er im Keller hatte, und der Treufaug wur- de so zutraulich, daß er fast nicht wußte, wie thun. Er versprach ihm einmal über das andre, daß er nicht mehr arznen, und seine Arzneymittel alle dem studierten Herrn Doktor Müller, den er als braf und sorg- fältig kennte, anvertrauen wolle, wenn nur der Junker dann auch wieder gut mit ihm werde, und er auch wieder ins Schloß dörffe, wie unter dem Alten, und die Leute es ihm nicht so machen dörfen wie izt.
Der Pfarrer forrschte ihn über alles aus. Er gestuhnd, daß er seiner Arzneyen nie si- cher gewesen. Von den Gespengstern und vom Lachsnen, sagte er, er habe im An- fang daran geglaubt, wie ans Unser Vater, nach und nach habe er freylich anfangen merken, daß nicht alles gleich wahr, was in seines Großvaters Buch gestanden; aber er habe seine Manier forttreiben müssen, weil ihm niemand einen Heller zu verdienen gegeben hätte, wenn man nicht geglaubt hätte, er könne etwas wider die bösen Leut; und nach und nach sey es ihm so zur Ge- wohnheit und zum Handwerk worden, daß er diese Ceremonien allemal mitgemacht, ohne weiter daran zu denken, ob sie etwas nüzen oder nicht, wie hundert andre Leute auch unnüze Sachen mit den nöthigen mit-
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er im Keller hatte, und der Treufaug wur- de ſo zutraulich, daß er faſt nicht wußte, wie thun. Er verſprach ihm einmal uͤber das andre, daß er nicht mehr arznen, und ſeine Arzneymittel alle dem ſtudierten Herrn Doktor Muͤller, den er als braf und ſorg- faͤltig kennte, anvertrauen wolle, wenn nur der Junker dann auch wieder gut mit ihm werde, und er auch wieder ins Schloß doͤrffe, wie unter dem Alten, und die Leute es ihm nicht ſo machen doͤrfen wie izt.
Der Pfarrer forrſchte ihn uͤber alles aus. Er geſtuhnd, daß er ſeiner Arzneyen nie ſi- cher geweſen. Von den Geſpengſtern und vom Lachsnen, ſagte er, er habe im An- fang daran geglaubt, wie ans Unſer Vater, nach und nach habe er freylich anfangen merken, daß nicht alles gleich wahr, was in ſeines Großvaters Buch geſtanden; aber er habe ſeine Manier forttreiben muͤſſen, weil ihm niemand einen Heller zu verdienen gegeben haͤtte, wenn man nicht geglaubt haͤtte, er koͤnne etwas wider die boͤſen Leut; und nach und nach ſey es ihm ſo zur Ge- wohnheit und zum Handwerk worden, daß er dieſe Ceremonien allemal mitgemacht, ohne weiter daran zu denken, ob ſie etwas nuͤzen oder nicht, wie hundert andre Leute auch unnuͤze Sachen mit den noͤthigen mit-
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er im Keller hatte, und der Treufaug wur-
de ſo zutraulich, daß er faſt nicht wußte,
wie thun. Er verſprach ihm einmal uͤber
das andre, daß er nicht mehr arznen, und
ſeine Arzneymittel alle dem ſtudierten Herrn
Doktor Muͤller, den er als braf und ſorg-
faͤltig kennte, anvertrauen wolle, wenn nur
der Junker dann auch wieder gut mit ihm
werde, und er auch wieder ins Schloß
doͤrffe, wie unter dem Alten, und die Leute
es ihm nicht ſo machen doͤrfen wie izt.
Der Pfarrer forrſchte ihn uͤber alles aus.
Er geſtuhnd, daß er ſeiner Arzneyen nie ſi-
cher geweſen. Von den Geſpengſtern und
vom Lachsnen, ſagte er, er habe im An-
fang daran geglaubt, wie ans Unſer Vater,
nach und nach habe er freylich anfangen
merken, daß nicht alles gleich wahr, was
in ſeines Großvaters Buch geſtanden; aber
er habe ſeine Manier forttreiben muͤſſen,
weil ihm niemand einen Heller zu verdienen
gegeben haͤtte, wenn man nicht geglaubt
haͤtte, er koͤnne etwas wider die boͤſen Leut;
und nach und nach ſey es ihm ſo zur Ge-
wohnheit und zum Handwerk worden, daß
er dieſe Ceremonien allemal mitgemacht,
ohne weiter daran zu denken, ob ſie etwas
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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/258>, abgerufen am 25.11.2024.
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