Die Sterbende zitterte bey diesem Anblik, und nahm ihren Mann bey der Hand; die- ser verhüllte sein Angesicht in die Deke ihres Bettes.
Die Vögtin erholete sich wieder. Sie hatte, seit dem sie erwacht, und vorher die ganze Nacht fast keinen andern Gedanken gehabt, als was sie diesen Unglüklichen noch sagen wolle, und sagen müße.
Sie bath sie izt, sich zu sezen, und je- des suchte still das nächste Pläzgen, und Männer und Weiber nahmen die Kinder auf den Schoos.
§. 62. Worte einer Sterbenden.
Dann sagte die Frau: Gott grüß euch, ihr liebe, arme, so oft von uns gedrükte und gedrängte Leute --
Lohn's euch Gott, daß ihr euch meiner noch erbarmet, und izt, da ich euer nöthig habe, zu mir kommt.
Jch hab es nicht um euch verdient. -- Wenn ihr in Noth und Elend zu mir ka- met, so verschloß ich mein Herz vor euerm Jammer. --
Jch
Die Sterbende zitterte bey dieſem Anblik, und nahm ihren Mann bey der Hand; die- ſer verhuͤllte ſein Angeſicht in die Deke ihres Bettes.
Die Voͤgtin erholete ſich wieder. Sie hatte, ſeit dem ſie erwacht, und vorher die ganze Nacht faſt keinen andern Gedanken gehabt, als was ſie dieſen Ungluͤklichen noch ſagen wolle, und ſagen muͤße.
Sie bath ſie izt, ſich zu ſezen, und je- des ſuchte ſtill das naͤchſte Plaͤzgen, und Maͤnner und Weiber nahmen die Kinder auf den Schoos.
§. 62. Worte einer Sterbenden.
Dann ſagte die Frau: Gott gruͤß euch, ihr liebe, arme, ſo oft von uns gedruͤkte und gedraͤngte Leute —
Lohn's euch Gott, daß ihr euch meiner noch erbarmet, und izt, da ich euer noͤthig habe, zu mir kommt.
Jch hab es nicht um euch verdient. — Wenn ihr in Noth und Elend zu mir ka- met, ſo verſchloß ich mein Herz vor euerm Jammer. —
Jch
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Die Sterbende zitterte bey dieſem Anblik,
und nahm ihren Mann bey der Hand; die-
ſer verhuͤllte ſein Angeſicht in die Deke ihres
Bettes.
Die Voͤgtin erholete ſich wieder. Sie
hatte, ſeit dem ſie erwacht, und vorher die
ganze Nacht faſt keinen andern Gedanken
gehabt, als was ſie dieſen Ungluͤklichen noch
ſagen wolle, und ſagen muͤße.
Sie bath ſie izt, ſich zu ſezen, und je-
des ſuchte ſtill das naͤchſte Plaͤzgen, und
Maͤnner und Weiber nahmen die Kinder auf
den Schoos.
§. 62.
Worte einer Sterbenden.
Dann ſagte die Frau:
Gott gruͤß euch, ihr liebe, arme, ſo
oft von uns gedruͤkte und gedraͤngte Leute —
Lohn's euch Gott, daß ihr euch meiner
noch erbarmet, und izt, da ich euer noͤthig
habe, zu mir kommt.
Jch hab es nicht um euch verdient. —
Wenn ihr in Noth und Elend zu mir ka-
met, ſo verſchloß ich mein Herz vor euerm
Jammer. —
Jch
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Pestalozzi, Johann Heinrich: Lienhard und Gertrud. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1783, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard02_1783/242>, abgerufen am 25.11.2024.
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