e, wie &#x017F;tark und gut &#x017F;ie &#x017F;eyen, wie gern<lb/>
&#x017F;ie ins Wa&#x017F;&#x017F;er gehen, und wie &#x017F;icher &#x017F;ie<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">X</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ey-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[321/0339] was fuͤr ein erſchrekliches Wort der Vogt nur einen Augenblik vor dem großen Don- nerſchlag geredt. Weib und Kinder und Dienſte, die wie gewohnt, bey einem Wet- ter zur Bibel jukten, und das Bethbuch in Haͤnden hatten, b'huͤteten und b'ſegneten ſich ob dem gottloſen Mann. — Jndeſſen wars immer im̃er dunkler, donnerte Schlag auf Schlag, es fielen Steine wie Nuſſen — hinter dem Wetter folgte ein Wolkenbruch; — der Waldbach zerriß den Damm, der ihn vom Muͤhlibach ſcheidet, und ſtuͤrzte ver- einigt mit dem Muͤhlibach gegen das Tobel; das Waſſer ſchwellte ſich zuerſt oben am To- bel in der Ebene hinter dem Vorderdoͤrfler- Staͤg, und machte da wie eine See. Der Vogt both 1000. fl., wenn man den Staͤg einreißen, und Luft machen koñte, und wenn man entſchloſſen im Anfang, mit ſtarken Roſſen durchs Waſſer gegen den Staͤg angeritten, und mit Feuerhaken ange- ſezt haͤtte, ſo waͤre es moͤglich geweſen, ihn einzureißen; aber ſo ſehr 1000. fl. einem wohl thun, wenn er nichts hat, und ſo noͤ- thig es ihrer hundert gehabt haͤtten, ſo woll- te ſich doch niemand wagen. Der Vogt bath und bath, ruͤhmte ſeine Roſſe, wie ſtark und gut ſie ſeyen, wie gern ſie ins Waſſer gehen, und wie ſicher ſie ſey- X

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/339
Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/339>, abgerufen am 25.11.2024.