was für ein erschrekliches Wort der Vogt nur einen Augenblik vor dem großen Don- nerschlag geredt. Weib und Kinder und Dienste, die wie gewohnt, bey einem Wet- ter zur Bibel jukten, und das Bethbuch in Händen hatten, b'hüteten und b'segneten sich ob dem gottlosen Mann. -- Jndessen wars immer immer dunkler, donnerte Schlag auf Schlag, es fielen Steine wie Nussen -- hinter dem Wetter folgte ein Wolkenbruch; -- der Waldbach zerriß den Damm, der ihn vom Mühlibach scheidet, und stürzte ver- einigt mit dem Mühlibach gegen das Tobel; das Wasser schwellte sich zuerst oben am To- bel in der Ebene hinter dem Vorderdörfler- Stäg, und machte da wie eine See.
Der Vogt both 1000. fl., wenn man den Stäg einreißen, und Luft machen konnte, und wenn man entschlossen im Anfang, mit starken Rossen durchs Wasser gegen den Stäg angeritten, und mit Feuerhaken ange- sezt hätte, so wäre es möglich gewesen, ihn einzureißen; aber so sehr 1000. fl. einem wohl thun, wenn er nichts hat, und so nö- thig es ihrer hundert gehabt hätten, so woll- te sich doch niemand wagen.
Der Vogt bath und bath, rühmte seine Rosse, wie stark und gut sie seyen, wie gern sie ins Wasser gehen, und wie sicher sie
sey-
X
was fuͤr ein erſchrekliches Wort der Vogt nur einen Augenblik vor dem großen Don- nerſchlag geredt. Weib und Kinder und Dienſte, die wie gewohnt, bey einem Wet- ter zur Bibel jukten, und das Bethbuch in Haͤnden hatten, b'huͤteten und b'ſegneten ſich ob dem gottloſen Mann. — Jndeſſen wars immer im̃er dunkler, donnerte Schlag auf Schlag, es fielen Steine wie Nuſſen — hinter dem Wetter folgte ein Wolkenbruch; — der Waldbach zerriß den Damm, der ihn vom Muͤhlibach ſcheidet, und ſtuͤrzte ver- einigt mit dem Muͤhlibach gegen das Tobel; das Waſſer ſchwellte ſich zuerſt oben am To- bel in der Ebene hinter dem Vorderdoͤrfler- Staͤg, und machte da wie eine See.
Der Vogt both 1000. fl., wenn man den Staͤg einreißen, und Luft machen koñte, und wenn man entſchloſſen im Anfang, mit ſtarken Roſſen durchs Waſſer gegen den Staͤg angeritten, und mit Feuerhaken ange- ſezt haͤtte, ſo waͤre es moͤglich geweſen, ihn einzureißen; aber ſo ſehr 1000. fl. einem wohl thun, wenn er nichts hat, und ſo noͤ- thig es ihrer hundert gehabt haͤtten, ſo woll- te ſich doch niemand wagen.
Der Vogt bath und bath, ruͤhmte ſeine Roſſe, wie ſtark und gut ſie ſeyen, wie gern ſie ins Waſſer gehen, und wie ſicher ſie
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was fuͤr ein erſchrekliches Wort der Vogt
nur einen Augenblik vor dem großen Don-
nerſchlag geredt. Weib und Kinder und
Dienſte, die wie gewohnt, bey einem Wet-
ter zur Bibel jukten, und das Bethbuch
in Haͤnden hatten, b'huͤteten und b'ſegneten
ſich ob dem gottloſen Mann. — Jndeſſen
wars immer im̃er dunkler, donnerte Schlag
auf Schlag, es fielen Steine wie Nuſſen —
hinter dem Wetter folgte ein Wolkenbruch;
— der Waldbach zerriß den Damm, der
ihn vom Muͤhlibach ſcheidet, und ſtuͤrzte ver-
einigt mit dem Muͤhlibach gegen das Tobel;
das Waſſer ſchwellte ſich zuerſt oben am To-
bel in der Ebene hinter dem Vorderdoͤrfler-
Staͤg, und machte da wie eine See.
Der Vogt both 1000. fl., wenn man
den Staͤg einreißen, und Luft machen koñte,
und wenn man entſchloſſen im Anfang, mit
ſtarken Roſſen durchs Waſſer gegen den
Staͤg angeritten, und mit Feuerhaken ange-
ſezt haͤtte, ſo waͤre es moͤglich geweſen, ihn
einzureißen; aber ſo ſehr 1000. fl. einem
wohl thun, wenn er nichts hat, und ſo noͤ-
thig es ihrer hundert gehabt haͤtten, ſo woll-
te ſich doch niemand wagen.
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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/339>, abgerufen am 25.11.2024.
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