tete hinter dem Gestäude, wer izt den Sak abzuholen kommen werde -- es vergieng keine halbe Stunde, so kam der Mühli-Karrer, und nahm noch zwey solche Säke aus dem Gestäude hervor, als er aber des Rütibau- ren seinen nehmen wollte, schlug dieser mit einem Zaunsteken so auf ihn zu, daß er in Ohnmacht fiel, und eine Viertelstund in Mitte der Straße liegen blieb, bis man es in der Mühli vernommen, und ihn heimge- hollt. Sint dieser Zeit ist der Christoph nie mehr ohne seinen großen Hund von Hause weggegangen.
Etwa im dritten Jahr seines Waibel- dienstes ist ihm sein einziges Kind gestorben, ein Knab, der sein Alter nur auf 10. Jahre gebracht, und immer kränkelnd und schwäch- lich, aber dabey ein gutes und frommes Kind war. Er saß viel ob der Bibel, las und bethete viel, er hatte nicht Kräfte zu arbei- ten, aber er sah' das Unrecht, das in sei- nes Vaters Haus herrschte, und so jung er war, hatte er schon darob Thränen ver- gossen, und dann und wann unverhollen ge- sagt: "daß es ihm noch das Herz abdrüke, dieß und jenes zu sehen:" Sein Vater has- sete ihn, sagte ihm nur Serbling und alte Grochserinn (Jammerweib), und im Rausch hatte er ihn noch etliche Mal verspottet,
wenn
tete hinter dem Geſtaͤude, wer izt den Sak abzuholen kom̃en werde — es vergieng keine halbe Stunde, ſo kam der Muͤhli-Karrer, und nahm noch zwey ſolche Saͤke aus dem Geſtaͤude hervor, als er aber des Ruͤtibau- ren ſeinen nehmen wollte, ſchlug dieſer mit einem Zaunſteken ſo auf ihn zu, daß er in Ohnmacht fiel, und eine Viertelſtund in Mitte der Straße liegen blieb, bis man es in der Muͤhli vernommen, und ihn heimge- hollt. Sint dieſer Zeit iſt der Chriſtoph nie mehr ohne ſeinen großen Hund von Hauſe weggegangen.
Etwa im dritten Jahr ſeines Waibel- dienſtes iſt ihm ſein einziges Kind geſtorben, ein Knab, der ſein Alter nur auf 10. Jahre gebracht, und immer kraͤnkelnd und ſchwaͤch- lich, aber dabey ein gutes und from̃es Kind war. Er ſaß viel ob der Bibel, las und bethete viel, er hatte nicht Kraͤfte zu arbei- ten, aber er ſah' das Unrecht, das in ſei- nes Vaters Haus herrſchte, und ſo jung er war, hatte er ſchon darob Thraͤnen ver- goſſen, und dann und wann unverhollen ge- ſagt: „daß es ihm noch das Herz abdruͤke, dieß und jenes zu ſehen:“ Sein Vater haſ- ſete ihn, ſagte ihm nur Serbling und alte Grochſerinn (Jam̃erweib), und im Rauſch hatte er ihn noch etliche Mal verſpottet,
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tete hinter dem Geſtaͤude, wer izt den Sak
abzuholen kom̃en werde — es vergieng keine
halbe Stunde, ſo kam der Muͤhli-Karrer,
und nahm noch zwey ſolche Saͤke aus dem
Geſtaͤude hervor, als er aber des Ruͤtibau-
ren ſeinen nehmen wollte, ſchlug dieſer mit
einem Zaunſteken ſo auf ihn zu, daß er in
Ohnmacht fiel, und eine Viertelſtund in
Mitte der Straße liegen blieb, bis man es
in der Muͤhli vernommen, und ihn heimge-
hollt. Sint dieſer Zeit iſt der Chriſtoph nie
mehr ohne ſeinen großen Hund von Hauſe
weggegangen.
Etwa im dritten Jahr ſeines Waibel-
dienſtes iſt ihm ſein einziges Kind geſtorben,
ein Knab, der ſein Alter nur auf 10. Jahre
gebracht, und immer kraͤnkelnd und ſchwaͤch-
lich, aber dabey ein gutes und from̃es Kind
war. Er ſaß viel ob der Bibel, las und
bethete viel, er hatte nicht Kraͤfte zu arbei-
ten, aber er ſah' das Unrecht, das in ſei-
nes Vaters Haus herrſchte, und ſo jung
er war, hatte er ſchon darob Thraͤnen ver-
goſſen, und dann und wann unverhollen ge-
ſagt: „daß es ihm noch das Herz abdruͤke,
dieß und jenes zu ſehen:“ Sein Vater haſ-
ſete ihn, ſagte ihm nur Serbling und alte
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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/297>, abgerufen am 22.11.2024.
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