Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Hünerträger fand Güggel und Eyer
feil, so viel er nur wollte, und selbst die
junge Kalberlederin, die sich vorgestern noch
wegen ihrer Seele Heils bekümmerte, daß
sie ihn in Stall hineinlassen müße, rieff
ihm izt mit lachendem Mund unter der Thü-
re, sie habe drey paar schöne reiffe junge
Dauben.

Ueberhaupt aber war es sichtbar, daß Ar-
ner alles Volk, so zu reden, sich selber nä-
her gebracht, und hat machen können, daß
fast jedermann sich weniger um das Fremde,
und mehr um das Seinige bekümmerte.

§. 68.
Zu einem guten Ziel kommen, ist
besser, als viel Wahrheiten
sagen.

Und nun näherte sich der Tag, an wel-
chem der Pfarrer den Vogt der Gemein-
de wieder vorstellen, und über ihn predigen
sollte. Viele Leute förchteten sich vor dieser
Predigt, und glaubten, der Pfarrer werde
darinn noch allerhand ausbringen, das noch
nicht am Tag sey, und werde sie zu Schan-
den machen. Selbst der Junker sagte am

Mor-
Q 2

Der Huͤnertraͤger fand Guͤggel und Eyer
feil, ſo viel er nur wollte, und ſelbſt die
junge Kalberlederin, die ſich vorgeſtern noch
wegen ihrer Seele Heils bekuͤmmerte, daß
ſie ihn in Stall hineinlaſſen muͤße, rieff
ihm izt mit lachendem Mund unter der Thuͤ-
re, ſie habe drey paar ſchoͤne reiffe junge
Dauben.

Ueberhaupt aber war es ſichtbar, daß Ar-
ner alles Volk, ſo zu reden, ſich ſelber naͤ-
her gebracht, und hat machen koͤnnen, daß
faſt jedermann ſich weniger um das Fremde,
und mehr um das Seinige bekuͤmmerte.

§. 68.
Zu einem guten Ziel kommen, iſt
beſſer, als viel Wahrheiten
ſagen.

Und nun naͤherte ſich der Tag, an wel-
chem der Pfarrer den Vogt der Gemein-
de wieder vorſtellen, und uͤber ihn predigen
ſollte. Viele Leute foͤrchteten ſich vor dieſer
Predigt, und glaubten, der Pfarrer werde
darinn noch allerhand ausbringen, das noch
nicht am Tag ſey, und werde ſie zu Schan-
den machen. Selbſt der Junker ſagte am

Mor-
Q 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0261" n="243"/>
          <p>Der Hu&#x0364;nertra&#x0364;ger fand Gu&#x0364;ggel und Eyer<lb/>
feil, &#x017F;o viel er nur wollte, und &#x017F;elb&#x017F;t die<lb/>
junge Kalberlederin, die &#x017F;ich vorge&#x017F;tern noch<lb/>
wegen ihrer Seele Heils beku&#x0364;mmerte, daß<lb/>
&#x017F;ie ihn in Stall hineinla&#x017F;&#x017F;en mu&#x0364;ße, rieff<lb/>
ihm izt mit lachendem Mund unter der Thu&#x0364;-<lb/>
re, &#x017F;ie habe drey paar &#x017F;cho&#x0364;ne reiffe junge<lb/>
Dauben.</p><lb/>
          <p>Ueberhaupt aber war es &#x017F;ichtbar, daß Ar-<lb/>
ner alles Volk, &#x017F;o zu reden, &#x017F;ich &#x017F;elber na&#x0364;-<lb/>
her gebracht, und hat machen ko&#x0364;nnen, daß<lb/>
fa&#x017F;t jedermann &#x017F;ich weniger um das Fremde,<lb/>
und mehr um das Seinige beku&#x0364;mmerte.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 68.<lb/>
Zu einem guten Ziel kommen, i&#x017F;t<lb/>
be&#x017F;&#x017F;er, als viel Wahrheiten<lb/>
&#x017F;agen.</head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">U</hi>nd nun na&#x0364;herte &#x017F;ich der Tag, an wel-<lb/>
chem der Pfarrer den Vogt der Gemein-<lb/>
de wieder vor&#x017F;tellen, und u&#x0364;ber ihn predigen<lb/>
&#x017F;ollte. Viele Leute fo&#x0364;rchteten &#x017F;ich vor die&#x017F;er<lb/>
Predigt, und glaubten, der Pfarrer werde<lb/>
darinn noch allerhand ausbringen, das noch<lb/>
nicht am Tag &#x017F;ey, und werde &#x017F;ie zu Schan-<lb/>
den machen. Selb&#x017F;t der Junker &#x017F;agte am<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Q 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Mor-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[243/0261] Der Huͤnertraͤger fand Guͤggel und Eyer feil, ſo viel er nur wollte, und ſelbſt die junge Kalberlederin, die ſich vorgeſtern noch wegen ihrer Seele Heils bekuͤmmerte, daß ſie ihn in Stall hineinlaſſen muͤße, rieff ihm izt mit lachendem Mund unter der Thuͤ- re, ſie habe drey paar ſchoͤne reiffe junge Dauben. Ueberhaupt aber war es ſichtbar, daß Ar- ner alles Volk, ſo zu reden, ſich ſelber naͤ- her gebracht, und hat machen koͤnnen, daß faſt jedermann ſich weniger um das Fremde, und mehr um das Seinige bekuͤmmerte. §. 68. Zu einem guten Ziel kommen, iſt beſſer, als viel Wahrheiten ſagen. Und nun naͤherte ſich der Tag, an wel- chem der Pfarrer den Vogt der Gemein- de wieder vorſtellen, und uͤber ihn predigen ſollte. Viele Leute foͤrchteten ſich vor dieſer Predigt, und glaubten, der Pfarrer werde darinn noch allerhand ausbringen, das noch nicht am Tag ſey, und werde ſie zu Schan- den machen. Selbſt der Junker ſagte am Mor- Q 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/261
Zitationshilfe: Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/261>, abgerufen am 18.05.2024.